Wirtschaftsfaktor Kirche
Franz Prettenthaler nahm die Wertschöpfung der Kirche unter die Lupe. Mit ihm sprach Gerald Heschl.
Die Kirche kann nicht auf ihre Wirtschaftsleistung reduziert werden – aber: Was sie für die regionale Wirtschaft leistet, ist enorm. Das ergibt eine wissenschaftliche Studie.


Die Studie zur Wirtschaftlichkeit der österreichischen Kirche brachte überraschend positive Ergebnisse. Wie kam es zu dieser Studie?
Prettenthaler: Es gab vor zwei Jahren erste Gespräche darüber, dass man der Vielzahl von Zahlen, die teilweise sehr polemisch kommentiert wurden, ein seriöses wirtschaftliches Ergebnis gegenüberstellt. Durchaus auch im ehrlichen Eigeninteresse der Kirche, mehr über sich selbst zu wissen. Es sind neben den neun Diözesen eine Vielzahl von Stiftungen, Pfarren, eigenständigen Rechtsträgern etc.
Wie kommt man eigentlich zu diesem Zahlenmaterial?
Prettenthaler: In diesen zwei Jahren mussten wir sehr viel Detailarbeit leisten. Es ist das erste Mal, dass diese Zahlen veröffentlicht werden. Das erfüllt uns schon ein bisschen mit Stolz.
Immer wieder wird der Kirche mangelnde Transparenz vorgeworfen. Wie hat sich dies auf Ihre Studie ausgewirkt?
Prettenthaler: Es war eine sehr positive Erfahrung. Die Diözesen arbeiten besser zusammen als die österreichischen Bundesländer. Insofern zeigt diese Studie, dass man sich um Transparenz bemüht. Aber Transparenz muss sinnvoll hergestellt werden.
In Deutschland gibt es seit Limburg eine heftige Diskussion um kirchliche Vermögen. Papst Franziskus wünscht sich eine arme Kirche. Wie passt das alles zusammen?
Prettenthaler: Die Frage nach dem Vermögen ist ökonomisch wenig interessant. Die zentrale Frage ist, was wird mit dem Vermögen oder etwa dem Grundbesitz erwirtschaftet, wie viele Arbeitsplätze werden damit geschaffen? Das ist auch für uns Ökonomen die interessante Frage. Da hat sich gezeigt, dass die Kirche volkswirtschaftlich viel bewegt. Jeder 40. Euro in Österreich wird in irgendeiner Form mit Beteiligung der Kirche erwirtschaftet.
Erstaunliche Ergebnisse brachte die Studie in puncto Ehrenamt ...
Prettenthaler: Ja, das ehrenamtliche Engagement wurde in dieser Studie erstmals bewertet. Die Ergebnisse können sich sehen lassen. Was in der Kirche an ehrenamtlicher Leistung erbracht wird, entspricht einem Gegenwert von einer halben Milliarde Euro!
In der Studie werden die materiellen Werte bewertet. Der Kernauftrag der Kirche liegt aber im Immateriellen. Lässt sich diese Leistung auch irgendwie bewerten?
Prettenthaler: Das ist vollkommen richtig. Als Ökonomen haben wir nur zu einem geringen Teil zur Bewertung kirchlicher Leistungen etwas zu sagen. Die Kirche soll das tun, was ihr Auftrag ist: mit Christus bei den Menschen sein, ihnen Hoffnung und Zuversicht vermitteln. Aber all das hinterlässt einen ökonomischen Fußabdruck. Das ist es, was wir Ökonomen mit soliden Methoden nachzeichnen können. Wir sind da sehr vorsichtig vorgegangen. Es gibt von manchen Seiten die Forderung nach der Ökonomisierung aller Lebensbereiche. Aber es kann nicht das Anliegen sein, die Kirche nur von Ökonomenseite zu betrachten.
Es gab ein Volksbegehren gegen sogenannte „Kirchenprivilegien“. Im Zentrum der Kritik standen staatliche Aufträge an die Kirche. Wie ist das einzuschätzen?
Prettenthaler: Da haben sich Legenden gebildet. Als Privileg kann man das nicht bezeichnen. Der Staat kauft ja Leistungen zu, etwa im Schulwesen, im Pflege- und Gesundheitsbereich oder in der Flüchtlingsbetreuung. Bei den Ordensspitälern lässt sich ganz klar nachweisen, dass das Spitalsbett günstiger kommt als in öffentlichen Krankenhäusern. Die öffentliche Hand bekommt also ein sehr günstiges Service. Die öffentliche Hand gibt an die drei Milliarden Euro dafür aus. Dagegen liegt der Nutzen, den die Kirche gesellschaftlich bietet, bei 8,5 Milliarden Euro. An steuerlichen Rückflüssen kommen mehr als drei Milliarden an den Staat zurück. Das heißt, der Staat zahlt eigentlich fast nichts für diese Leistungen. Dabei sind wir sehr vorsichtig vorgegangen, weil wir viele Folgewirkungen gar nicht beurteilt haben. Etwa was eine gute Ausbildung in einer katholischen Privatschule einem Einzelnen bringt. Das kann man seriös nur schwer beziffern.
Die Kirche leistet ja auch in Bereichen viel, die eigentlich Aufgabe des Staates sind, von diesem aber vernachlässigt werden. Ich denke an den ganzen Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Lässt sich dies in Zahlen fassen?
Prettenthaler: Wir haben selbst gestaunt, dass die kirchliche Entwicklungshilfe, die in die ärmsten Länder fließt, gleich hoch ist wie die offizielle staatliche Entwicklungshilfe. Das ist eine enorme Leistung.
Ein Ergebnis der Studie ist, dass die Kirche nicht nur in Gesundheit, Pflege, Soziales viel leistet, sondern auch für andere Bereiche. Für Kärnten vielleicht interessant: Was leistet die Kirche für den Tourismus?
Prettenthaler: Denken Sie an die Erhaltung der Kulturgüter! Gerade Kärnten mit seinen vielen, wunderbaren Kirchen ist ein gutes Beispiel. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten jedes Landes liegen im kirchlichen Bereich. Für ganz Österreich ist etwa der Stephansdom mit mehr als fünf Millionen Besuchern jährlich das wichtigste Gebäude. Danach kommen Mariazell und das Stift Melk. In Kärnten wird es ähnlich sein. Wirtschaftlich bedeutet dies, dass Ausgaben von 460 Millionen Euro 6100 Arbeitsplätze im Tourismus schaffen. Aber auch der Handel profitiert.
Inwiefern?
Prettenthaler: Wir haben uns die Konsumausgaben im Rahmen der Feste anlässlich der hl. Sakramente angeschaut. Auch hier waren wir sehr zurückhaltend. So haben wir Trauungen nicht der Kirche zugerechnet, weil Menschen auch ohne Kirche heiraten können. Aber wo man zu Recht sagt, dass dies mit der kirchlichen Feierkultur verbunden ist, das sind Taufe, Erstkommunion und Firmung. So kommt es im Rahmen einer Firmung zu Konsumausgaben von mehr als 1100 Euro. Dieses Geld kommt ausschließlich der regionalen Wirtschaft zugute.
Kann man sagen, die Kirche fördert die regionale Wirtschaft besonders?
Prettenthaler: Wir haben die Auswirkungen in jedem Bundesland genau unter die Lupe genommen. Das hat gezeigt, dass die Ausgaben, die in Kärnten von der Kirche Kärntens getätigt werden, faktisch ausschließlich in Kärnten Beschäftigung und Wertschöpfung schaffen. Für Kärnten sind das mehr als 5000 Arbeitsplätze, die durch die Aktivitäten der Kirche geschaffen werden. Das hat vor allem mit der starken Bedeutung des Bausektors zu tun, aber auch mit dem Sozial- und Gesundheitswesen. Dazu kommt noch, dass die bezahlten Löhne und Gehälter ja auch vornehmlich in der Region ausgegeben werden. Das fördert die regionale Wirtschaft noch zusätzlich.
Kann man etwas verkürzt sagen: „Investieren“ in die Kirche – etwa in Form des Kirchenbeitrages – zahlt sich für alle Österreicher aus?
Prettenthaler: Nach unseren Analysen kann ich sagen: Das zahlt sich in jedem Fall aus!