Organisation

Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Wirtschaft und Ethik müssen kein Widerspruch sein

Richard Lernbass leitet in Diex eine Ratingagentur der besonderen Art

Der Unternehmer Richard Lernbass über Finanzen und Moral, über Tierleid bei der Lebensmittelproduktion und einen internationalen Ethik-Kongress in St. Georgen

Richard Lernbass leitet von Diex aus eine internationale Ratingagentur, die sich auf ethische Investments spezialisiert. Wie Ethik und Investment zusammepassen, erklärt er im “Sonntag“-Gespräch. (© Foto: software-systems.at)
Richard Lernbass leitet von Diex aus eine internationale Ratingagentur, die sich auf ethische Investments spezialisiert. Wie Ethik und Investment zusammepassen, erklärt er im “Sonntag“-Gespräch. (© Foto: software-systems.at)
Entspannung findet Unternehmer Lernbass bei seinen Tieren. (© Foto: privat)
Entspannung findet Unternehmer Lernbass bei seinen Tieren. (© Foto: privat)

Herr Lernbass, Sie beschäftigen sich in Ihrem Unternehmen „software-systems.at“ mit ethischer Finanzveranlagung. Auf dem Gebäude steht „Finanzen und Ethik“. Ist das nicht ein Widerspruch?
Lernbass: Wirtschaften und Ethik gehen aus meiner Sicht sehr wohl Hand in Hand. Zunächst handeln wir aus wirtschaftlichen Überlegungen. Wir müssen aber auch Schritte setzen, die den nächsten Generationen eine gute Umwelt, gute soziale Bedingungen und ein lebenswertes Leben sichern.

Sehen Sie eine positive Entwicklung in diese Richtung? Wie beurteilen Sie die vielen Nachhaltigkeits-Initiativen?
Lernbass: Wenn ich von einem Unternehmen höre, das stark in Richtung Nachhaltigkeit unterwegs sei, beurteile ich immer, wofür dieses Unternehmen steht. Bei einer Bank oder Versicherung ist es nicht entscheidend, ob Tintenpatronen richtig entsorgt werden oder Umweltpapier verwendet wird. Entscheidend ist die Nachhaltigkeit seiner Dienstleistung gegenüber dem Kunden. Bei den produzierenden Betrieben gilt das noch viel mehr.

Es geht also darum, wie das Geld erwirtschaftet wird, mit dem dann sogenannte CSR-Projekte gefördert werden?
Lernbass: Wir sehen leider bei vielen Unternehmen Alibihandlungen, um nach außen als nachhaltig oder ethisch dazustehen. Das ist nichts als reines Marketing. Uns geht es aber um das Kerngeschäft des Unternehmens. Ich möchte aber schon auch betonen, dass es da in Österreich sehr viele auch sehr große Unternehmen gibt, die sich in Richtung ethisches Wirtschaften sehr gut entwickeln.

Hätten Sie ein Beispiel?
Lernbass: Ein Unternehmen, an das man nicht sofort denkt, ist die VÖEST. Sie weist pro Tonne Stahl weltweit die geringsten Emissionen auf. Wenn wir Stahl wollen, wenn wir weiter Autos fahren wollen und das Material für Brücken etc. brauchen, müssen wir einfach schauen, dass so wenig Schadstoffe wie möglich produziert werden. Daher sollte man nachhaltig so gut entwickelte Unternehmen vor den Vorhang holen. Vor allem solche, die vordergründig bei den auf Nachhaltigkeit spezialisierten Investitionen überhaupt nicht vorkommen.

Sie nehmen ethische Bewertungen von Unternehmen und Ländern vor. Was ist der Unterschied zu den berüchtigten Ratingagenturen?
Lernbass: Die Ratingagenturen sind in Wirklichkeit ein Spiegelbild der Problematik, in der wir uns befinden. Wir brauchen aber zusätzliche Kriterien. In erster Linie sind das die sozialen Leistungen und die Umweltpolitik eines Landes. Das sind die zwei Kriterien, auf die es in Zukunft ankommt, weil sie die Treiber in der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung sind. Das wird zu wenig berücksichtigt. Wir dürfen nicht nur auf die Finanzen schauen, sondern auch darauf, wie es den Menschen geht.

Was kann man sich unter „ethischen Investments“ vorstellen?
Lernbass: Es gibt auch da kein Schwarz-Weiß-Denken. Im Grunde geht es darum, dass ich bei Investitionen nach meinen Wertvorstellungen Unternehmen berücksichtige, die ich für gut halte. Das wichtigste Kriterium ist also der Inhalt – weit vor Risiko oder Rendite. Gentechnik, Menschenrechtsverletzungen, Atomstromproduktion oder Korruption sind so Kriterien, die Menschen wirklich bewegen und die sie ablehnen. Da wird der Ertrag zweitrangig. Im Zentrum steht also die Frage: Kann ich mich mit dem Produkt identifizieren?

Klingt das ein bisschen nach dem Fair-Trade-Gedanken?
Lernbass: Durchaus. Es ist entscheidend, sich mit den Inhalten zu beschäftigen. Ein Beispiel: Niemand will, dass Tiere gequält werden. Trotzdem ist es erschreckend, wie bei der Lebensmittelproduktion mit den Tieren umgegangen wird. Wenn die Menschen all das wüssten, würden wahrscheinlich die wenigsten eine Wurst kaufen. Genau so ist es bei Finanzprodukten. Entscheidend ist, was drinnen ist.

Kann der Konsument bei Finanzprodukten eine Veränderung bewirken?
Lernbass: Jeder von uns kann zu einer Verbesserung beitragen, auch wenn wir glauben, wir sind ohnmächtig. In Österreich liegen mehr als 130 Milliarden Euro auf Sparbüchern. Würde jeder Sparbuchinhaber zur Bank gehen und sich erklären lassen, was wirklich mit dem Geld passiert, entsteht automatisch die richtige Bewegung. Als mündige Bürger und Kunden müssen wir von unseren Dienstleistern Transparenz einfordern. Dann können wir mit entscheiden. Das ist gar nicht so kompliziert.

Um den Gedanken zu verbreiten, haben Sie den „Finanz und Ethik-Kongress“ gegründet?
Lernbass: 2002 haben wir die „Finance & Ethics-Academy“ gegründet. Immer wieder diskutieren wir sehr kontroversiell, wie weit Finanzen und Ethik ein Widerspruch sind, reden über Lebensmittelproduktion oder Regulative. Inzwischen kommen 200 Teilnehmer zu diesen Kongressen, um dort international anerkannte Experten zu erleben.

Der nächste findet Ende September statt. Worum geht es?
Lernbass: Einmal um ethische Veranlagungen, und am 25. September können wir der Öffentlichkeit einen neuen Studiengang präsentieren.

Die Kongresse finden in St. Georgen statt. Wie wichtig ist die Kooperation mit der Kirche?
Lernbass: Das ist mir sehr wichtig. Ich sehe in unserem Bischof eine ganz zentrale moralische Instanz. Und das Stift St. Georgen, wo wir seit einigen Jahren Gast sind, ist für diese Thematik ein idealer Standort.