Werte und Haltungen weitergeben
Hubert Gaisbauer schrieb ein Kinderbuch zur Enzyklika "Laudato Si"
Der bekannte Radiojournalist schrieb ein Buch für Kinder über die Enzyklika „Laudato Si“. Im „Sonntag“-Gespräch verrät er, welche Ziele er mit dem Buch verfolgt und was ihn an Papst Franziskus fasziniert.


Sie haben „Laudato Si“ für Kinder aufbereitet. Sind Kinder die richtige Zielgruppe für eine Enzyklika?
Gaisbauer: Eigentlich ist es ein Buch für Kinder von 9 bis 99. Die Zielgruppe sind zwar in erster Linie Kinder, aber schon auch Erwachsene – Eltern und vor allem Großeltern. Sie sollen mit den Kindern das Buch lesen und Anregungen daraus erhalten. Die Älteren können auf diese Weise den Jüngeren etwas erzählen, ihnen vor allem ihre eigene Haltung mitgeben. Diese Vermittlung von Werten und Haltungen an Jugendliche war für mich immer ganz wichtig.
Das Buch ist die Summe von Briefen, die Sie Ihrer Enkelin schreiben. Wie kam es dazu?
Gaisbauer: Entstanden ist das Ganze aus einem Gespräch mit meiner Enkelin, die wissen wollte, was eine Enzyklika ist. Ich habe ihr dann erklärt, dass es sozusagen ein Brief des Papstes an alle Menschen ist. Da hat sie gemeint, wenn es schon um die Zukunft geht, könnte der Papst doch an die Kinder einen Brief schreiben. Ich halte es für durchaus möglich, dass Papst Franziskus so etwas auch einmal machen wird. Jedenfalls habe ich dann beschlossen, dies zu probieren und die Briefe an meine Enkelin als Kinderbuch geschrieben.
Warum aber Briefe? Wären E-Mails nicht zeitgemäßer?
Gaisbauer: Ich halte es für sehr wichtig, dass in Zeiten der digitalen Kommunikation der Brief als eines der schönsten sozialen Medien nicht verkommt. Man kann in Briefen sehr überlegt, schön und qualifiziert kommunizieren. Manchmal gewinnt man den Eindruck, dass wir mit E-Mails, Facebook und Twitter in einer Zeit der Fast-Food-Kommunikation leben. Da ist der Brief ein besonderes Zeichen.
Neben den Briefen stehen Originalzitate aus der Enzyklika ...
Gaisbauer: Die Originalzitate aus der Enzyklika habe ich deshalb eingefügt, damit vor allem die Erwachsenen den Originalton des Papstes lesen können. Man spürt an diesen Stellen sehr schön den neuen Stil des Papstes. Er spricht nicht in dieser kirchlichen Lehrsprache, sondern verwendet eine unglaublich wohltuende, direkte und herzliche Sprache.
Apropos Sprache: Sie sprechen in den Briefen auch schwierige Themen sehr direkt an.
Gaisbauer: Ich habe mich sehr um eine kindgerechte Sprache bemüht. Das bedeutet aber nicht, dass sie kindlich im Sinne von naiv ist. Damit wird sie den Kindern gerecht und ist auch für Erwachsene lesbar.
Auch Inhalte sind nicht „verkindlicht“. Sie beschäftigen sich mit Ausbeutung, Krieg, Armut. Wie schwierig ist es, solche Themen in ein Kinderbuch zu verpacken?
Gaisbauer: Da muss ich vorausschicken, dass ein Ziel des Buches ist, Änderungen im Leben und im Verhalten nachvollziehbar und nachlebbar zu machen. Es soll zum Nachdenken anregen, wie weit man sein bisheriges Verhalten neu ausrichten könnte oder sollte. Man kann die wirklichen Probleme, wie Klimawandel, Hunger, Flüchtlinge usw., nicht einfach aussparen. Allerdings ist die Enzyklika keine Droh- oder Jammerbotschaft. Sie strahlt diese franziskanische Zärtlichkeit aus. Das meine ich im doppelten Sinn: Bei Franz von Assisi und Papst Franziskus steht diese Zärtlichkeit im Vordergrund, die sich im Sonnengesang „Laudato Si“ zeigt. Er gibt den Ton an und illustriert einen der zentralen Sätze des Papstes in seiner Enzyklika: „Die Welt ist nicht nur ein zu lösendes Problem.“
Die Enzyklika als echte Frohbotschaft?
Gaisbauer: Die Welt ist von Gott zur eigenen und unserer Freude geschaffen. Wir sollen Gott dafür loben und uns freuen, dann würde manches vielleicht leichter sein. Aber trotzdem muss man von den Gefahren sprechen, die es gibt und die wir teilweise selbst verursachen. Die Enzyklika ist ja auch ein Aufruf, sich von der allgegenwärtigen Gedankenlosigkeit abzuwenden. Das verstehen Kinder schon sehr gut. Ihnen ist absolut nicht egal, was passiert.
Was glauben Sie, kann „Laudato Si“ bewirken?
Gaisbauer: Ich habe festgestellt, dass „Laudato Si“ von Anfang an eine große Resonanz erfahren hat. Ich glaube auch, dass diese Enzyklika einen Einfluss auf die positiven Ergebnisse der Weltklimakonferenz in Paris hatte. Auch die Reden des Papstes vor dem Europarat werden nicht überhört und finden eine gute Resonanz weit über geografische und kulturelle Grenzen.
Sehen Sie in „Laudato Si“ also eine Wirkung über den katholischen Bereich hinaus?
Gaisbauer: Ich erlebe immer wieder, dass Papst Franziskus auch für Menschen, die sich nicht der Kirche zugehörig fühlen, die vielleicht nicht einmal religiös sind, als moralische Instanz gilt. „Moralisch“ im besten Sinne des Wortes und nicht als moralisierend. Auf ihn hören die Menschen. Natürlich ist er auch heftigen Kritiken ausgesetzt. Das kommt aber auch daher, weil er eine direkte Sprache gefunden hat und die Dinge beim Namen nennt.
Veränderungen im Großen beginnen ja oft im Kleinen. Könnte Ihr Buch da eine gewisse Initialzündung sein?
Gaisbauer: Wenn man wirklich versucht, das herauszufiltern, wo man sich angesprochen fühlt und etwas tun kann, dann bewirkt es Veränderungen fast von selbst. Der Versuch meines Buches ist es durchaus auch, hier eine Art „Andockstellen“ zu setzen, so dass durch die Enzyklika Einstiegsmöglichkeiten für Veränderungen entstehen.
Haben Sie persönlich in „Laudato Si“ auch solche „Einstiegsmöglichkeiten“ gefunden?
Gaisbauer: Mir persönlich hat die Arbeit an dem Buch schon einen neuen Dreh am Knopf meines Umweltbewusstseins gegeben. Ich habe doch die eine oder andere Gewohnheit abgelegt und mir manches zu Herzen genommen. Mir hat diese Enzyklika sehr wohl getan, sie hat mich sehr bewegt. Seit Februar versuche ich, geflüchteten Menschen in Sprachkursen unsere Sprache nahe zu bringen. Wer weiß, vielleicht würde ich das ohne diese Enzyklika nicht tun.