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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Wer Flüchtlinge aufnimmt, nimmt Christus auf

Gerda Schaffelhofer zur Flüchtlingsdiskussion

Gerda Schaffelhofer, Präsidentin der Katholischen Aktion Österreichs, sieht in der aktuellen Situation eine Chance für das christliche Europa und warnt vor Angst- und Panikmache.

Gerda Schaffelhofer im “Sonntag“-Thema zur aktuellen Diskussion. Sie warnt vor Angst- und Panikmache. Flüchtlingen zu helfen, ist ein christlicher Auftrag. (© Foto: caritas/madritsch)
Gerda Schaffelhofer im “Sonntag“-Thema zur aktuellen Diskussion. Sie warnt vor Angst- und Panikmache. Flüchtlingen zu helfen, ist ein christlicher Auftrag. (© Foto: caritas/madritsch)
KAÖ-Präsidentin Gerda Schaffelhofer (© Foto: kaö)
KAÖ-Präsidentin Gerda Schaffelhofer (© Foto: kaö)

In vielen Städten finden „Lichtermeere“ statt. In Wiener Neustadt hielt Gerda Schaffelhofer, Präsidentin der Katholischen Aktion Österreichs, eine viel beachtete Rede. Hier ein Auszug:

„Frauen weinten, Kinder schrien, ich verlor das Bewusstsein vor lauter Erschöpfung und weil ich seekrank wurde. Ich hatte Angst, gefangen genommen und vergewaltigt zu werden. Wir gingen sechs Stunden bei starkem Regen und warteten weitere sechs Stunden im Wald ohne Wasser, ohne Essen. In den frühen Morgenstunden flüchtete der Schlepper und ließ uns allein. Die ungarische Polizei nahm uns gefangen und behandelte uns wie Kriminelle. Sechs Tage verbrachte ich im Gefängnis, sie gaben uns nicht einmal sauberes Wasser zu trinken. Sogar der Übersetzer belog uns.“
Das alles und noch viel mehr, hat eine junge Frau durchgemacht, die es inzwischen nach Kärnten geschafft hat. Sie ist kein Einzelfall. Zigtausende Menschen haben in den letzten Wochen ähnliche Erfahrungen gemacht.
Für uns stellt sich die Frage: Was tun?
Wir müssen uns entscheiden: Wir können ausgrenzen oder uns solidarisch erklären. Wir können unsere Mauern hochziehen, Stacheldrahtzäune errichten, uns abschotten oder Brücken bauen, Grenzen überwinden und Menschen als Schwestern und Brüder willkommen heißen.
Als Papst Franziskus seine erste Reise just nach Lampedusa führte, dachten viele, das sei taktisch klug. Heute weiß ich, dass das mehr als nur kluge Taktik gewesen ist. Der Papst hat damit gleichsam das christliche Programm für das dritte Jahrtausend vorgelegt. Denn für unser heutiges und künftiges Christsein wird das Entscheidende sein, wie wir mit Menschen umgehen, die an unsere Tür klopfen. Was wir in diesem angeblich so christlichen Europa dringend brauchen, ist eine neue Manifestation des Christlichen. Wir müssen uns – gerade auch in der Auseinandersetzung mit dem Islam – die Frage stellen: Was macht uns zu Christen?

Wer ist mein Nächster?
Lampedusa, Kos, Budapest, Nickelsdorf rufen uns dramatisch in Erinnerung, dass die uralte biblische Frage „Wer ist mein Nächster?“ und die gelebte Antwort darauf von alles entscheidender Bedeutung sind. Wer glaubt, diese Frage regional mit Hilfe der Landkarte beantworten zu können, hat nichts von der Globalisierung und schon gar nichts vom Christentum begriffen.
Was heißt das konkret? Nicht jeder von uns kann Menschen beherbergen, unterrichten, bekochen und betreuen. Aber lassen Sie uns unsere Begabungen und Charismen zusammenlegen. Jede und jeder soll einen Mosaikstein einbringen. Am Schluss wird ein Gesamtbild von einem offenen, christlichen, gastfreundlichen, menschlichen Europa entstehen, in dem Flüchtlinge das finden, was sie brauchen: Schutz und die Chance auf ein Leben in Würde.
Nur damit wird Europa auch christlich bleiben! Dies sei an die Adresse derer gesagt, die vor Überfremdung warnen und sich angeblich so sehr um unser christliches Erbe und dessen Fortbestand sorgen. Für mich ist das Scheinreligiösität! Nicht Angst vor dem Islam, sondern Mut zum christlichen Bekenntnis ist das Gebot der Stunde. Dieses Bekenntnis muss in einen Dialog mit dem Islam münden und in konkrete Hilfsbereitschaft. Nicht durch Aussperren und Abschotten wird Europa christlich bleiben, sondern durch Aufnahme und Geschwisterlichkeit!
„Was ihr dem Geringsten meiner Schwestern und Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“, steht in der heute immer noch gültigen Bibel. Im Klartext heißt das: Wer einen Flüchtling aufnimmt, nimmt Christus auf.
Vielleicht ist diese Krise für Europa auch eine Chance aufzuwachen und sich auf neue Weise auf seine christlichen Wurzeln zu besinnen.

>> Informationen zum Thema FLÜCHTLINGSHILFE