Wege erwachsenen Glaubens
P. Hubert Lenz und das Team von Vallendar über die Zukunft des Glaubens
„Glaube hat Zukunft“ ist die Überzeugung des Pallottiners P. Hubert Lenz, der im deutschen Vallendar mit seinem Team „Wege erwachsenen Glaubens“ entwickelt hat.


Sie sagen: „Glaube hat Zukunft!“ – trotz Säkularisierung. Die meisten Menschen hierzulande sind getauft und gefirmt ... Und dann?
Lenz: Die Sakramente sind ein Gerüst, das mit Leben gefüllt werden muss. Uns ist wichtig, dass der Glaube verwurzelt ist. Das Konzil sagt: Bevor man von einzelnen Sakramenten spricht, ist es wichtig, den Bezug zum „Ursakrament“ zu haben, zu Jesus Christus. Das Konzil spricht auch von der Gemeinschaft der Glaubenden als Voraussetzung. Wir wollen das Gebäude unseres Glaubens oft im zweiten Stock beginnen. Die Wurzeln – oder um beim Haus zu bleiben: Keller und Parterre – werden nicht gepflegt. Aber dann stirbt die Wurzel und der Glaube hat keine Zukunft.
Für viele Erwachsene wird die Kirche als lebensfremd wahrgenommen. Wie kann man Fernstehende wieder gewinnen?
Lenz: Viele Menschen sind heute Fragende. Warum lebe ich? Ich bin einmalig: Wie werde ich damit fertig? Wie kann ich Gemeinschaft leben, wie gehe ich um mit Leid und Schuld – und was kommt nach dem Tod? Das sind die urmenschlichen Fragen. Als Kirche müssen wir uns darauf besinnen, dass wir etwas anzubieten haben. Wir haben die wertvollsten Antworten, die es gibt: Vergebung oder die Würde des Menschen.
Sie bieten „Wege erwachsenen Glaubens“ an. Wer kommt zu Ihnen?
Lenz: Es sind drei Gruppen: Die Suchenden sind der kleinste Teil. Da gibt es einen großen Nachholbedarf. Der zweite Teil sind Menschen, die in der Kirche stehen, aber merken, dass etwas spröde, trocken geworden ist und eine neue Lebendigkeit braucht. Sie spüren, bevor ich etwas für andere anbiete, brauche ich etwas für mich selbst. Die dritte Gruppe sind Multiplikatoren, die sich das anschauen.
Wenn man wie Sie vom „Angebot der Kirche“ spricht – meinen Sie wohl das Evangelium? Sie beziehen sich konkret auf Emmaus ...
Kessler: Die Emmausjünger machen auf dem Weg die Erfahrung, dass das, was in der Schrift steht, mit ihrem eigenen Leben zu tun hat. Das ist ein Entwicklungsprozess, den wir heute in der Kirche brauchen: Das Erkennen, dass die Bibel mit meinem Leben zu tun hat. Für mich ist es ein Schatz, gemeinsam mit anderen in der Bibel zu lesen, sich an den Texten zu reiben, daran zu kauen und manchmal auch hilflos dazustehen. Wenn man sich aber mit anderen austauscht, werden eine Tiefe und ein Reichtum ersichtlich, die einen beschenken. Kirche der Zukunft wird eine Kirche sein, die stärker vom Wort Gottes lebt, als dies heute oft der Fall ist.
Man erlebt in Gesprächen immer wieder die Tendenz: Glaube ja, Kirche nein. Sie halten dagegen: Glaube UND Kirche haben Zukunft ...
Lenz: Glaube gibt es nur in Gemeinschaft. Wir müssen Menschen helfen, Glauben in Gemeinschaft zu erfahren. Das ist ja die Voraussetzung, Eucharistie zu feiern. Wenn ein Kind in die Schule kommt und Deutschunterricht hat, lernt es nicht Deutsch. Es lernt die Grammatik und die Verfeinerung der Sprache. Der Schulunterricht setzt die Kenntnis der Sprache voraus. So setzt auch der Religionsunterricht das Praktizieren des Glaubenslebens voraus.
Kessler: Ich denke, diese Differenzierung von Glaube und Kirche muss man genauer betrachten: Menschen stoßen sich nicht an der Kirche, wenn sie aus ihren Wurzeln lebt. Wenn aber Organisation und Hierarchie im Mittelpunkt stehen, dann wird es schwierig und man erlebt zunehmend Ablehnung. Aber da, wo sich Kirche selbst auf den Weg mit den Suchenden begibt und die Wurzeln unseres Glaubens und Lebens sichtbar macht, lehnen die Menschen die Kirche sicher nicht ab.
Glaube braucht das Wir, die Gemeinschaft. Wie wichtig ist für Sie die Gemeinde als Ort, wo Glaube wachsen kann? Und was müsste sich dort ändern?
Kessler: Sehr oft beschränkt sich das Gemeindeleben auf die gemeinsame Eucharistiefeier. Ich denke, wir müssen in den Gemeinden neben der Eucharistiefeier Glaubensräume und -prozesse anbieten, wo Glaube wachsen kann. Wir brauchen auch liturgische Feiern, wo gelebter Glaube erlernt und erfahren werden kann. Beim Entzünden einer Kerze mache ich mir klar: Gott ist da. Auch das ist schon eine Form der Liturgie. Im Wortgottesdienst etwa ist Jesus Christus unter uns. Diese Formen der Liturgie müssen wir als Einstieg einsetzen, weil wir ja nicht mehr davon ausgehen können, dass jeder die entsprechenden Vorinformationen mitbringt. Solche Elemente sind in unseren Glaubenswegen daher wichtig.
Mit Papst Franziskus haben wir einen dezidierten Erneuerer an der Spitze der katholischen Kirche. Wie beurteilen Sie seine Person und seine Schreiben vor dem Hintergrund Ihrer Katechese?
Lenz: Die Zeichen, die der Papst setzt, sind das Stärkste. Sein unkonventionelles, lebendiges, zeugnishaftes Auftreten ist beeindruckend. Er gibt damit Anstöße, mit denen man in dieser Form nicht gerechnet hätte.
Was sind Ihre Visionen für die Zukunft von Glaube und Kirche?
Kessler: Für mich ist das eine Kirche, die stärker aus dieser Verbundenheit mit Jesus Christus lebt, die selbst auf dem Weg bleibt und sucht, was uns Jesus Christus für diese Zeit sagen will. Wir sind ja Empfangende. Es sollte also gelingen, aus dieser Verbundenheit gemeinsam Schritte zu gehen und von der Taufe her Kirche neu zu denken.
Lenz: Meine Vision ist, dass die Kirche mit Leben gefüllt wird, dass sie den Mut hat, sich neu zu überlegen, wie Glaube wächst und was wir dafür tun müssen. Die Herausforderung dabei ist, dies vor dem Hintergrund einer säkularen Gesellschaft zu überlegen und entsprechend zu fördern.