Organisation

Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Was macht Leben lebenswert?

Interview mit Abfahrts-Olympiasieger Matthias Mayer

Der Kärntner Olympiasieger spricht im Sonntag-Interview über das, was für ihn wesentlich ist und sein Leben lebenswert macht.

Abfahrts-Olympiasieger Matthias Mayer im SONNTAG-Interview über Erfolg und Misserfolg und was ein gutes Leben ausmacht (© Foto: Privatfoto Maier / Bearbeitung Internetredaktion)
Abfahrts-Olympiasieger Matthias Mayer im SONNTAG-Interview über Erfolg und Misserfolg und was ein gutes Leben ausmacht (© Foto: Privatfoto Maier / Bearbeitung Internetredaktion)
Abfahrtsolympiasieger Matthias Mayer (© Foto: privat)
Abfahrtsolympiasieger Matthias Mayer (© Foto: privat)

Herr Mayer, nach dem schweren Sturz vergangenen Herbst mussten Sie die ganze Saison pausieren. Wie geht es Ihnen jetzt?

Mayer: Gesundheitlich geht es mir gut. Vor drei Wochen wurden die Schrauben, mit denen die angeschlagenen Wirbel fixiert waren, wieder herausgenommen. Jetzt kann ich wieder trainieren und mich langsam an die gewohnte Leistung herantasten.

Was bedeutet Schifahren für Sie?

Mayer: Ich bin schon immer gerne Schi gefahren. Es ist wie ein Traum, der wahr geworden ist. Es bedeutet, das tun zu können, was ich schon immer gerne gemacht habe.

Das verbindet Sie mit Franz-Joseph Huainigg, dem Nationalratsabgeordneten im Rollstuhl. Auch er hat im „Sonntag“-Interview gesagt, wie wichtig es für ihn ist, seinem Traum zu folgen. Und wenn Sie mit diesem Traum sogar Erfolg haben, Ihren Lebensunterhalt verdienen können ... Was war Ihr schönster Erfolg?

Mayer: Das war sicher die Goldmedaille in Sotschi. Aber Erfolg ist nicht nur eine Medaille, sondern auch das Bewusstsein, ein gutes Rennen gefahren zu sein. Wenn ich konzentriert an den Start gehe, gut vorbereitet bin, wenn ich weiß, dass ich gut gefahren bin, dass ich gegeben habe, was ich geben konnte, dann ist das ein sehr schönes Gefühl, auch wenn das Resultat kein Platz am Podest ist.

Es gibt Sportler, denen man nachsagt, sie seien „vom Ehrgeiz zerfressen“. Sie machen überhaupt nicht diesen Eindruck. Was erdet Sie?

Mayer: Das Leben. Es ist mir wichtig, nicht nur an mich selbst und an Erfolge zu denken, sondern auch an andere. Dazu gehört, bewusst zu leben, Beziehungen zu pflegen, mir Zeit für Freunde und Familie zu nehmen, ohne den Sport – also den Beruf – zu vernachlässigen.  

Was heißt es für Sie, Zeit mit Freunden zu verbringen? Für welche Freizeitinteressen finden Sie noch Zeit?

Mayer: Zeit mit Freunden verbringen zu dürfen, ist für mich einer der wichtigsten Punkte im Leben. Meine Freizeit verbringe ich überwiegend in der freien Natur mit Wandern und Mountainbiken.

Sie haben einmal erwähnt, dass einer Ihrer Freunde im Rollstuhl sitzt?

Mayer: Ja, das ist richtig. Zu meinem Freundeskreis zählen einige Sportler mit körperlicher Beeinträchtigung. Sie alle haben es nicht leicht, aber strahlen eine große Zufriedenheit aus, von der ich mir einiges abschauen kann. Es ist immer schön, wenn wir zusammensitzen, unsere Gespräche empfinde ich stets als große Bereicherung.

Es ist wichtig, nicht nur an mich selbst und an Erfolge zu denken, sondern auch an andere.

Zwischen den großen Erfolgen haben Sie Rückschläge erlitten: eine Lebensmittelvergiftung, Stürze ... Sind auch das Erlebnisse, die helfen, mit beiden Füßen auf der Erde zu bleiben?

Mayer: Meine Erfahrung ist, dass diese Rückschläge letztendlich stärker machen, dass sie festigen, dass sie reifen lassen. Man lernt dadurch, Wesentliches vom Unwesentlichen zu unterscheiden. Das macht innerlich frei, und ich konnte dadurch immer wieder gestärkt aufstehen.

Bei Ihrem schweren Sturz im Herbst, der ja lebensgefährlich ausgeschaut hat, was ist Ihnen da durch den Kopf gegangen?

Mayer: Ich habe gespürt und gewusst, dass es nicht lebensgefährlich ist, sondern dass es weitergeht. Und ich wollte wissen, wie gut ich bis zu dieser Stelle gefahren bin.  

Welchen Stellenwert hat der Glaube in Ihrem Leben?

Mayer: Der Glaube ist mir sehr wichtig. Ich kann mich an einige Entscheidungen erinnern, die ich aus dem Glauben heraus gefällt habe.

Direkt gefragt: Was macht für Sie Leben lebenswert?

Mayer: Für mich ist das Wesentliche, immer das Jetzt, den Augenblick, ganz zu erleben, zu genießen.

Sie meinen: Nicht nur das Schöne, sondern alles, was kommt?

Mayer: Nicht so, wie man sich über ein schönes Auto freut, sondern das Leben überhaupt. Auch das Schwere kann man „genießen“. Als ich nach dem Sturz im Herbst nicht mehr aufstehen konnte, habe ich auch diesen Moment ganz bewusst gespürt und erlebt. Das ist es ja auch, woran man sich nach langer Zeit noch erinnert. Und ich bin dankbar dafür, auch das erleben zu dürfen.

Sie haben einmal gesagt, dass Ihnen Ihre Familie wichtig ist und dass Sie auch selbst eine Familie gründen möchten. Was ist das Größte, das Sie von Ihren Eltern empfangen haben und das Sie auch Ihren eigenen Kindern weitergeben möchten?

Mayer: Es gab eine Zeit als Jugendlicher, da schien mir, dass alles ziemlich aussichtslos ist. Da haben meine Eltern mir Orientierung und Halt gegeben, so dass ich weitergehen konnte. Das möchte ich auch meinen eigenen Kindern weiter-
geben.

Interview: Georg Haab

 

Zur Person:

Matthias Mayer, geb. 1990, absolvierte das Sport-BORG in Spittal/Drau und wurde 2006 in den ÖSV-Nachwuchskader aufgenommen. 2007/2008 Österreichischer Jugendmeister in der Abfahrt, 2008 Silbermedaille bei der Juniorenweltmeisterschaft im Super-G. Nach Podestplätzen in Europa- und Weltcup 2011 Aufstieg in den A-Kader des ÖSV, 2012 Aufnahme in die Nationalmannschaft. Eine schwere Lebensmittelvergiftung unterbrach  seine Karriere, bevor er 2014 bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi Abfahrts-Gold errang. Dazu kommen 2014/2015 zwei Weltcupsiege in der Abfahrt und einer im Super-G. Bei einem schweren Sturz im Herbst 2015 brach sich Mayer zwei Brustwirbel und musste die Saison abbrechen.

 

Veranstaltungshinweis:

Podiumsgespräch „Was macht Leben lebenswert? 

  • Matthias Mayer
  • Franz-Joseph Huainigg, Nationalratsabgeordneter im Rollstuhl
  • Johannes Staudacher, Pfarrer und Trauerseelsorger
  • Isabella Scheiflinger, Anwältin für Menschen mit Behinderung

Donnerstag, 2. Juni 2016, Beginn: 17.00 Uhr

Villach, Holiday Inn, Europaplatz 2
Assistenzleistungen lt. UN-Konvention werden nach Rücksprache angeboten: Tel. 0676/8772-2505; E-Mail: georg.haab@kath-kirche-kaernten.at