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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Vom Warten auf die neue Regierung und auf Weihnachten

Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein im Gespräch mit Vertretern der österreichischen Kirchenzeitungen

Vertreter von Österreichs Kirchenzeitungen trafen die erste Bundeskanzlerin Österreichs, Brigitte Bierlein. Sie sprach über ihre Zeit als Chefin einer „Expertenregierung“, künftige persönliche Planungen und über ihre Freude auf das Fest der Geburt des Herrn.
von Heinz Niederleitner

Die erste Bundeskanlerin Österreichs: Brigitte Bierlein (Foto: Kathbild/Rupprecht)
Die erste Bundeskanzlerin Österreichs: Brigitte Bierlein (Foto: Kathbild/Rupprecht)

Unbedingt abzusehen war es nicht, dass Brigitte Bierlein zu Weihnachten noch Bundeskanzlerin sein würde. Sie selbst sieht es gelassen, dass eine reguläre Regierung noch auf sich warten lässt, und sprach mit Österreichs Kirchenzeitungen über die Aufgaben ihrer Übergangsregierung, Religion und ihren Weihnachtsabend.


Erste Bundeskanzlerin

Seit 3. Juni ist Bierlein als erste Bundeskanzlerin Österreichs mit ihrer Übergangsregierung im Amt. Der Zerfall der türkis-blauen Koalition war unter turbulenten Umständen vonstatten gegangen. Fragt man Bierlein heute nach den Verdiensten ihrer Regierung, ist sie erst zurückhaltend. Dann sagt sie, dass es gelungen sei, Ruhe einkehren zu lassen. Dafür würden ihr jedenfalls Menschen, die sie treffe, danken – was ihr mitunter etwas peinlich sei. Für sie selbst, verrät die frühere Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs im Gespräch mit den österreichischen Kirchenzeitungen, sei es eine spannende Zeit, aber auch eine Aufgabe, die sie mit großer Demut angegangen sei.

Intensive Arbeit

Sie berichtet von 19-stündigen Verhandlungsmarathons bei Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel und dass ihr derzeit wenig Freizeit bleibe. Einen Winterurlaub wie in früheren Jahren hat die begeisterte Schifahrerin angesichts der offenen Frage, wann eine neue Regierung angelobt werden kann, heuer nicht geplant.
Sonst eher zurückhaltend, hat Bierlein während ihrer Amtszeit mit bisher mehreren positiven Aussagen über die Leistungen der Religionsgemeinschaften für die österreichische Gesellschaft aufhorchen lassen. Was die Kirchen und Religionsgemeinschaften im Sozialen, im Familiären und durch den interreligiösen Dialog beitragen, sei wichtig.

Bedauerliche Kirchenaustritte

Aber Bierlein, die in der Wiener Pfarre St. Othmar getauft wurde und heute in St. Ulrich in der Bundeshauptstadt zu Hause ist, betont auch den Beitrag für den einzelnen Menschen: die Gemeinschaft, den Ausgleich, die Stütze. Natürlich kennt sie als früheres Mitglied der Klasnic-Kommission die Missbrauchsfälle sehr genau. Dennoch bedauert sie die vielen Kirchenaustritte der letzten Jahre.

Keine Parteipolitik

Die Regierung von Kanzlerin Bierlein besteht aus Expertinnen und Experten, die sparsam und ohne parteipolitische Prägungen die Staatsgeschäfte bis zur neuen Regierung führen. In welchen Bereichen aber sieht Brigitte Bierlein künftige Herausforderungen? Gegenüber den Kirchenzeitungen spricht sie vom Umwelt- und Klimaschutz, der Bildung, dem Bundesheer, der Justiz und der Migra-tionsfrage, die sie insbesondere auf EU-Ebene beantwortet sehen möchte. Neben dem Sozialbereich erwähnt sie auch eine Reform im Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Freilich braucht es für all das parlamentarische Mehrheiten – die ihre Übergangsregierung nicht hat.

Keine politischen Ambitionen

Und so heißt es warten auf die neue „reguläre“ Regierung. Auf die Frage, ob sie selbst danach eine politische Position anstrebt, winkt Bierlein, die im Juni ihren 70. Geburtstag feierte, ab: „Ich arbeite seit 1972. Mein jetziges Amt ist ein schöner Abschluss. Aber ich freue mich auch auf mehr Freizeit.“
Bis es so weit ist, freut sich die Juristin auf den Heiligen Abend, den sie stets traditionell begeht: „Wir lesen das Evangelium, singen ‚Stille Nacht‘ vor dem Christbaum, und es wird gemeinsam gegessen. Später gehen wir dann in die Mette.“

Traditionelle Weihnachten

Und was kommt bei der Bundeskanzlerin am Heiligen Abend auf den Tisch? „Das war in den letzten Jahren sehr unterschiedlich. Als ich Kind war, gab es den klassischen Weihnachtskarpfen – und wer den nicht mochte, bekam Würstel“, erzählt Bierlein. „Und wegen der angezündeten Kerzen stellte meine Mutter immer einen Kübel Wasser neben den Christbaum.“