Und dann gab es noch ein Ständchen
Eine aussergewöhnliche Ausstellung auf einem Bauernhof
Eine Fotoausstellung an den Außenwänden eines Kuhstalls in Oberbuch bei Gmünd schildert eindrucksvoll das Leben von Norbert, einem Knecht, der zur Familie gehört. von Ingeborg Jakl

Manchmal ist alles ganz anders, als man zunächst denkt. So geschehen auf dem Hof der Familie Glawischnig-Hofer in Oberbuch bei Gmünd, die neben der Landwirtschaft auch Urlaub auf dem Bauernhof anbietet. Vor sechs Jahren machte Manuela Pfann, Fotojournalistin aus der Nähe von Stuttgart, mit Mann und Kindern hier Urlaub. Bei ihren täglichen Streifzügen rund um das Hofgelände fiel ihr Norbert auf, ein freundlicher, aber stiller Mann, der pausenlos mit der Scheibtruhe unterwegs war. Stets vollbeladen in den Stall hinein mit Futter und Heu oder aus dem Stall hinaus mit Mist. Dabei immer ein Lächeln auf den Lippen und vergnügt.
Irgendwie konnte sie sich keinen Reim darauf machen, wie der Mann mit seiner geistigen Beeinträchtigung, den alle, auch in der Umgebung, kennen und liebevoll behandeln, zur Familie stand. Beim abendlichen Gespräch mit Bauer und Gastwirt Hans Glawischnig war schnell klar: Norbert war von Hans´ Großvater im Jahre 1961 aus dem Josefinum in Klagenfurt auf den Hof geholt worden. Der Großvater bot ihm seinerzeit neben der Arbeit Familienanschluss. Und so hielt es auch Hans´Vater, der wie selbstverständlich die Vormundschaft übernahm.
Heute ist Norbert aus dem Leben von Hans, dem jetzigen Bauer, nicht mehr wegzudenken. „Er ist für mich wie ein großer Bruder“, sagt er und schaut im nächsten Augenblick besorgt darauf, dass Norbert sich nicht ausgeschlossen fühlt, wenn heute vor dem Kuhstall in Oberbuch eine große Schar von Interessierten zur Ausstellungseröffnung: „Norbert – ein Leben als Bauernknecht in Kärntens Bergen“ gekommen ist.
Mit der Kamera begleitet
Diese sozio-kulturelle Open Air-Ausstellung an einem wahrlich außergewöhnlichen Ort ist die Idee von Erika Schuster von der Geschäftsführung Kulturinitiative Gmünd. Als ihr nämlich Manuela Pfann die Fotos von Norbert vorlegte, reifte schnell der Entschluss, darüber eine Ausstellung zu machen. Pfann hatte nach dem ersten Urlaub in Oberbuch den Entschluss gefasst, beim nächsten Mal das Leben von Norbert genauer zu betrachten und, wenn er es ihr erlauben würde, ihn mit der Kamera zu begleiten. Daraus wurde eine berührende Lebensgeschichte.
Ein Jahr später begann ihre Recherche vor Ort. Ihr Anliegen, eine Foto- und Textdokumentation über den Alltag von Norbert zu erstellen, wurde von ihm, dem Hauptdarsteller Norbert, gern erfüllt. Fortan heftete sie sich mit ihrer Kamera auf seine Spuren.
Es entstanden nicht nur lebensnahe Fotos aus dem Alltag, sondern zugleich konnte Pfann auch miterleben, wie Norbert in die Familie integriert ist. Dazu gehört auch Chrissi, die Frau von Hans, die wie selbstverständlich Norbert bei der täglichen Körperpflege hilft, ihm die Schuhe bindet und darauf schaut, dass es ihm gut geht. Und das alles mit einer gelebten Herzlichkeit. Eigentlich ist Norbert neben den beiden kleinen Töchtern Chrissis´ großes Kind, hat Pfann erkannt.
Wo bleibt der Bus?
„Selbstverständlich ist das nicht“, sagt sie und schildert Begegnungen aus der deutschen Nachbarschaft. Da werden morgens die Menschen mit Behinderung von einem Bus zum Arbeitsplatz gebracht und abends wieder abgeholt. „In der ersten Zeit in Oberbuch habe ich auch immer nach einem Bus Ausschau gehalten“, erinnert sie sich. Aber: Er kam nicht. Stattdessen hat sie Norbert in seinem kleinen gut ausgestatteten Haus besucht und sein eigenes Reich kennengelernt. Hier hat er ihr auch seine größte Leidenschaft verraten, die Musik. In seinem Zimmer steht eine Elektro-Orgel, die er begeistert spielt, und die Mundharmonika hat er immer im Hosensack. So auch bei der Ausstellungseröffnung, bei der sich zahlreiche Besucher um die großformatigen Fotos und die erklärenden Texte dazu drängten. Norbert, die Hauptperson, hat von den Reden und Erklärungen nicht allzu viel mitbekommen. Aufmerksam wurde er erst, als der Applaus aufbrandete, der einzig und allein ihm galt. Da zückte er spontan seine Mundharmonika und spielte ein Ständchen. Das war seine Art des Dankes, einmal im Mittelpunkt einer Ausstellung zu sein.
Sie verrät in ihrer besonderen Art sehr viel Einfühlsamkeit und Sensibilität. Die Fotos sind authentisch, nicht geschönt und zeigen auf unspektakuläre Weise ein durchaus gelungenes Leben in einer liebevollen Gemeinschaft. Wie hatte es ein Mitarbeiter vom Josefinum formuliert? „Solche Beispiele haben wir viel zu wenig!“
Die Ausstellung über Norbert ist an den Außenwänden des Kuhstalls der Familie Glawischnig-Hofer in Oberbuch 7 bei Gmünd bis 31. Dezember zu sehen.