Schauspiel hat viel mit Kontemplation zu tun
Brigitte Karner im Gespräch mit Gerald Heschl
Die bekannte Kärntner Schauspielerin über ihre Heimatstadt Völkermarkt, ihren Wunsch, ins Kloster zu gehen, ihre Ehe mit Peter Simonischek und wie sie Karriere und Familie unter einen Hut bringt.


Brigitte Karner, Sie sind eine der beliebtesten Schauspielerinnen im deutschsprachigen Raum. Weniger bekannt ist, dass Sie aus Kärnten stammen. Welche Beziehung haben Sie zu Ihrem Heimatland?
Karner: Ich habe meinen Heimatort Völkermarkt als extrem heimelig und schön erlebt. Umso schmerzhafter sehe ich jetzt, wie er sich verändert. Aber Sie haben das leider fast überall in Österreich. Außen herum gibt es die Großmärkte und der Ort wird kaputt. Darunter leide ich sehr. Meine Beziehung zu Kärnten ist insgesamt eine schmerzvolle. Das Land selbst ist von einer unendlichen Schönheit. Wenn ich hier sein darf, bin ich glücklich und sauge diese Landschaft ein. Ich habe ja in Kärnten viele Lesungen und freue mich schon sehr darauf. Man trifft auf so wunderbare Menschen hier! Aber trotzdem: Es sind so viele Dinge passiert, die wehtun.
Sie haben einmal erzählt, dass Sie als Kind ins Kloster wollten. Wie kam es dazu?
Karner: Ich bin religiös und gläubig und Mitglied der katholischen Kirche. Trotz aller Probleme, die ich sehe, empfinde ich die Kirche als meine Heimat. In der Pubertät hatte ich einen sehr starken religiösen Kontakt. Ich habe mir gewünscht, Ruhe, Kontemplation und Ernsthaftigkeit zu leben. Ich habe mir vorgestellt, dort Medizin zu studieren und in die Mission zu gehen. Oder auch Lehrerin zu werden und Kindern zu helfen. Das kommt vielleicht auch aus der Geborgenheit, in der ich aufgewachsen bin. Das möchte man weitergeben.
Aus der Kontemplation wurde die Schauspielkunst. Ist das nicht das Gegenteil?
Karner: Ganz und gar nicht! Schauspiel hat viel mit Kontemplation zu tun. Ich habe jetzt die Lyrik für mich entdeckt. Ich versuche an diesen Abenden, mit sehr viel Herzblut etwas von mir zu geben. Das gelingt auch. Die Leute gehen sehr beglückt nach Hause.
Am 31. Mai erwartet uns im Klagenfurter Stadttheater ein Benefizabend. Hier geht es eigentlich um eine tragische Geschichte: die Ehehölle von Frau Tolstoi. Was erwartet das Publikum?
Karner: In seinem Roman „Kreutzersonate“ hat der russische Schriftsteller Leo Tolstoi seine Frau Sonja schwer gedemütigt. Sie hat darauf einen wunderbaren Roman geschrieben – aber verfügt, dass er erst 100 Jahre nach Tolstois Tod veröffentlicht werden darf, um ihm nicht zu schaden. Die Geschichte dieser beiden hat mich so fasziniert. Ich wollte unbedingt etwas machen. So ist ein richtig schöner Abend entstanden.
Sie machen das gemeinsam mit Ihrem Mann Peter Simonischek. Wie geht es Ihnen dabei – angesichts der „Ehehölle“?
Karner: Wir machen das mit großer Freude – und durchaus unterschiedlichen Ansichten dazu. Mein Mann meint ja, dass Tolstoi in der Geschichte der Gedemütigte ist. So prallen unsere Ansichten aufeinander, und das macht die Sache für die Zuschauer so interessant. Es ist keine lauwarme Geschichte, die heruntergelesen wird, sondern wir spielen mehr, als wir lesen.
Bei Tolstoi sind das zwei Menschen, die sehr der Literatur verhaftet sind. Die Ehe war ja alles andere als harmonisch. Sie leben auch in einer Künstlerehe mit Kindern. Wie lassen sich Familie und dieser Beruf unter einen Hut bringen?
Karner: Ehe ist nie einfach. Wir sind jetzt bald 30 Jahre beisammen. Aber der Beruf ist eine Chance, dass man für sich etwas machen kann, dass man sich weiterentwickelt. Manche Projekte macht man gemeinsam, andere wieder getrennt. Diese zeitweiligen Trennungen sind ja auch ganz förderlich. Schwierig ist es aber in jedem Fall.
Sie haben zwei Söhne und haben nach der Geburt eine künstlerische Pause genommen ...
Karner: Im Grunde habe ich aufgehört. Ich habe 80 Filme gemacht. Aber ich habe mich sehr auf meine Kinder gefreut. Es gab eine Menge Angebote – sogar von Steven Spielberg. Ich habe sie aber ausgeschlagen.
Haben Sie es je bereut?
Karner: Es gab schon Zeiten, in denen ich mich so sehr am Abstellgleis fühlte, dass es fast unerträglich war. Aber trotzdem kann ich im Nachhinein sagen: Meine Entscheidung war richtig.
Wie geht es Ihnen heute mit dem Rollenangebot?
Karner: Es kommen sicher nicht mehr so viele Angebote. Wenn man sich einmal aus dem Spiel nimmt, ist es nicht mehr so einfach. Aber dafür kann ich heute das, was ich machen will, machen. Das habe ich auch in dieser Zeit gelernt. Aber ganz weg war ich nie. Meine Filme wurden ja ständig wiederholt. Das hat auch dazu geführt, dass ich in Deutschland viel bekannter bin als in Österreich.
Sie waren immer eine starke Charakterdarstellerin. Ist das heute ein Vorteil?
Karner: Die Rollen verändern sich natürlich. Es ist sehr schön, wenn man eine Frau spielen oder sein kann, die einen ans Herz geht. Wenn man den Schmerz spürt, den Mut und die Verzweiflung. Das sind die schönen Rollen, bei denen auch das Publikum mitgeht. Es gibt aber auch die Schauspielerinnen mit 60 oder 70 Jahren, die ihre Haare färben und so tun, als wären sie jünger. Auf der anderen Seite erzählen junge Schauspielerinnen Geschichten, die erst eine Frau, die älter ist, erzählen kann. Dann sind sie oberflächlich. Das ist halt auch unsere Kultur.
Gibt es eine Lieblingsrolle, die Sie gespielt haben oder noch gerne spielen würden?
Karner: Das mit der Lieblingsrolle ist so eine Sache. Natürlich gibt es sie. Aber dann hat man einen Regisseur, mit dem man nicht so gut kann, und die Lieblingsrolle verwandelt sich ins Umgekehrte. Seit drei Jahren verfolge ich ein Projekt mit dem Maler Tobias Hermeling. Wir drehen gemeinsam einen Film auf absoluter Low-Budget-Ebene. Es geht um eine Frau und wie sie die Veränderungen rundherum erlebt. Es ist Fiktion, aber vermischt mit Realität. Das ist eine wunderbare Aufgabe.
Im Grunde haben Sie mit Ihrer Kunst genau die Berufung gelebt, wegen der Sie ins Kloster gehen wollten: Sie zeigen schwierige Situationen, geben aber Hoffnung und Mut, dass es positiv weitergeht. Sie sind also in einem übertragenen Sinn Lehrerin und vielleicht auch Ärztin geworden?
Karner: Ja, da haben Sie völlig recht. Da hat sich mein Wesen nicht verbiegen lassen.
Ist das nicht der größte Erfolg auf der Bühne des Lebens?
Karner: Ja – und das will ich weitergeben. Morgen gehe ich ins Blindeninstitut und lese Geschichten. Das mache ich sehr gern. So wie die Benefiz-Aufführung im Klagenfurter Stadttheater für das Projekt „Live Music Now“ am 31. Mai.
Zur Person:
Brigitte Karner, geb. 1957 in Völkermarkt, absolvierte die Schauspielakademie Zürich mit anschließenden Engagements in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland. Sie wirkte bei zahlreichen TV-Produktionen u. a. in englisch-amerikanischen Filmen mit. Seit 1989 ist sie mit dem Schauspieler Peter Simonischek verheiratet. Der Ehe entstammen zwei Söhne.
Brigitte Karner in Kärnten:
31. Mai, Stadttheater Klagenfurt: „Ist das Liebe?“ Benefizgala mit Peter Simonischek um 19.30 Uhr. Karten: 28 Euro
12. Juni, Stiftskirche St. Paul: „Der Mann mit den Bäumen“ von Jean Giono, Lesung mit Musikbegleitung, 19.30 Uhr
30. Juni, Viktring, Freskensaal: „Die Frau, die ich bin“ – Lesung gemeinsam mit Gioconda Belli, 20 Uhr. Karten: 19 Euro 4. Juli, Wolfsberg: 100 Jahre Christine Lavant gemeinsam mit Peter Simonischek.
Details dazu finden Sie rechtzeitig im „Sonntag“.