Schaffelhofer: Die Kirche muss sich zu Wort melden
Die Präsidentin der KAÖ über den neuen Papst, die Lage der Kirche in Österreich und der Welt
Die Präsidentin der Katholischen Aktion Österreichs und Buch-Chefin des Styria-Verlags über den neuen Papst, ihre Erwartungen an Österreichs Bischöfe und die Zukunft der Kirche


Sie haben unmittelbar nach dem Rücktritt von Papst Benedikt XVI. ein Buch herausgegeben, in dem Sie Erwartungen an den neuen Papst formuliert haben. Bringt Papst Franziskus dieses „Brausen, ein neues Pfingsten“, das Sie beschrieben haben?
Schaffelhofer: Für meine Begriffe überrascht dieser Papst jeden Tag aufs Neue. Er ist eine authentische, charismatische Persönlichkeit. Er macht Mut in Richtung einer geschwisterlichen Kirche. In dem Buch haben unterschiedliche Theologen aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln heraus geschrieben. Gemeinsam formulieren sie Erwartungen, die sich aus einer Sehnsucht nach einer anderen Kirche ergeben haben.
Etwa die Entmythologisierung des Papsttums. Freut Sie sein bescheidenes Auftreten?
Schaffelhofer: Das Papsttum muss wieder etwas menschlichere Züge bekommen. Der Papst ist ja kein zweiter Gott auf Erden. Wenn wir ihn dazu machen, wird er überfordert. Wenn ich mir diesen neuen Papst anschaue, so braucht er keinen Pomp, keinen Palast, keine Limousine, sondern ist einfach Mensch. Er will diese Überhöhung des Papsttums überhaupt nicht. Das war schon beim ersten Auftreten spürbar. Er geht hinaus zu den Menschen, und zwar in einer Form, die großartig ist. Wenn er am Gründonnerstag ins Gefängnis geht, dann wendet er sich den Menschen zu, die am Rande stehen.
Papst Franziskus hat auch die Rolle der Laien im südamerikanischen Kontext ganz anders kennengelernt, als dies in Europa der Fall ist. Was bedeutet seine Wahl für eine Laienorganisation?
Schaffelhofer: Er hat ja schon als Kardinal gezeigt, dass er den Laien gegenüber ein Urvertrauen hat. Das ist nicht nur eine Stilfrage, sondern spiegelt eine andere Haltung wider. Er weiß, dass er nicht alles krampfhaft selbst machen muss. Das finde ich sehr sympathisch, und das gibt viel Hoffnung auch für die Laienarbeit bei uns. Er spricht sich ja klar gegen die Klerikalisierung der Laien aus. Er sagt: Die Taufe ist genug. Vielleicht gibt es dadurch auch einen neuen Zugang zu einer Beteiligung der Laien. Das ist ein hoffnungsvoller Ansatz. Aber um hier Klarheit zu haben, ist seine Amtszeit noch zu kurz. Doch halte ich all das, was er bisher gezeigt hat, für sehr ermutigend.
Während Benedikt XVI. eine „Entweltlichung“ anstrebte, fordert Franziskus auf, sich einzumischen. Wie politisch soll die Kirche sein?
Schaffelhofer: Wenn die Kirche die Anliegen der Menschen – etwa die Verteidigung der Würde – ernst nimmt, muss sie sich auch in gesellschaftspolitische Themen einbringen. Wenn wir etwa davon sprechen, wo die Würde des Menschen bedroht ist, betrifft dies medizinische Fragen. Es geht aber auch um Fragen wie die Würde der Frau oder auch um die Rolle der Religion im öffentlichen Raum. Es gibt viele Bereiche, wo sich Kirche zu Wort melden muss. Dabei geht es nicht um die Tagespolitik, sondern um gesellschaftliche Themen.
Apropos Rolle der Kirche im öffentlichen Raum: In Kürze beginnt ein Volksbegehren gegen angebliche Kirchenprivilegien, das sich immer mehr in Richtung eines Volksbegehrens gegen Kirche an sich entwickelt. Wie beurteilen Sie diese atheistischen Strömungen?
Schaffelhofer: Damit müssen wir uns sehr ernsthaft auseinandersetzen. Man will die Religion ins private Kämmerlein und alles Religiöse aus der Öffentlichkeit verbannen. Ich glaube, dass dies auch demokratiepolitisch gefährlich ist. Millionen Menschen bekennen sich in Österreich zu Gott. Hier wird versucht, die christliche Kultur, die das Abendland geprägt hat, auszulöschen. Das betrifft etwa auch die Feiertage oder den freien Sonntag. Wirklich Sorge macht mir, dass die Vertreter des Volksbegehrens gar nicht diskutieren wollen, sondern einfach nur Religion miesmachen. Die „Privilegien“, gegen die man angeblich vorgeht, sind nur ein vorgeschobenes Argument. Da geht es rein um Stimmungsmache gegen Kirche und Religionen. Ich wundere mich, dass nicht viel mehr Leute aufstehen und sich dagegen wehren.
Sie haben sehr klar inhaltlich formuliert, was Sie sich von einem neuen Papst erhoffen. Welche Hoffnungen setzen Sie in die anstehenden Bischofsernennungen in Österreich?
Schaffelhofer: Im Grunde gilt das, was ich für den Papst gesagt habe, auch für alle Bischöfe. Sie sollen menschlich sein, offen und auf die Leute zugehen.
Gleich zu Beginn Ihrer KA-Präsidentschaft haben Sie sich sehr kritisch mit der Pfarrerinitiative auseinandergesetzt ...
Schaffelhofer: Ich finde, dass viele Mitglieder der Pfarrerinitiative großartige Arbeit leisten. Ich habe auch mit den Forderungen kein Problem, aber sie sind in Österreich nicht umsetzbar. Also hat es keinen Sinn, die österreichischen Bischöfe ständig damit zu konfrontieren. Uns geht es darum, mit den Bischöfen jene Punkte einer Kirchenreform zu besprechen, die man jetzt schon umsetzen könnte. Die KA als größte Laienorganisation wird sich eigenständig mit ihren Themen in den Reformprozess einbringen. Mir geht es um ein Signal, dass man zunächst das Machbare umsetzt. Denn eine Alles-oder-Nichts-Einstellung bringt keine Spielräume, sondern Stillstand.
Mit Österreichs Bischöfen haben Sie den Plan eines Zukunftsforums entwickelt. Was kann man sich erwarten?
Schaffelhofer:Wie es genau aussieht, kann ich noch nicht sagen. Es soll ein offener synodaler Vorgang sein. Klammer ist die Würde des Menschen in allen Lebenswelten. Wir haben diese in vier Bereiche gegliedert: Familie, Arbeits- und Berufswelt, plurale Gesellschaft und globale Zusammenhänge. Durch alle vier Bereiche ziehen sich die Prinzipien Gender, Spiritualität, Barmherzigkeit und Partizipation. Das ist mir deswegen wichtig, weil diese vier Prinzipien keine eigenständigen Themenkreise sein können, sondern wirklich alle vier Bereiche durchdringen müssen. Gemeinsam wollen wir überlegen: Wo liegen die Probleme? Wo kann die Kirche unterstützen? Wir wollen alle Bereiche möglichst breit diskutieren. So muss man etwa im Familienbereich auf alle existierenden Formen von Familie im weitesten Sinne eingehen, weil die Kirche für alle offen sein muss und sich überlegen sollte, wie sie Menschen das Signal geben kann, dass sie willkommen sind.
Wird es ein großes Symposium oder wie kann man sich die konkrete Umsetzung vorstellen?
Schaffelhofer: Jetzt wurden Arbeitskreise einberufen. Zunächst innerhalb der KA, aber wir wollen alle anderen Initiativen einladen, sich einzubringen. Im Herbst starten wir sogar eine Meinungsumfrage per Internet. Dann wollen wir die einzelnen Schritte gemeinsam überlegen und umsetzen. Es geht nicht um eine große Tagung, die mit viel Papier endet, sondern es ist ein offener Prozess, über den die Kirche mit den Menschen wieder ins Gespräch kommt. Ziel muss es sein, dass die Kirche einfach wieder lebendig wird.