Politik und Ethik - ein Widerspruch?
Der Lehrgang WertVoll-SinnVoll lehrt Ethik in Führungsetagen
Werner Sattlegger, Leiter des Lehrgangs "WertVoll-SinnVoll" und WK-Präsident Franz Pacher im Gespräch über Ethik in Wirtschaft und Politik.


Der Führungskräfte-Lehrgang „WertVoll-SinnVoll“ findet heuer zum fünften Mal statt. Welche Idee steckt dahinter?
Sattlegger: Die Idee entstand aus der Sehnsucht, Spiritualität und Wirtschaft zu verbinden. Als dann 2008 Lehman Brothers in Konkurs gegangen ist und die Weltwirtschaft am Abgrund stand, wurde der Themenkreis Wirtschaft und Ethik aktuell. Einzigartig ist bei uns die enorme Bandbreite von Theologie über Psychologie hin zu Wirtschaftswissenschaften und heuer erstmals auch Politikwissenschaft. Die Nachfrage steigt stetig.
Ein starker Partner ist die Kärntner Wirtschaftskammer. Welche Bedeutung hat dieser Lehrgang für Sie?
Pacher: Ethisches Verhalten im Wirtschaftsprozess ist sehr wichtig. Das zeigt sich schon daran, dass viele Betriebe an diesem Lehrgang teilnehmen. Es ist ein deutliches Signal aus der Wirtschaft, aber auch aus der Bevölkerung, welch hohen Stellenwert ethisches Verhalten hat.
Ist ethisches Verhalten heute schon so etwas wie ein Wirtschaftsfaktor? Sie kritisierten erst kürzlich, dass Kärnten aufgrund der Korruption still steht.
Pacher: Unethisches Verhalten, konkret Korruption, ist die übelste Krankheit, die es in der Wirtschaft gibt. Es finden sich leider immer wieder Menschen, die mit solchem Verhalten versuchen, zu Geschäften zu kommen. Daher darf man nie aufhören, gegen Korruption zu kämpfen. Für einen Wirtschaftsstandort ist das die schwerste Krankheit, die es gibt.
Kann so ein Lehrgang etwas bewirken?
Sattlegger: So ein Lehrgang bewirkt auf mehreren Ebenen etwas. Einmal eine persönliche Veränderung, neue Standortbestimmungen, die auch unmittelbar im Unternehmen wirken. Zum Anderen wirkt der Lehrgang über das unmittelbare Umfeld hinaus. Ein gutes Beispiel ist die Wirtschaftskammer. Ein Absolvent hat eine Veranstaltungsreihe zu Wirtschaft und Ethik entwickelt, die heuer schon zum dritten Mal stattfindet und bei den Besuchern viel Positives bewirkt.
Pacher: Auf jeden Fall gibt es positive Auswirkungen. Viele Menschen machen mit großer Begeisterung mit, und ich sehe darin eine Chance, dass wir viele unserer heutigen Probleme lösen können. Unethisches Verhalten ist ja nicht auf strafrechtliche Taten wie Korruption beschränkt. Es beginnt oft schon im Kleinen. Wenn es einmal als unethisch angesehen wird, dass ich mich krank melde, auch wenn mir gar nichts fehlt, wenn es als unethisch gilt, dass ich in hohem Ausmaß Schwarzarbeit verrichte, dann ist ein großer Schritt getan. All diese Probleme könnten wir in Ansätzen lösen, wenn wir uns auf gemeinsame moralische Werte einigen.
Das Thema ist derzeit hochaktuell, noch nie gab es so viele Interessenten. Ist die momentane Situation – gerade hier in Kärnten – ein Erfolgsfaktor für Sie?
Sattlegger: Die Leute sind so schockiert und betroffen von diesem Sumpf, der sich nun offenbart, dass sie einen großen Bedarf nach Vertrauen und Glaubwürdigkeit haben. In der momentanen Situation sind diese beiden Werte am stärksten unter Druck. Wenn Vertrauen und Glaubwürdigkeit fehlen, haben es Wirtschaft und Gesellschaft schwer. Immer mehr Menschen sehen, dass sinnvolles und werteorientiertes Handeln in diesem Umfeld von zentraler Bedeutung ist.
Pacher: Das eigentliche Problem ist der Verlust an Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Leider haben die schlechten Beispiele aus der Politik in den letzten Jahren auch schon in der Bevölkerung Schule gemacht. Daher ist es wichtig, die Verantwortlichen vor die Bühne zu holen. Für jemand, der Vorbild für moralisches Verhalten sein sollte, müsste eigentlich ein strengeres Maß gelten als die strafrechtliche Relevanz einer Tat. Politische Konsequenzen müssten viel früher gezogen werden. Dann ist er auch ein Vorbild für die Gesellschaft.
Ihr Lehrgang richtet sich ja an Führungskräfte. Derzeit kommen diese aus der Wirtschaft, Institutionen und der Kirche. Sollten auch Politiker teilnehmen?
Sattlegger: Natürlich sind wir offen für Teilnehmer aus allen Bereichen, auch aus der politischen Führungsebene.
Pacher: Ich finde, die Bevölkerung sollte überhaupt keine Politiker wählen, die sich solchen Kriterien verschließen. Denn die Kraftanstrengung, Fehlverhalten wieder zurechtzurücken, ist enorm. Da hat nicht nur die Justiz viel zu tun, das betrifft das ganze Land.
Der Lehrgang fördert auch direkte Beteiligung, also durchaus Zivilcourage. Fehlt Ihnen diese derzeit in der Bevölkerung?
Pacher: Ganz und gar nicht! Jüngste Umfragen zeigen, dass sich immer mehr Menschen für ihr Umfeld interessieren und engagieren. Das gibt mir Hoffnung.
Sattlegger: Ich habe auch das Gefühl, dass es immer mehr Menschen werden, die mit Werten arbeiten und Sinnvolles tun wollen. Viele sagen, sie wollen etwas verändern.
Der Lehrgang findet in St. Georgen statt, mit geistlicher Begleitung. Wie wichtig ist die Partnerschaft der Kirche auf diesem Gebiet?
Pacher: Die Zehn Gebote sind moralische Leitlinien, die eine Gesellschaft zusammenhalten. Wenn sich möglichst viele Menschen dazu bekennen, dann schafft das eine Grundsicherheit und Vertrauen.
Sattlegger: Die Kirche trägt mit ihrer 2000 Jahre alten Geschichte und ihrer Botschaft der Heiligen Schrift ungeheuer viel Wissen und Weisheit in sich. Unsere Führungskräfte sind immer begeistert, wie viel Relevanz alte geistliche Texte für die Praxis haben. Daher ist es mir wichtig, dass die Kirche der Träger ist und wir auch eine geistliche Begleitung haben.