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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Ordnung als Gottesbeweis

Der Astronom Thomas Posch im SONNTAG-Interview

Der Astronom und Philosoph Thomas Posch über Glaube und Naturwissenschaften, den Beginn des Universums, was ihn staunen lässt und das Ärgernis „Lichtverschmutzung“. Am 27. Jänner kommt er nach Maria Saal.

Der Astronom und Philosoph Thomas Posch im SONNTAG-Interview über seinen persönlichen Glauben, die schöpferische Ordnung des Universums und warum sich viele Naturwissenschafter mit Gott so schwer tun. (© Foto: der sonntag)
Der Astronom und Philosoph Thomas Posch im SONNTAG-Interview über seinen persönlichen Glauben, die schöpferische Ordnung des Universums und warum sich viele Naturwissenschafter mit Gott so schwer tun. (© Foto: der sonntag)
Thomas Posch vor der Wiener Sternwarte (© Foto: Der Sonntag)
Thomas Posch vor der Wiener Sternwarte (© Foto: Der Sonntag)

Herr Professor, Sie erforschen die unendlichen Weiten des Weltraums. Was bringt Sie noch zum Staunen?
Posch: Der Anblick des Sternenhimmels, soweit er mir überhaupt noch vergönnt ist in unserer überbeleuchteten Zeit. Manchmal ist es sogar nur ein einzelner Stern. Zum Beispiel jetzt im Winter der Sirius. Der ist so hell, dass man selbst in der Großstadt in einer klaren Nacht dieses Funkeln in allen Farben vor dem Hintergrund des sonst nicht funkelnden Himmels so schön sehen kann. Nicht zu vergessen auf die Sonne: Nach einer langen Winternacht einen Sonnenaufgang zu erleben, versetzt mich in Staunen.

Sie sind ein gläubiger Wissenschafter. Viele sehen einen Widerspruch zwischen Naturwissenschaft, Glaube und Gott. Sie nicht?
Posch: Grundsätzlich nicht. Wobei natürlich die Fragezeichen, die von Seite des Atheismus oder atheistischen Forschern angebracht werden, ernst zu nehmen sind. Momente des Zweifelns sind durchaus auch wichtig im Glauben selbst oder auch in Glaubenskrisen, um ein vernünftiges Verhältnis zu einer Weltbeschreibung zu finden, wo beides eine Rolle spielen kann, die göttliche Schöpfung und die menschliche Beschreibung der Natur, wo immer gesprochen wird, als ob es Gott nicht gäbe – in der Naturforschung kommt die Gottesperspektive ja nicht unmittelbar vor, und es wäre  voreilig zu sagen: Ich habe eine Frage nicht gelöst – daher ist es ein Hinweis darauf, dass Gott da ein Wunder gewirkt hat, weil ich es anders nicht beschreiben kann. Andererseits kann man doch zu einem vertieften Staunen über die Schöpfung und zum Glauben an sie finden.

Gott ist ja auch kein nachweisbares Naturphänomen.
Posch: Da gibt es eine lange Geschichte, besonders seit der Aufklärung. Der französische Naturforscher Lalande hat zum Beispiel um 1800 gesagt, er habe den ganzen Himmel durchsucht, geforscht und danach getrachtet, Gott zu finden, aber nirgends einen Schöpfer mit seinen Augen gefunden. Im 20. Jahrhundert hat der erste sowjetische Kosmonaut im Weltall, Juri Gagarin, bei seinem legendären Raumflug gesagt, er habe natürlich Ausschau gehalten nach Gott, ihn aber nirgends gefunden in seiner Erdumkreisung. Das sind markante Beispiele dafür, wie sich dem Auge eine Wahrnehmung von Transzen-dentem, von Übernatürlichem, von Göttlichem nicht unmittelbar erschließt.

Wo finden Sie als Astronom Gott?
Posch: Der Aspekt der Ordnung in der Natur ist ein ganz wichtiger Pfeiler meiner Auffassung von einem geistdurchwirkten Universum. Für mich ist in der Bibel ganz zentral der Satz im Johannesevangelium: „Am Anfang war das Wort.“ Was heißt hier Wort? Im Griechischen ist es Logos – und das ist viel mehr als irgendein Geschwätz. Logos als Anfang, als Prinzip der Welt, wie es die Bibel in diesem Fall erfasst, ist geistige Struktur. Man könnte das auch so übersetzen: „Am Anfang war geistige Struktur.“ Am Anfang war nicht ein Klotz aus Materie, irgendein Stein, Atom, diffuse Kräfte oder Energiefelder, sondern viel mehr als all das. Am Anfang war geistige Struktur.

Wie passt das mit den Naturwissenschaften zusammen?
Posch: Dass geistige Struktur sich in der Welt zeigt, ist etwas, was man durchaus gerade in dem jetzigen naturwissenschaftlichen Weltbild, und zwar unabhängig von der persönlichen Glaubensfrage, nicht leugnen kann. Für mich ist ein ganz wichtiger Hinweis auf die aus meiner Sicht göttliche Struktur der Welt diese geistige Struktur der Welt.

Manche meinen, Sie finden Gott in der Natur ...
Posch: Die geistige Struktur der Welt ist dann noch nicht identisch damit, dass man einen persönlichen oder auch den Menschen sich zuwendenden Gott in der Natur findet. Vielleicht findet man den auch tatsächlich nicht in der Natur, sondern erst im Inneren des Herzens, wie es der französische Philosoph und Mathematiker Blaise Pascal sagen würde. Ein wichtiger Markstein ist auch Albert Einstein, der diese geistige Struktur der Welt sehr stark betont, aber ohne den Glauben an einen persönlichen Gott.

Passen Naturwissenschaft und Gott zusammen?
Posch: Man muss das Wort „zusammenpassen“ noch einmal hinterfragen. Da kommen wir zu dem in der Philosophiegeschichte ganz wichtigen Begriff der Gottesbeweise. Denn es macht einen Unterschied aus zwischen zusammenpassen, kompatibel sein und einem zwingenden Schluss oder einem Beweis. Da muss man sagen, dass die naturwissenschaftliche Sicht der Welt, so wie ich sie verstehe, bestenfalls hinführen kann, auf diese – ich drücke es etwas blasphemisch aus – eine Hälfte Gottes, nämlich die geistige Struktur der Welt. Es ist so, dass die Naturwissenschaften zeigen: Ja, es ist vernünftig, von der Welt als einem geordneten Ganzen zu sprechen. Es ist vernünftig, von der Welt als einem Strukturierten, durch mathematische Gesetze Beherrschten zu sprechen.

Warum gibt es dann oft solche Diskrepanzen zwischen Glaube und Naturwissenschaft?
Posch: Es ist eben nicht zwingend, von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen auf einen personalen Gott zu schließen. Es ist im Gegenteil sogar relativ schwierig, von der Naturerfahrung auf einen personalen Gott zu schließen. Deswegen ist es so, dass viele Menschen im Rahmen der Naturforschung sich als Naturwissenschafter schwer tun, einen transzendenten personalen Gott anzuerkennen.


Sie beschäftigen sich intensiv mit der Problematik der Lichtverschmutzung, was versteht man darunter?
Posch: Wir schätzen Licht sehr wert und können gar nicht genug davon bekommen. Wo soll also Licht zugleich so etwas wie Verschmutzung sein? Das hängt mit dem zeitlichen Rhythmus zusammen. Der Mensch braucht nicht nur das Licht, tagsüber oder in den Abend- und teilweise in den Nachtstunden, wenn er aktiv sein will – er braucht für seine Erholung und seine Ruhephasen auch die Dunkelheit. Darü-ber hinaus hat die Dunkelheit natürlich auch spirituelle Bedeutung im Sinne der Innerlichkeit, des Zurückgeworfenseins auf sich selbst, wo nicht so viele äußerliche Reize auf den Menschen einströmen, wie es alleine schon durch das Auge, dem stärksten und dominantesten Sinn, gegeben ist.
Wenn also die Dunkelheit wegfällt als Phase der Erholung, der Reflexion, des Ausruhens, auch physiologisch gesehen, dann kommt einiges durcheinander. Man könnte auch sprechen von Zerstörung der Nacht und der Ruhephasen des Menschen. Das heißt zwar nicht, die Nacht stockdunkel zu lassen, aber zumindest dezenter erhellen. Da gibt es Lichtdesigner, Stadtplaner, die das schon machen. Der Mainstream ist immer noch, auch in Ländern, die Europa nacheifern, wie Asien oder manche Länder Afrikas, ein Immer mehr an Beleuchtung, denn Licht wird immer billiger. Es gibt nur mehr Refugien auf der Erde, die nicht dauerbeleuchtet sind. So wird die Nacht zum Tag gemacht.      

 

>> Maria Saaler Gespräch mit Thomas Posch am 27. Jänner 2016