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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Olympiasieger beim “Sonntag”

Die Olympiasieger Matthias Mayer und Markus Salcher über Siege, Familie und Glauben

Vom sportlichen Olymp in Sotschi zum gemeinsamen Gedankenaustausch an den Tisch des „Sonntag“. Über Erfolg, Niederlagen und die Kraft, die sie auf ihrem Weg trägt und hält. Im Folgenden die Aufzeichnung eines munteren Gespräches. von Ingeborg Jakl

Matthias Mayer und Markus Salcher haben 3 Goldmedaillen in Sotschi errungen. Mit dem “Sonntag“ sprachen sie über Erfolg und Niederlage, heimatliche Wurzeln und ihren Glauben. (© Foto: eggenberger)
Matthias Mayer und Markus Salcher haben 3 Goldmedaillen in Sotschi errungen. Mit dem “Sonntag“ sprachen sie über Erfolg und Niederlage, heimatliche Wurzeln und ihren Glauben. (© Foto: eggenberger)
Sie wissen, woher sie ihre Kraft nehmen: Aus dem Glauben, der sie immer wieder erdet.  (© Foto: Eggenberger)
Sie wissen, woher sie ihre Kraft nehmen: Aus dem Glauben, der sie immer wieder erdet. (© Foto: Eggenberger)

Die vergangenen Wochen waren angefüllt mit Terminen, Gesprächen, Feiern, Emotionen. Was ist hängen geblieben, was bewegt immer noch?
Mayer: Für mich war die Dankmesse daheim in Afritz mit Bischof Alois Schwarz persönlich ganz wichtig. Alle waren dabei, die zu mir gehören. Meine Eltern, mein Bruder, die Verwandten und Freunde. Nicht zu vergessen die Schulkinder. Das war ein Augenblick, den ich gebraucht habe. Dieses Zur-Ruhe-Kommen, sich besinnen zu können und auch Danke zu sagen.
Salcher: Das war der Augenblick, als ich in Klagenfurt aus dem Flugzeug stieg und meine Familie sah – unvergesslich. Wir lagen uns in den Armen und waren einfach nur glücklich. Und dann, als ich in Sotschi die zweite Goldmedaille errungen habe. Da gab es im Österreichhaus ein kleine Messe mit P. Johannes Paul Chavanne. In diesen ruhigen Augenblicken habe ich realisiert, was ich geschafft habe. Beim gemeinsamen Singen ist uns dann freilich das Gotteslob abgegangen. Wir waren nämlich alle nicht textsicher.

Wie haben Sie vom jeweiligen Sieg des Freundes gehört?
Salcher: Die Abfahrt vom Matthias habe ich mir live im Fernsehen angeschaut. Hab´ ich mitgefiebert! Ich war gedanklich in Sotschi, und Wahnsinn, der Mothl fährt zu Gold. Habe ich mich gefreut! Als ich dann selbst bei der Flower-Zeremonie nach dem Abfahrtsgold dort stand, habe ich an den Matthias gedacht. Das war Gänsehaut pur!
Mayer: Von Markus´ erster Goldmedaille habe ich per SMS beim Rennen in Kranjska Gora erfahren. Ich hab mich super gefreut und gleich eine Videobotschaft gedreht ...
Salcher: ... und die habe ich dann abends im Österreichhaus gesehen. Das war eine Überraschung, die man nicht alle Tage bekommt.
Mayer: Olympiagold holt man auch nicht alle Tage. Und die coole Socke holt einen Tag später noch einmal Gold. Das ist eigentlich viel höher einzuschätzen. Da gehört schon Köpfchen dazu. Das macht dir so schnell keiner nach. Bist ein großer Sportler!
Salcher: Das sagt der Olympia-Abfahrtssieger, danke. Aber das war nicht leicht, ich hab da eine Welle übersehen.
Mayer: Aber du warst vorn! Das zählt!

Wie geht man mit dem Erfolg um?
Mayer: Daheim kennt einen jetzt jeder. Das ist schon eine große Umstellung. So von Null auf Hundert. Das ist eine ganz neue Erfahrung. Daran muss ich mich erst gewöhnen.
Salcher: Augenblicklich will jeder etwas von mir. Aber für den Behindertensport ist das schon großartig, dass wir als Sportler wahrgenommen werden. Das gibt allen, die dabei sind, einen großen Motivationsschub. Unsere Arbeit wird wertgeschätzt.
Mayer: Das ist doch logisch. Ihr bringt ja alle, und du besonders, eine großartige Leistung. Und das unter schwierigeren Voraussetzungen.
Salcher: Dafür trainiere ich ja auch das ganze Jahr. Und mein Skiclub in Tröpolach unterstützt mich und fiebert immer mit mir mit. Auf die Feier dort freue ich mich schon. Die ist am 30. März.

In jungen Jahren schon ganz oben, wie soll das weiter zu toppen sein?
Salcher: Ich habe in Sotschi gemerkt, dass ich richtig trainiert habe. Natürlich ist da noch mehr drin. Aber ich weiß jetzt, wo ich noch ansetzen muss. Auch habe ich große Freude am Skifahren und will natürlich nächstes Jahr zur Weltmeisterschaft nach Kanada.
Mayer: Natürlich gibt es immer Phasen, wo man nicht so drauf ist, wo man sich durchbeißen muss. Mit zehn Jahren habe ich bei Kinder-skirennen mitgemacht und gespürt, das taugt mir. Aber dann habe ich die Schule gewechselt, bin in das Leistungssportzentrum in Spittal und hatte Familie und Freunde nicht mehr um mich gehabt. Das sind alles Veränderungen, mit denen man fertig werden muss.

Und heute?
Mayer: Schaut es so aus, dass ich fast das ganze Jahr unterwegs bin. Aber zum Glück gibt es die Familie. Die gibt mir Bodenhaftung, da weiß ich, dass ich dort gut aufgehoben bin. Auf die kann ich mich verlassen. Ich hab da eine große Unterstützung. Mein Bruder betreut den Fanclub, meine Mutter koordiniert, da laufen viele Fäden zusammen.
Zu unserem Glück auch für den „Sonntag“.

Salcher. Mein Vater hat mich lange zu den Rennen begleitet, und das war auch wichtig für mich. Obwohl er manchmal ganz schön streng war (schmunzelt). Aber bei den Rennen in Sotschi war das für mich schon eine große Beruhigung. Meine Eltern und die Brüder sowie der Fanclub mit Ute Habenicht standen im Ziel und schwenkten rot-weiß-rote Fahnen.
Mayer: Dieser Wahnsinnstrubel nach dem Sieg. Ich war foh, dass meine Mutter und mein Bruder dabei waren.

Der Mensch wird dann schnell zur öffentlichen Sache, zur PR-Maschine?
Mayer: Ja, man muss funktionieren. Aber wenn man geerdet ist wie ich, gibt es eine innere Balance. Wenn man so hoch gejubelt wird, dann merke ich, wie wichtig der Glaube an Gott für mich ist. Der gibt mir Sicherheit, ich weiß, dass ich, egal was kommt, locker in den Tag hineingehen darf, weil er meinen Weg begleitet. Und dafür bin ich unendlich dankbar.
Salcher: Für mich ist es wichtig zu wissen, da ist jemand, auf den ich bauen kann. Der mir hilft, wieder runterzukommen, zu mir selbst zu finden. Egal, wo ich gerade bin.

Als Sportler, als Spitzensportler, ist man ja auch Vorbild.
Salcher: Ja, das merke ich jetzt besonders. Da war gerade ein kleiner Bub mit Namen Jonathan bei mir. Er wollte ein Autogramm. Dabei hat er mir erzählt, dass er auch behindert ist und ebenfalls Ski fährt. Ich habe mich riesig gefreut, ihn kennenzulernen. So konnte ich seiner Mutter gleich Tipps geben, wohin sie sich mit ihm wenden kann. Vielleicht schlägt er mal meine Laufbahn ein. Und ich war sein Wegbereiter.
Mayer: Für den Behindertensport sind die Medaillen von Markus bei den Paralympics ein wahrer Segen.
Salcher: Das kann man so sagen. Endlich sind die vielen Behindertensportler auch einmal ein Thema in der Öffentlichkeit und in den Medien. Es gibt so viele Behinderte. Von Geburt an, wie ich, oder durch Unfälle oder Krankheit. Es kommen immer welche dazu. Sie alle brauchen ja Motivation, um an sich zu arbeiten. Und mit Sport kann man viel erreichen. Selbst mit einer Behinderung kann man Olympiagold gewinnen.
Mayer: Der Markus hat das in eindrucksvoller Manier vorgezeigt. Er ist auch ein Vorbild für mich, vor allem wie er seinen Alltag meistert. Er geht mit seiner Behinderung ganz couragiert in die Öffentlichkeit.
Salcher: Ich habe kein Problem damit. Ich bin behindert. Ja. Ich gehe offen damit um und möchte anderen Mut machen, an sich zu glauben, an sich zu arbeiten. Wenn man diszipliniert ist, dann kann man viel erreichen. Ein starker Wille und der Glaube an sich selbst gehören dazu. Was ich überhaupt nicht mag, ist das Gerede über die sogenannten „besonderen Fähigkeiten“, wie man Behinderung vermeintlich sozialadäquat auszudrücken beliebt. Was soll das? Ich muss mir vieles härter erarbeiten und so gegen manches Vorurteil ankämpfen.

Wer so mutig spricht, braucht das passende Umfeld.
Salcher: Ja, das ist ganz wichtig. Familie, Freunde, einfach Menschen, auf die man sich verlassen kann. Die einen so nehmen, wie man ist. Genau wie der Mothl.
Mayer: Ja, wir haben eine Wellenlänge. Auf sportlicher und geistiger Ebene. Das passt. Aber da stimme ich dem Markus bei. Wichtig ist im Spitzensport, dass man wirklich an sich glaubt. Sonst kann man eine solche Leistung nicht erbringen. Ich kann hundertmal mit den Trainern die Abfahrt im Geiste oder per Video durchgehen, aber fahren muss ich sie dann selbst, ganz egal, welche Bedingungen herrschen.
Vor einem Rennen läuft bei jedem sicher immer der gleiche innere Film ab.

Mayer: Wichtig ist, Ruhe zu bewahren. Das ist natürlich leichter gesagt, als getan. Immer ist die Presse da. Das erzeugt Druck, den man gar nicht haben will. Ich hab in Sotschi nach dem Training stets gesagt, die anderen sind die Favoriten.
Salcher: Und bei mir ist keine Presse da, aber ich mach mir selbst Druck. Ich weiß, unten im Ziel stehen Eltern und Freunde, die extra so weit angereist sind, und dann denke ich an das intensive Training, das hinter mir liegt. Soll das alles umsonst gewesen sein?
Mayer: Hat ja gepasst. Bist auf dem richtigen Weg.

Vom Skifahren kann man im Behindertensport nicht leben.
Salcher: Nein, oder besser gesagt, noch nicht. Ich hoffe, es wird sich irgendwann einmal ändern. Wenn die Medien mitspielen, dann kommen die Sponsoren. So einfach ist das. Aber bis dahin ist noch ein langer Weg. Ich mache jetzt die Ausbildung beim Zoll, daneben studiere ich und ich glaube, das sind für die Zukunft zwei gute Standbeine.
Mayer: Die Sportförderung ist natürlich gerade beim Skisport ausgezeichnet. Vor allem wenn man Kaderläufer ist. Da fehlt nichts. Ich habe auch die Matura – sozusagen für später einmal. Aber derzeit dreht sich bei mir alles um den Sport. Wenn ich gesund bleibe, habe ich noch einiges vor.

Nach dem Olympiasieg kamen bei Ihnen der erste Weltcupsieg und einige Podiumsplätze dazu.
Mayer: Da habe ich gemerkt, ich habe gut trainiert, die Rechnung geht auf.

Und wie geht man mit Niederlagen um?
Mayer: Das ist eine andere Geschichte. Wie ich da beim Tor im Olympia-Super-G vorbeigefahren bin, ...
Salcher: ... das war so knapp. Ein Pech.
Mayer: ... trotzdem steht dann im Ziel schon ein Reporter mit dem Mikrofon und fragt, wie das passieren kann. Was soll man da sagen? Ich will ja nicht als Muffel gelten, wenn ich frei von der Leber weg rede. Aber Dämpfer gehören zum Sportleben immer dazu. Ich habe gelernt, damit umzugehen. Nach jeder Niederlage konzentriere ich mich wieder von Neuem, motiviere mich, und das klappt gut. Wir sind ja ein gutes Team. Der Max Franz, der Otmar Striedinger und ich. Wir sind ja das ganze Jahr gemeinsam unterwegs.

Kein Konkurrenzdenken?
Mayer: Wir sind ein Team, jeder freut sich mit jedem mit. Und beim nächsten Rennen sind die Karten wieder neu gemischt. Mein Ziel ist jedenfalls für die neue Saison mehr Konstanz. Wenn der Kopf bei der Sache ist, kann ich bei jedem Rennen meine volle Leistung abrufen.
Salcher: Genau. So geht es mir auch. Der Kopf ist wichtig. Wenn man nicht fokussiert ist, dann klappt es nicht. Für die nächste Saison nehme ich mir vor, auch im Slalom zu punkten. Aber das ist schwierig, weil ich ja den rechten Fuß nicht so benutzen kann, wie ich will.
Mayer: Vielleicht solltest du mit unterschiedlichen Brettern fahren. Eines breiter?
Salcher: Dann könnte ich vielleicht mal Tiefschneefahren.
Mayer: Probier`s einfach einmal.

Wie geht es jetzt weiter? Kommt ein Pause?
Salcher: Jetzt habe ich noch ein paar Termine. Aber ab 1. April mache ich die Ausbildung beim Zoll in Wien. Darauf freue ich mich. Und an den Wochenenden ist Studium angesagt. Und im Hörsaal sind alle gleich. Da kommt es auf den Kopf an ...
Mayer: Bis Ostern habe ich noch Training, Skitests und Termine. Aber dann wird es ruhiger. Dann brauche ich vier Wochen lang keinen Wecker. Das wird locker und angenehm.
Salcher: Das heißt, ich kann dich erst nach Ostern überreden, dass wir zusammen fortgehen.
Mayer: Wird so sein.