Mit viel Herz und Hirn
Soziales Miteinander in der Gesellschaft beispielhaft geprägt und für das Gewissen des Einzelnen geschärft
In diesen Tagen jährt sich der 200. Geburtstag (8. Dezember) von Adolph Kolping. Anlass genug, auf Spurensuche bei der Kolpingfamilie in Kärnten zu gehen. von Ingeborg Jakl

Es ist gleichsam auch eine Geschichte von Herzblut, Professionalität und Nachhaltigkeit: Wer in der lesenswerten Chronik der Kolpingfamilie in Klagenfurt, Kolping-Gasse, blättert, erkennt, hier wurde über die Jahrzehnte das soziale Miteinander in unserer Gesellschaft beispielhaft geprägt und für das Gewissen des Einzelnen geschärft. Begonnen hat alles mit dem katholischen Gesellenverein, der in der Kärntner Landeshauptstadt bereits im Jahre 1855 gegründet wurde – nur sechs Jahre, nachdem der Priester Adolph Kolping den alles und ganz dafür bestimmenden Grundstein in Köln gelegt hatte, berichtet Elfi Trattnig, Leiterin der Kolping-Zentrale und Hüterin der handgeschriebenen Chronik.
Kolping hatte schon frühzeitig erkannt, dass eine breite Basis ein geeignetes Mittel zur Bewältigung persönlicher Nöte und sozialer Probleme ist. Da mag auch seine eigene Geschichte mit hineingespielt haben. Kolping wurde als viertes Kind in eine Arbeiterfamilie hineingeboren. Er wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf und erlernte das Schuhmacherhandwerk. Seine Kindheit beschrieb Kolping trotz der familiären Armut als glücklich. Nach der Lehre und der Gesellenprüfung arbeitete er als Schuhmachergeselle. Aber die Arbeit füllte ihn nicht aus. Stattdessen begann er Latein zu lernen und mit dem Studium, um Priester zu werden. Im Jahre 1845 wurde er in der Kölner Minoritenkirche zum Priester geweiht.
Gesellenverein in Köln
Als Kaplan und Religionslehrer begann er seine Arbeit und traf wieder auf die soziale Situation, wie er sie seinerzeit als Geselle selbst erlebt hatte. Mit tiefer Armut, Arbeitsausbeutung und allgemeiner Verelendung verbanden sich für viele junge Männer geistige Verwahrlosung und Apathie zu einem Milieu, das kaum Hoffnung auf ein sinnerfülltes Leben gab. Kolping gründete daher den Kölner Gesellenverein. Wie hier entstanden auch in anderen Städten Gesellenvereine. Das war die Keimzelle des heutigen internationalen Kolpingwerkes. Kolping erkannte, Gemeinschaft und Geborgenheit, allgemeine, berufsbezogene und religiöse Bildung wurden hier ergänzt durch Geselligkeit. Für viele der jungen Männer damals eine völlig neue Erfahrung. Sozialer Wandel durch Veränderung des Menschen oder, wie Kolping sein Werk später umreißen wird: mit Herz und Hirn.
Adolph Kolping reichte es nicht, nur von der Kanzel zu predigen. Er wollte bei den Menschen sein, mit ihnen den Traum vom sozialen Miteinander leben. Wie aus dem Schuhmachergesellen ein Priester und später der Gründer des „Katholischen Gesellenvereins“ wurde, ist auch in Klagenfurt eindrucksvoll durch die Arbeit der Kolpingfamilie dokumentiert. Adolph Kolping hat in seinem Leben viele Reisen unternommen. In Innsbruck, Salzburg, Steyr, Linz und Wien legte er jene Grundsteine, worauf sich sein Werk in Österreich entwickeln und ausbreiten konnte. „Aber“, bedauert Präses Horst Michael Rauter, „bis nach Klagenfurt ist er leider nicht gekommen.“ Das hat der engagierten Aufbauarbeit der Kolpingfamilie in Klagenfurt keinen Abbruch getan. Schon frühzeitig gab der Verein ein deutlich sichtbares Lebenszeichen von sich. Denn von der Kolpingfamilie wurde in Klagenfurt im Dezember 1855 der erste Christbaum im Gasthaus „Zum grünen Baum“ am Alten Platz 9 aufgestellt. Und hier erinnert am Samstag, dem 7. Dezember, ab 11 Uhr, Kolping-Kärnten an seinen Gründer. Ab 11 Uhr spielt die Kolpingmusik auf. Anschließend wird ein Christbaum an die Stadt Klagenfurt übergeben.
Damals war der Weihnachtsbaum in Klagenfurt noch unbekannt. Das beschreibt sehr anschaulich Dieter Jandl, Historiker und ehemaliger Stadtrat in seinem historischen Überblick „Klagenfurt am Wörthersee“. Freilich geht es nicht nur um den Weihnachtsbaum. Viel wesentlicher war, dass die Kolpingfamilie damals für eine Verbesserung der Bildungs- und Sozialstruktur gerade für Lehrlinge und Gesellen sorgte.
Beruf und Gesellschaft
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich innerhalb der Kolpingfamilie vieles gewandelt. Die Veränderungen in Beruf und Gesellschaft, der zunehmende Wohlstand, neue Konsumangebote, Flexibilisierungen in der Arbeitswelt brachten plötzlich andere benachteiligte Gruppen in der Gesellschaft hervor. Und der Verband hat auf diese neuen, aktuellen Herausforderungen mit der Gründung neuer Sozialprojekte reagiert.
Bis in die sechziger Jahre wandten sich die Kolpingfamilien und Kolpinghäuser ausschließlich an Burschen und Männer. Erst nach und nach erfolgte die Öffnung der Häuser auch für Mädchen und Frauen. Zeitgleich vollzog sich innerhalb der gesellschaftlich profilierten und anerkannten Organisation die Umbenennung der „Katholischen Gesellenvereine und -häuser“ in „Kolpingfamilien und Kolpinghäuser“.
Kolping bietet heute einige tausende Wohnplätze für junge Menschen, die in der Berufsausbildung oder bereits im Beruf stehen. Die Kolpinghäuser wenden sich mit ihren Veranstaltungsangeboten aber auch an die Mitbürgerinnen und Mitbürger der Umgebung. Die Herausforderung ist heute wie damals die gleiche geblieben: die Förderung der Entwicklung des Menschen zur Selbstständigkeit und größtmöglicher Unabhängigkeit durch Bildung und Arbeit.