Man darf sich nicht einschüchtern lassen
Ulrich Habsburg-Lothringen im Gespräch mit Gerald Heschl


Herr Dr. Habsburg-Lothringen, Sie tragen einen großen Namen, mit dem in Österreich eigentlich jeder etwas verbindet. Ist dieser Name eher eine Last oder eine Hilfe auf Ihrem bisherigen Lebensweg?
Habsburg: Ein Vorteil ist sicher, dass ich mit diesem Namen relativ leicht Kontakte knüpfen kann. Aber am Anfang war er doch eher eine Last. In meiner Kindheit galt man als Habsburg wegen des Ersten Weltkrieges noch als Kriegshetzer. Das ist bei mir schon hängen geblieben.
Wie sehen Sie das in der Rückschau, fast 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkrieges?
Habsburg: Aus dem heutigen Stand des Wissens war der Kriegsbeginn sicher leichtfertig. Man muss aber schon auch die Zeit berücksichtigen. Ehrbegriffe wie zu Beginn des vorigen Jahrhunderts sind heute ja nicht mehr vorstellbar. Sehen sollte man auch, dass der Kaiser Berater hatte, die stark zum Krieg drängten.
Tut es Ihnen eigentlich leid, dass es die Monarchie nicht mehr gibt?
Habsburg: Ich bin als Freigeist mit der Republik sehr zufrieden. Aber eines muss man schon sagen: Durch das große Völkergemisch konnten die Völker damals ihre Kultur besser ausleben. Schauen Sie sich Kärnten an: Vor 100 Jahren bekannten sich noch 30 Prozent der Bevölkerung zur slowenischen Sprache.
Die habsburgischen Herrscher beriefen sich auf ein Gottesgnadentum. Wie stehen Sie dazu? Fühlen Sie sich von Gott berufen?
Habsburg: Ich sehe das etwas anders. Ich halte mich da eher an das Alte Testament, das allgemeine Priestertum nach der Ordnung des Melchisedek. Im Prinzip geht es im Leben um die Werte, die eine Richtschnur sind, an der man sich festhält und aufrecht durch das Leben geht.
Sie gelten als „Rebell“ im Hause Habsburg. Nicht zuletzt durch Ihre politischen Aktivitäten sind Sie österreichweit bekannt geworden. Nun haben Sie durchgesetzt, dass auch Mitglieder Ihrer Familie bei Bundespräsidentenwahlen kandidieren dürfen. Sind Sie zufrieden?
Habsburg: Ja, ich bin schon froh. Ich möchte den Österreichern und der Politik dazu ein hohes Lob aussprechen. Die Medien haben sich sehr fair verhalten. Und durch diese Diskussion hat sich auch die Meinung der Bevölkerung massiv gewandelt. Waren zu Beginn meiner Kandidatur die Postings noch weitgehend ablehnend, so hat sich dies nach wenigen Monaten total geändert. Das fand ich wirklich toll. Es hat sich gezeigt: Man darf sich nicht einschüchtern lassen.
Der Katholizismus und das Haus Habsburg sind seit jeher aufs engste verbunden. Ohne das Festhalten der Habsburger am Katholizismus wäre die Geschichte der katholischen Kirche wohl anders verlaufen. Wie ist Ihr Verhältnis zur Kirche?
Habsburg: Ich bin in St. Paul bei den Benediktinern ins Gymnasium gegangen. Das hat mich sehr positiv geprägt. Ich habe relativ gute Kontakte zur Geistlichkeit bis hin zu Kardinal Schönborn. Was mir aber abgeht, das ist die Wertevermittlung. Wo hört man heute noch die 10 Gebote? Wenn man nichts vorgibt, wie soll sich dann in der Gesellschaft eine Wertehaltung durchsetzen? Da sehe ich auch in unserer Kirche ein Manko. Aber die Kirche ist auch selber schuld. Wenn man sich anschaut, wie viel einzelnen Pfarrern zugemutet wird.
Sehen Sie einen Ausweg?
Hasbsburg: Die Idee größerer pastoraler Räume halte ich für kontraproduktiv. Zentral ist die Tischgemeinschaft, und die braucht die Gemeinde im Ort. Bei den Juden ist das so schön: Egal, ob Sie nach London kommen oder nach New York, man wird herzlich begrüßt und in der Gemeinde aufgenommen. Bei uns läuft alles viel zu anonym ab.
Sie selbst sind im jüdisch-christlichen Dialog engagiert, Ihre Frau ist zum Judentum übergetreten. Kürzlich beging die Kirche den „Tag des Judentums“. Was könnte man von den Juden lernen?
Habsburg: Was man sicher lernen könnte, ist die stärkere Beachtung des Wortes. Ich sehe ja nicht ein, warum man den Wortgottesdienst wieder so abgewertet hat. Papst Johannes Paul II. selbst hat von der „Eucharistie des Wortes“ gesprochen. Wir haben hervorragende Laien, Religionslehrer etc., die man hier einsetzen könnte. Ich bin überzeugt, so würde man auch viel mehr Menschen vor Ort erreichen.
Aber auch die Art von „Hauskirche“, wie sie im Judentum gelebt wird, finde ich faszinierend. Ich halte es generell für schade, wenn man Gott ins Gotteshaus verbannt. Wir feiern jeden Freitag abends, indem wir den Wein segnen und auch das Brot brechen und segnen. Das ist, wenn Sie so wollen, die Kirche zu Hause. So könnte diese Mahlgemeinschaft auch in der Familie am Esstisch gefeiert werden. Da sehe ich gute Ansätze einer gegenseitigen Befruchtung.
Das hat wohl auch mit der Besinnung auf die Wurzeln zu tun ...
Habsburg: Eines ist für mich selbstverständlich: Man versteht den Sinn vieler Symbole in der Liturgie besser, wenn man sich mit diesen Wurzeln, die aus dem Judentum kommen, beschäftigt. Der Mensch braucht etwas zum Festhalten, und das sind eben diese uralten Traditionen.
Mehr zu Ulrich Habsburg-Lothringen finden Sie auch in der Biographie von Janko Ferk, erschienen bei Styria im März 2011.