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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Lehrer sein ist immer ein Geschenk

Kurt Haber, Direktor des Bischöflichen Gymnasiums St. Ursula, im "Sonntag"-Gespräch

Mehr als zehn Jahre hat Kurt Haber die Schule geprägt. Am 1. September 2014 geht er in Pension. Er spricht über Spezifika einer katholischen Schule, Bildungspolitik und Elite.

Kurt Haber, Direktor des Bischöflichen Gymnasiums St. Ursula in Klagenfurt, im SONNTAG-Gespräch über das neue Lehrerbild, über Ganztags- und Gesamtschule sowie das Besondere einer katholischen Schule. (© Foto: pressestelle)
Kurt Haber, Direktor des Bischöflichen Gymnasiums St. Ursula in Klagenfurt, im SONNTAG-Gespräch über das neue Lehrerbild, über Ganztags- und Gesamtschule sowie das Besondere einer katholischen Schule. (© Foto: pressestelle)
Haber: Auch Kinder haben ein Recht auf ihre Eltern. (© Foto: pressestelle/eggenberger)
Haber: Auch Kinder haben ein Recht auf ihre Eltern. (© Foto: pressestelle/eggenberger)

Sie sind seit mehr als zehn Jahren Direktor, waren vorher Professor bei den Ursulinen. Derzeit gibt es massive Diskussionen rund um die Lehrer. Ist es Beruf oder Berufung?
Haber: Es ist und sollte mehr sein als ein Beruf. Für mich war Lehrer-Sein immer ein Geschenk. Es ist ein Geschenk, mit jungen Menschen arbeiten zu können. Es ist aber auch ein Geschenk, als Schulleiter mit dem Kollegium unterwegs zu sein.

Wie hat sich die Schule in dieser Zeit verändert?
Haber: Gesellschaftlich hat sich einiges getan. Wer hätte 1987 ein Handy oder einen Computer für möglich gehalten? Die Familienstrukturen haben sich verändert. Da wurden neue Anforderungen an die Schule herangetragen, die man aber nur teilweise erfüllen kann. Wir sind nicht Mutter und wir sind nicht Vater. Auch die Schülerinnen und Schüler sind nicht „meine“ Schüler. Es sind junge Menschen, die uns für einen bestimmten Zeitraum anvertraut sind, die wir zu begleiten haben, so gut es uns möglich ist.

Sie sprachen von veränderten Familienstrukturen. Spürt man das an der Schule? Und wie gehen Sie damit um?
Haber: Die Notwendigkeit einer intensiveren Betreuung – auch mit Mediation etc. – hat sich vergrößert. Es gibt einen größeren Bedarf an Zuwendung. Man spürt aber auch gesellschaftliche Veränderungen. Früher gab es bessere Zukunftsperspektiven. Etwa bei der Berufsorientierung merken wir schon starke Ängste und Verunsicherungen. Die Gesellschaft reagiert darauf nicht entsprechend. Wir als Schule schauen, dass wir die Jugendlichen in ihrem Sein stärken und ihnen verschiedene Wege zeigen. Als Lehrer stimmt mich das sehr nachdenklich.

Wie weit wirkt sich hier der Auftrag als katholische Schule aus?
Haber: Als katholische Privatschule stehen wir vor der permanenten Herausforderung, im Schüler das Ebenbild Gottes zu sehen und dem gerecht zu werden. Das ist mitunter eine spannende Sache. Aber wahrzunehmen, wo die Ängste, Sorgen, aber auch Freuden der jungen Leute sind, ist für uns ein Auftrag.

Worin liegt die besondere Herausforderung für den Direktor einer katholischen Schule?
Haber: Unser Bischof formuliert das so: Man ist als Leiter einer katholischen Schule nicht nur Repräsentant dieser Schule, sondern auch der Kirche. Ich muss eine grundsätzliche Loyalität gegenüber der Kirche und der Kirchenleitung haben, sonst brauche ich diese Tätigkeit gar nicht anzufangen. Schulintern bedeutet es eine Wertschätzung des Gegenübers ohne Vorleistung. Was bedeutet das? Natürlich müssen wir auf der einen Seite Leistungen beurteilen und fordern. Ich muss einem Schüler, der eine Leistung nicht erbracht hat, auch ein „Nicht genügend“ geben. Trotzdem muss ich ihn  als Mensch wertschätzen. Dieser Spagat ist die besondere Herausforderung, wenn man das christliche Menschenbild in einer katholischen Schule ernst nimmt.

St. Ursula bietet eine ganz bestimmte Form der Ganztagsbetreuung. Wie stehen Sie zur Diskussion rund um die Ganztagsschule?
Haber: Ich glaube, dass man von Standort zu Standort unterschiedlich reagieren muss. Wir haben uns für ein verschränktes Unterrichtsmodell entschieden. Das heißt, es gibt einen gewissen Freiraum. Die Eltern können mit ihren Kindern Aktivitäten unternehmen. Aber es muss auch Eltern klargemacht werden, wo die Grenzen unserer Verantwortung sind, was wir nicht leisten können. Wir können einen Vater nicht ersetzen.

Wird die Schule hier von der Politik, aber auch von Eltern überfordert?
Haber: Ich halte es für zu kurz gegriffen, wenn man fordert, jede Familie muss das Recht haben, dass eine Ganztagsschule in der Nähe ist. Ich formuliere einmal frech von der Schülerseite her: Jeder Schüler sollte das Recht haben, seine Eltern zu Hause vorzufinden. Da sehe ich ein Manko der Politik. Denn sie schafft nicht die Rahmenbedingungen, dass es Eltern grundsätzlich möglich wäre, mehr Zeit für ihre Kinder zu haben. Ich will keinen Elternteil verpflichten, zu Hause zu bleiben. Aber Eltern, die das wollen, sollten doch wenigstens die Möglichkeit haben. Jedoch gibt es dafür keine finanzielle Unterstützung des Staates. Eine Schule im Sommer kostet ja auch viel Geld.

Ein zweites „heißes Eisen“ der Bildungsdebatte ist die Gesamtschule. Wie stehen Sie dazu, dass bereits mit zehn Jahren Weichen für die Zukunft gestellt werden? Im internationalen Vergleich ist das sehr früh ...
Haber: Ich bin mir nicht ganz sicher. Da widersprechen sich auch wissenschaftliche Studien. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen sage ich aber, dass es eine Differenzierung für die unterschiedlichen Begabungen braucht. Ob das durch verschiedene Schulformen geschieht oder eine innere Differenzierung, ist nicht so entscheidend. Ich glaube aber, dass dies bei der Gesamtschule wesentlich schwieriger ist. Wenn ich massive Leistungsunterschiede innerhalb einer Gruppe habe, brauche ich mehr Ressourcen. Die große Herausforderung ist, dass es keinen Niveauverlust gibt.
 
St. Ursula gilt gemeinhin als Eliteschule – was bedeutet das?
Haber: Elite ist immer ein sehr hoch gestecktes Ziel. Was aber versteht man darunter? Sind in der Schule besonders viele ausgezeichnete und gute Erfolge? Oder bedeutet es, dass die jungen Leute ein Rüstzeug mitbekommen, um mit dem Leben umzugehen? Für mich bedeutet Elite in diesem Zusammenhang der Umgang mit den jungen Leuten. Da sind wir wieder bei der Wertschätzung.

Ist nicht ein Spezifikum der christlichen Schule die Erziehung zu Solidarität? Sie haben eine Schulpartnerschaft mit Sarajevo ins Leben gerufen: Wie geht diese weiter?
Haber: Wir haben diese Diözesanpartnerschaft auf schulischer Ebene bewusst begonnen, auch wenn es mühsamer ist als vergleichbare Partnerschaften mit England, Frankreich oder Italien. Man muss so etwas für die Jugendlichen interessant gestalten. Ich habe einige Kollegen und Kolleginnen, die dies weiter betreiben. Ich werde sie auf Wunsch des Bischofs auch begleiten. Ich hoffe natürlich, dass dieses Projekt weitergeht – auch vor dem Hintergrund, dass wir heuer 100 Jahre Erster Weltkrieg gedenken und das 10-jährige Jubiläum der Diözesanpartnerschaft begehen.

Sie beenden mit 1. September Ihren aktiven Schuldienst. Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger bzw. der Schule?
Haber: Ich wünsche mir, dass die Schülerinnen und Schüler, die Kolleginnen und Kollegen, auch die Schulleitung, grundsätzlich gerne in die Schule gehen. Wenn das gelingt, ist schon viel gelungen. Ein Ziel sollte immer sein, dass Schule ein Ort ist, wo man Begeisterung erleben kann. Ich will noch anmerken: Als katholische Privatschule kann man Glauben nicht verordnen. Aber man kann Rahmenbedingungen schaffen, damit er lebbar und erlebbar ist. Das ist spannend und schön.