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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Kärnten braucht eine Zukunftsvision

Bernhard Rebernig, Vorsitzender des Ökosozialen Forums Kärnten, im Gespräch mit Gerald Heschl

Sie sind Vorsitzender des Ökosozialen Forums Kärnten. Ökologie und Soziales haben politisch in letzter Zeit wenig Lobby. Wie nehmen Sie das wahr?
Rebernig: Das öffentliche Bewusstsein ist zwar vorhanden, aber die Umwelt ist nicht das große politische Thema. Themen wie Arbeitslosigkeit oder die Flüchtlingsfrage haben etwa in der Nationalratswahl die wichtigste Rolle gespielt. Aber gerade Migration und Umwelt sind so eng miteinander verknüpft, dass man das Eine nicht ohne das Andere lösen kann. Daher braucht es ein neues Bewusstsein, dass man diese großen Fragen ambitioniert angeht und löst.

Sehen Sie den politischen Willen dafür?
Rebernig: Die Bundesregierung hat die Ökosoziale Marktwirtschaft im Regierungsprogramm verankert. Das gilt es jetzt mit Leben zu erfüllen, und wir werden das sicher einfordern. Die Klimastrategie sieht mit dem Ausstieg aus Ölheizungen in Neubauten bis 2020 und dem kompletten Umstieg auf erneuerbare Energien bis 2030 konkrete Maßnahmen vor. Das ist ein erster guter Schritt. Aber wenn man sich die weltweiten Entwicklungen anschaut, so steigen der Ausstoß der Treibhaus-gase und der Ressourcenverbrauch. Der Welt-Umwelttag am 5. Juni stand unter dem Motto „Wir haben nur eine Erde“. Derzeit leben wir aber so, als ob wir eine zweite oder dritte Erde im Rucksack hätten.

Wie kann man diese Entwicklung stoppen?
Rebernig: Das Ökosoziale Forum ist in der Erkenntnis gegründet worden, dass der Markt nicht alles regelt. Wir müssen also steuernd eingreifen. Der Markt braucht Rahmenbedingungen. Wenn die nicht stimmen, sehen wir überall, dass Menschen und Ressourcen ausgebeutet werden. Unser Leuchtturmprojekt ist einerseits eine ökosoziale Steuerreform. Das heißt, höhere Steuern auf den Ressourcenverbrauch bei gleichzeitiger Entlastung des Faktors Arbeit. Dann müssen wir von einer rein materiellen Betrachtung unserer Lebensweise wegkommen.  

Was ist die Alternative?
Rebernig: Wir müssen weg vom Prinzip des „immer mehr“ zu einem „immer besser“. Bereits Bobby Kennedy hat gesagt: „Das Bruttoinlandsprodukt misst alles, außer das, wofür es sich zu leben lohnt.“ Wenn wir vom Ungleichgewicht in der Wirtschaft sprechen, brauchen wir gar nicht weit wegzuschauen. Denn auch bei uns werden viele Arbeitsplätze vernichtet und bleiben Menschen auf der Strecke.

Ist die Globalisierung an allem Schuld?
Rebernig: Man muss da schon genau hinschauen, wo Nachteile entstehen. Denken Sie, welche Natur- und Sozialstandards bei uns gelten. Sie machen Kleinunternehmen oder Landwirten das Überleben immer schwerer. Aber bei Importware wird auf all diese Standards nicht geachtet. Das ist eine Ungerechtigkeit. Unseren Bauern gegenüber, aber auch gegenüber den Bauern in der Dritten Welt. Denn sie müssen unter unmenschlichen Bedingungen produzieren – sowohl sozial- und arbeitsrechtlich als auch mit Umweltgiften, die sie selbst gefährden. Oder sie werden gleich von Großkonzernen von ihren Feldern vertrieben. Das kann doch nicht das Ziel sein.

Wie kann man diese Konzern-Giganten zu einem besseren Umgang mit natürlichen Ressourcen „überreden“?
Rebernig: Es gibt das Instrument des „Ressourceneffizienznachweises“, das die Industrie jedes Mal vor Angst erstarren lässt. Worum geht es? Man muss jedes Jahr einen Nachweis für den effizienten Verbrauch von Ressourcen erbringen, sonst zahlt man mehr Steuern. Manche fürchten sich vor mehr Regulierung. Ich meine aber, dass dadurch Innovationen gefördert werden. Denn der Erfindungsreichste wird profitieren.

Das ist die globale Situation. Sie haben ein ökosoziales Positionspapier vorgelegt, in dem Sie etwa vorschlagen, dass Kärnten zu einer „Bio-Ökonomie-Region“ werden soll. Ist das mehr als ein Marketing-Schlagwort?
Rebernig: Bio-Ökonomie bedeutet, dass man fossile Rohstoffe gegen erneuerbare austauscht. Gerade Kärnten hätte da ein enormes Potenzial. Wir haben bundesweit den höchsten Anteil an erneuerbarer Energie. Der Wald in Kärnten wächst pro Tag um unglaubliche elf Hektar! Wir haben ein enormes Rohstoffpotenzial, das wir zu wenig nutzen. Wir fordern etwa im Bauwesen dass 30 Prozent der öffentlichen Bauten aus Holz sein müssen. Das könnte eine Vorbildwirkung haben. Für einen Bio-Ökonomie-Cluster gäbe es sogar seitens der Bundesregierung Förderungsmöglichkeiten. Ich denke, wir sollten in Kärnten diese Chance nutzen. Denn wir hätten mit unserer Holzindustrie und auch mit unserer chemischen Industrie die besten Voraussetzungen dafür.

Könnte das auch eine Chance für die Täler sein, die zunehmend verlassen werden?
Rebernig: Ja, absolut. Aber das Erste, was wir brauchen, ist eine positive Zukunftsvision für Kärnten, die machbar ist. Wenn wir keine Vision haben, wie sollen wir dann verhindern, dass Menschen auswandern? Wenn wir ökonomisch, ökologisch und sozial neue Wege gehen, die in eine nachhaltige Zukunft führen mit starken heimischen Wirtschaftskreisläufen, dann können wir etwas bewirken. Ein Beispiel ist, dass der Anteil an heimischen Lebensmitteln in der Gastronomie nach wie vor viel zu niedrig ist. Das schmerzt uns sehr. Die Gäste kommen ja auch nach Kärnten, um den Geschmack des Landes zu erleben.

In Ihrem Positionspapier plädieren Sie für nachhaltigen Tourismus ...
Rebernig: Von der Anreise bis zur Übernachtung kann man hier sehr viel machen. Bei uns dominiert der sanfte Tourismus, ein positives Lebensgefühl, das südliche Flair. Dies alles lässt sich gut vereinen.

Nun ist aber der Eindruck, dass sich Kärnten lieber mit GTI- und Harley-Treffen vermarktet. Wie passt das zu sanftem Tourismus und einer Bio-Ökonomie-Region, die fossilen Energieträgern abschwört?
Rebernig: Das ist genau das Gegenkonzept und passt natürlich überhaupt nicht dazu. Wir wollen aber die Nachhaltigkeit fördern und schlagen daher auch vor, an der Uni Klagenfurt einen Lehrstuhl für nachhaltigen Tourismus einzurichten. Ich bin überzeugt, dass von diesem sehr viele gute, umsetzbare Ideen ins Land kommen würden.

Wie beurteilen Sie die weiteren Entwicklungen in Kärnten?
Rebernig: Ich freue mich, dass wir den Masterplan für den ländlichen Raum im Regierungsprogramm des Landes verankern konnten. Mir ist schon klar, dass es für Kärnten ein ganzes Bündel an Plänen braucht. Dazu gehören etwa auch der Energie- und der Verkehrsmasterplan, die noch von Landesrat Holub konzipiert wurden. Mit dem Masterplan für den ländlichen Raum hoffe ich auf Impulse, die dazu führen, dass die Menschen wieder eine Zukunft sehen und nicht abwandern.

 

Zur Person: DI Mag. Bernhard Rebernig, geb. 1980,  absolvierte die HBLA Raumberg und studierte an der Wiener Universität für Bodenkultur und an der Wirtschaftsuniversität. Er ist Leiter des Referates für Agrar- und Marktwirtschaft sowie Präsidialsekretär der Landwirtschaftskammer Kärnten und ehrenamtlicher Präsident des Ökosozialen Forums Kärnten. Er lebt als Nebenerwerbsbauer in Unterberg bei Feldkirchen. Rebernig ist verheiratet und Vater eines Sohnes.

Das Ökosoziale Forum Kärnten  wurde 1995 gegründet. Rebernig ist als Nachfolger von Walfried Wutscher seit 2018 Präsident. Der Verein ist die überparteiliche Plattform für Themen der Nachhaltigkeit und will die Ökosoziale Marktwirtschaft in Kärnten umsetzen. Mehr dazu auf:
www.ökosozial.at/kaernten