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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Josef E. Köpplinger: Für Kunst und Kultur gilt es, Zeichen zu setzen

Man muss das Theater lieben, um Kritik üben zu können

Intendant Josef E. Köpplinger (© Foto: Stadttheater Klagenfurt / Helge Bauer)
Intendant Josef E. Köpplinger (© Foto: Stadttheater Klagenfurt / Helge Bauer)

Sie kommen gerade von einer intensiven Probe zu Figaros Hochzeit hier im Stadttheater. Lassen Sie uns aus aktuellem Anlass dennoch vorher einen Bogen schlagen in das entfernte Japan, nach Tokio, wo Sie eine zeitlang künstlerisch tätig waren. Was geht Ihnen nach den Bildern vom Erdbeben, Tsunami und atomaren GAU durch den Kopf?
Köpplinger: Fürchterliches! Ich habe 2005 an der New National Opera Tokio gearbeitet und in dieser Zeit viele Kontakte geknüpft.

Warum, glauben Sie, haben wir Europäer diese fernöstliche Apokalypse nahezu nur geschäftsmäßig zur Kenntnis genommen? Uns beschäftigte mehr die Sorge der radioaktiven Wolke, ob sie es schafft, über den Pazifik vorzudringen, als das unsägliche Leid.
Köpplinger: Gute Frage. Sicher ist, dass das auch etwas mit der Disziplin zu tun hat, die jedem japanischen Kind anerzogen wird. Nur so kann man es verstehen, dass die Japaner auf diese schrecklichen Ereignisse so unglaublich beherrscht reagieren. Und wir lehnen uns zurück im Fernsehstuhl und murmeln selbstzufrieden, die schaffen das schon, die Japaner ...

Sie haben in Japan gearbeitet, in Deutschland, England, Amerika und natürlich in Wien, um nur ein paar Stationen aufzuzählen. Geht Tokio ohne Kulturschock?
Köpplinger: Das erkennen nur jene, für die der eigene Tellerrand schon eine zu große He-rausforderung darstellt. Die Oper in Tokio zählt zu den zehn führenden Häusern in der Welt. Sie ist riesig, und es ist wirklich eine große Auszeichnung, dort arbeiten zu dürfen.

Und das Publikum? Steckt auch hier die Disziplin im Korsett?
Köpplinger: Selbst Freunde hatten mich im Vorfeld gewarnt, das Publikum würde anders reagieren. Das kann ich nicht bestätigen. Es gibt Szenenapplaus und Zurufe. Am Schluss mag es ein wenig befremdlich aussehen, wenn die Zuschauer zwar heftig applaudieren, aber dabei schon dem Ausgang zustreben.

Mit Applaus auf der Flucht?
Köpplinger: Man muss wissen, dass viele von ihnen einen Heimweg von eindreiviertel Stunden und mehr haben. Die Entfernungen und die Größe dieser Stadt ...

... nahezu 35 Millionen Menschen wohnen hier ...
Köpplinger: ... sind für unsere Verhältnisse nicht zu fassen. Ich habe im Hotel gewohnt, in einem oberen Stockwerk, das immer leicht hin und her schwankt. Ich konnte von dort aus nie ein Ende des Häusermeeres entdecken. Stadt, Stadt, Stadt, soweit das Auge reicht. Kein Fluss, keine Baumgruppierung als natürliche Grenze. Nichts.

Da haben Sie es in Klagenfurt schon ein wenig intimer, und doch zieht es Sie wieder fort.
Köpplinger: Na ja, die Saison 2011/2012 fällt noch unter meine Gesamtverantwortung. Aber es ist richtig, dass meine Berufsplanung ein volles Jahrzehnt Klagenfurt vorsah.

Bis das Angebot aus München kam. Unvorbereitet?
Köpplinger: Ja, weil ich meinen Vertrag wirklich in Klagenfurt verlängern wollte. Und da kam die Anfrage, ob ich nicht nach München wechseln wolle. So ein Angebot schmeichelt natürlich, zumal man sich nicht für die Intendanz bewerben kann.
Es kommen große Aufgaben auf Sie zu.
Köpplinger: Das weiß ich wohl. Die Planung für München steht zwar auch schon – anders ginge es auch gar nicht. Aber ich komme mit meiner Arbeit für München in eine große Umbauphase hinein, denn 2015 feiert das Staatstheater Gärtnerplatz das 150-jährige Bestehen.

Und wo wird zwischenzeitig gespielt?
Köpplinger: Es gibt drei bis vier Ausweichmöglichkeiten, die ich in meiner Planung bereits berücksichtigt habe. Ich denke, dass mein Konzept die Verantwortlichen überzeugt hat. So oder so: Man braucht als Theaterpraktiker – und als solchen sehe ich mich neben meiner künstlerischen Aufgabe ganz besonders – viel Kraft, Energie und auch ein wenig Härte.

Härte? Die Theatermitarbeiter wie auch die Künstler hier in Klagenfurt sind voll des Lobes ob Ihres fairen Führungsstils.
Köpplinger: Oh, dieses Kompliment gebe ich gerne zurück. Ohne deren engagierte Mitarbeit wären die Erfolge – häufig auch überregionale – gar nicht möglich. Sehr froh bin ich auch über die positive Entwicklung des Orchesters. Auch das sängerische Niveau hält der internationalen Bewertung stand. Als Beispiel nenne ich Koukourgi zum 100. Bestehen des Stadttheaters. Die Räuber oder Turrinis Silvester. Auch der Troubadour im Herbst war eine Klasse für sich. Die Solisten wurden reihum international engagiert. Eine sogar an die Met. Gibt es eine schönere Bestätigung der künstlerischen Leistungen?

In den Niederungen der regionalen Theaterkritik zum Beispiel.
Köpplinger: Sagen wir es einmal so: Kärnten ist paradiesisch. Aber wie im Paradies ist auch hier die Schlange nicht weit. Ich staune über den Neid, der mir hier zuweilen begegnet. Dabei sollte es allen eigentlich bewusst sein, dass Neid, gepaart mit Mittelmäßigkeit, nur den Fortschritt behindert. Kritik ist wichtig und der Kunst förderlich. Aber ebenso wichtig ist, dass man das Theater liebt, um Kritik üben zu können. Diese Voraussetzung sollte man den Feuilletonisten ins Handbuch schreiben.
Sie sind schon einige Jahre in Kärnten. Hat sich das politische Bewusstsein in dieser Zeit geschärft oder ist es abgestumpft?
Köpplinger: In Kärnten ist es nicht anders als anderswo: Für Kunst und Kultur gilt es, Zeichen zu setzen. Als Person des öffentlichen Lebens bin ich es gewohnt, nein, bin ich verpflichtet, klar Position zu beziehen. Ich wünsche mir für dieses Land weniger Druck bzw. auf der anderen Seite mehr Freiheit und Mut.

Die künstlerische Freiheit wird honoriert. Die Auslastungszahlen im Stadttheater halten jedem Vergleich stand.
Köpplinger: Ja, wir liegen bei 87 Prozent. Das ist unglaublich. Das Jugendtheater, von dem ich hoffe, dass es unbedingt gehalten wird, hat nahezu 100 Prozent Auslastung. Und noch eine Zahl: Rund 25.000 Kinder und Jugendliche besuchen jährlich unser Theater. Ich übergebe jedenfalls ein gut bestelltes Haus, das weiß ich.

Was halten Sie von einem festen Ensemble, wie es geplant ist?
Köpplinger: Meiner Meinung nach bedingt es einen Qualitätsverlust, weil ich Zweifel daran habe, dass man es sich leisten kann.

Außerhalb Ihres geliebten Theaters – haben Sie in Klagenfurt irgendwo einen Lieblingsplatz?
Köpplinger: Beim Mahler-Häuschen mit Blick auf den Wörthersee. Dieses Glück, auch wenn es nur einen Moment lang dauert, ist tief und unwiederholbar.

Das Gespräch mit Intendant Josef E. Köpplinger führte Ingeborg Jakl.

 

Josef E. Köpplinger (geb. 1964 in Hainburg/Donau) studierte an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Wien, in New York und in London. Seit der Saison 2007/2008 ist Köpplinger Intendant des Stadttheaters Klagenfurt. Hier initiierte er den Autorentag, einen literarischen Wettbewerb zeitgenössischer Dramatik und den ersten österreichischen Wettbewerb für musikalisches Unterhaltungstheater MUT.