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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Ist die Kirche noch relevant?

Ein SONNTAG-Gespräch über den Ruf der Kirche in der Öffentlichkeit

"Wie gut ist der Ruf der Kirche in der Öffentlichkeit?" Dieser Frage ging Mihael Djukic, Kommunikationswissenschafter an der Universität Salzburg nach und erstellte eine Studie über die Reputation der Katholischen Kirche. Mit erstaunlichen Ergebnissen.

SONNTAG-Gespräch mit dem Salzburger Kommunikationswissenschafter Mihael Djukic über den Ruf der Kirche in der Öffentlichkeit - und wie sie ihn verbessern könnte. (© Foto: tanja ghirardini)
SONNTAG-Gespräch mit dem Salzburger Kommunikationswissenschafter Mihael Djukic über den Ruf der Kirche in der Öffentlichkeit - und wie sie ihn verbessern könnte. (© Foto: tanja ghirardini)
Mihael Djukic: Kirche muss die Menschen erreichen (© Foto: taghira web)
Mihael Djukic: Kirche muss die Menschen erreichen (© Foto: taghira web)

Sie haben im Auftrag der Erzdiözese Salzburg und der Universität Salzburg eine Reputationsstudie erstellt. Kann man kurz zusammenfassen, wie es um den Ruf der Katholischen Kirche in Österreich bestellt ist?
Djukic: Auf der einen Seite haben bestimmte Kommunikationsereignisse wie etwa die Kontroverse um die Piusbruderschaft oder Missbrauchsskandale, die über einen langen Zeitraum thematisiert wurden, zu einer massiven Rufschädigung geführt. Andererseits können wir eindeutig zeigen, dass die Entwicklung der medienvermittelten Reputation zur Katholischen Kirche seit 2010 und insbesondere seit Papst Franziskus einen positiven Trend verzeichnet. Auch im Vergleich zu anderen Organisationen – wo wir Reputation messen – hat diese Reputationserholung einen überdurchschnittlich hohen Wert. Der andere positive Punkt ist, dass die Katholische Kirche den Menschen nicht gleichgültig ist. Auch kirchenferne Menschen haben eine dezidierte Meinung zu Kirche. Allerdings wird die Katholische Kirche in der Öffentlichkeit stark in sachlich nüchternen Dingen wie Routineereignissen oder Personalfragen thematisiert. Der Kern der christlichen Ethik ist nur in Nebenschauplätzen präsent. Ein gutes Ansehen nützt nichts, wenn die Menschen nicht wirklich eine klare Wertebasis mit der Institution Katholische Kirche verbinden.

Sie empfehlen der Kirche im öffentlichen Diskurs „mehr Mut“. Was kann man darunter verstehen?
Djukic: Naja, man beugt sich oft ohne Not dieser verwaltungsorientierten Logik. Christus wird nicht zu einem Thema gemacht. Das ist überraschend, weil viele Menschen der Kirche eine hochattraktive Basis zuschreiben. Vor allem der Wert der Radikalisierung der Liebe überzeugt viele Menschen. Es geht ja so weit, dass man sogar seine Feinde lieben soll. Ein Journalist einer österreichischen Tageszeitung hat mir im Interview gesagt: „Sie soll bei gesellschaftlichen Themen nicht so zittrig daherkommen. Denn sie hat allen Grund, ihre christliche Ethik selbstbewusst nach außen zu tragen.“ Mutig heißt für mich, die Botschaft nicht hinter den Kirchenmauern zu verhandeln, sondern auch dort, wo Kirchenvertreter medial eine Bühne bekommen. Und dort, wo Menschen sind, die eine Affinität für spirituelle Angebote haben. Denn wir dürfen nicht vergessen: Zwei Drittel der Menschen in Österreich haben ein Bedürfnis nach Spiritualität.

Wie sollte die Kirche ihre Kommunikation gestalten, damit sie mit ihrer Botschaft vorkommt?
Djukic: Was wir zeigen können ist, dass die österreichische Bevölkerung eine klare Erwartungshaltung hat, dass die Katholische Kirche ein Leuchtturm ist, der den Menschen in ihrem Alltag eine moralische Orientierung bietet. Eine, die Bedürftigen eine Stimme gibt, sich in Zeiten der Not mutig einmischt, etwa in der Flüchtlingskrise. 20 Jahrhunderte nach Christus heißt „verkünden“ für mich nicht nur Psalme vorlesen. Wenn sie als Institution glaubwürdig sein und in den Lebenswirklichkeiten der Menschen relevant bleiben will, muss sie lernen, sich stärker in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen: Zu aktuellen Themen wie etwa „Fake News“ oder „Datendiebstahl“ hätte sie ja zwei berühmte Gebote in petto. Oder: Täglich leiden viele Menschen in unserer Leistungsgesellschaft unter Zeitarmut und Bedeutungslosigkeit. Eltern haben Angst, dass aus ihren Kindern nichts wird. Kinder haben Angst, dass andere Kinder bedeutsamer sein könnten. In der christlichen Ethik ist „Gnade“ ein so zentraler Begriff, dass man vor Gott eben nichts leisten, niemand sein muss, und man trotzdem bedingungslos geliebt wird. Christi Botschaften sind nicht aus der Mode gekommen. Im Gegenteil, vielleicht sind sie gesellschaftsrelevanter denn je. Die Kirche muss heutzutage eine Übersetzungsleistung erbringen: Was bedeutet die Frohe Botschaft in unserer Gegenwart, in unserer Welt? Aus journalistischer Sicht wird empfohlen, sich stärker über symbolische Handlungen einzubringen. Oft kann ein gutes Bild die Menschen viel besser erreichen als ein Text – vor allem im digitalen Zeitalter.

Sie warnen in der Studie davor, dass die Kirche immer mehr zu einem „gesellschaftlichen Fremdkörper“ wird ...
Djukic: Das hat unsere repräsentative Umfrage gezeigt. Insgesamt bescheinigt die österreichische Bevölkerung der Kirche, ein gesellschaftlicher Fremdkörper ohne emotionale Bindungskraft zu sein. Dennoch sind knapp 60 Prozent der österreichischen Bevölkerung Mitglieder der Katholischen Kirche. Klar ist aber, dass die Mitgliedszahlen seit Jahrzehnten drastisch sinken. Für mich heißt das aber nicht, dass früher der Glaube größer war, sondern die Sozialkontrolle stärker. Dass die Menschen ihre Freiheit entdeckt haben, halte ich grundsätzlich für richtig und gut. Menschen sollen weggehen und wieder zurückkehren können. Man könnte es ja auch optimistisch formulieren: Vermutlich hat es noch nie so viele Freiwillige in der Katholischen Kirche gegeben. Wenn die Katholische Kirche aber Volkskirche bleiben will, dann muss sie zwingend daran arbeiten, die Menschen, die gegangen sind, wieder zu erreichen bzw. zurückzuholen.

Sie sprechen von einem positiven „Papst-Franziskus-Effekt“. Warum wirkt sich dieser auf die Austrittszahlen kaum aus?
Djukic: Der Papst ist nicht alleine dafür verantwortlich, wenn sich ein Katholik pro oder contra Mitgliedschaft entscheidet. Unsere Langzeitstudie belegt aber, dass die Reputationsentwicklung der Katholischen Kirche sehr stark mit den Kirchenaustritten korreliert. Und seit Papst Franziskus im Amt ist, ist das Ansehen der Katholischen Kirche in Österreich enorm gestiegen. Die Austrittszahlen bleiben zwar auf einem hohen Niveau, sie haben aber im Gegensatz zu den Vorjahren seit 2013 nicht mehr zugenommen. Franziskus bietet ein Vorbild, an dem sich die Kirche und jeder einzelne Verantwortungsträger in der Kirche orientieren kann, um Menschen zurückzugewinnen. In unseren Interviews wird mit ihm „frischer Wind“, „Brückenbauer“ und „Hoffnungsträger“ assoziiert. Aber der Papst kann das nicht alleine regeln. Die Überzeugung der Menschen muss vor allem in den Gemeinden vor Ort stattfinden.