Islam: Wir müssen im Dialog bleiben
Michael Weninger ist im Päpstlichen Rat für den interreligiösen Dialog für das Gespräch mit dem Islam verantwortlich
Der ehemalige Diplomat ist nun als Priester Mitglied im Rat für den interreligiösen Dialog. Auf Einladung der Dante-Alighieri-Gesellschaft hielt er in Spittal/Drau einen Vortrag. Ein Gespräch über seinen einmaligen Lebenslauf, den Islam und den Dialog der Religionen


Sie haben einen höchst ungewöhnlichen Lebenslauf: Sie haben Theologie studiert, waren erfolgreicher Diplomat und sind nun Priester. Wie kam es dazu?
Weninger: Die Antwort ist ganz einfach: Ich bin vom Herrn berufen worden. Schon im Alter von acht Jahren. „Schuld“ daran ist meine Religionslehrerin, die uns von den Mönchen erzählt hat. Von Männern, die in finstere Wälder gehen, ein kleines Kirchlein bauen, roden.Zehn Jahre später gibt es ein Kloster, 100 Jahre später ist es ein blühendes Zentrum der Zivilisation. Sie hat diese Geschichte so spannend dargelegt, dass ich in diesem Augenblick gesagt habe: So ein toller Mann möchte ich auch werden.
Wie ist es dann weitergegangen?
Weninger: Mein Berufswunsch ist von Seiten der Mutter auf großes Wohlgefallen gestoßen. Mein Papa war weniger amüsiert. Aber schließlich hat er zugestimmt. Ich ging zu den Jesuiten nach Innsbruck ins Canisianum und habe dort Theologie und Philosophie studiert, bin aber mitten drinnen ausgetreten.
Warum das?
Weninger: Ich habe erst später erkannt, dass der Heilige Geist zwei Dinge von mir wollte: Zum einen, dass ich Spezialdiplomat werde. Zum anderen, dass ich eine Frau heirate, die ein heiligmäßiger Mensch war. Ich habe sie erst viele Jahre später kennen- und lieben gelernt. Mit dem Seminar-Austritt hatte das also unmittelbar nichts zu tun. Meine Aufgabe war es, diese Frau aus dieser Welt in die andere zu begleiten, weil sie schon lange sehr krank war. Nach ihrem Tod bin ich Priester geworden. Die Berufung hat sich also erfüllt – nicht, wie ich es wollte, sondern wie der Herr es wollte.
Ihre Jahrzehnte im diplomatischen Dienst wurden von dieser Berufung wohl beeinflusst?
Weninger: Ich bin Spezialdiplomat für Krisengebiete geworden. Ich habe schon alles erlebt: Bombenattentate, Schießereien, Kriege etc. In dieser Aufgabe hat man ja mit menschlichem Leid zu tun: Ich habe Menschen im Gefängnis besucht, Tote identifiziert, hatte mit Folteropfern zu tun. Viele Menschen sind zu mir gekommen, um eine Lebensbeichte abzulegen. Das ging aber nicht, weil ich ja noch kein Priester war.
Ihr jetziges Aufgabengebiet im Päpstlichen Rat für den interreligiösen Dialog ist ja auch nicht wirklich einfach. Wo stehen wir in diesem Dialog?
Weninger: Wir sind schon vom II. Vatikanischen Konzil her zum interreligiösen Dialog verpflichtet. Im großen Konzilsdokument „Nostra Aetate“ ist die Rede von der Schönheit, den Wahrheitswerten und dem Verbindenden in allen Religionen. In der globalisierten Welt ist auch aus praktischen Gründen der interreligiöse Dialog notwendig. Wir sind mit unserer Technik – ob Flugzeug oder Internet – mit der ganzen Welt verbunden und sollten schon daher von den anderen etwas wissen. Und natürlich ist der Dialog dringend notwendig, weil wir rundum auf der ganzen Welt Krisenherde mit einer religiösen Konnotation haben. Die Religion ist mitunter Gegenstand des Pro-blems; sie ist aber vielfach auch Lösung des Problems.
Sie sind verantwortlich für das Gespräch mit dem Islam: Wie sieht der Dialog aus? Es gibt Treffen auf höchster Ebene. Ist der Dialog angesichts der Vielschichtigkeit des Islam besonders schwierig?
Weninger: Wir müssen berücksichtigen, dass es eine ganze Reihe von islamischen Traditionen gibt. Außerdem gibt es innerhalb der islamischen Welt eine Vielzahl kultureller und zivilisatorischer Unterschiede und ganz unterschiedliche politische Hintergründe: Saudi-Arabien ist eine absolute Monarchie, der Iran eine Theokratie und Indonesien eine Demokratie. Wir sehen hier, dass die muslimische Welt sehr verschieden ist.
Gibt es derzeit im Islam einen Wandlungsprozess?
Weninger: Ja. Dieser hat innermuslimische Elemente, aber auch äußere Einflüsse der Großmächte im Wettlauf um Rohstoffe, um Einflusszonen oder die Aufarbeitung von Erlebnissen aus der Kolonialzeit. Gerade im Nahen Osten tritt der innermuslimische Konflikt ganz besonders zutage.
Im Moment gibt es den Eindruck einer Radikalisierung des Islam. Wie weit ist es notwendig und möglich, schwierige Themen, sogenannte „heiße Eisen“, im Dialog anzusprechen?
Weninger: Das muss unbedingt geschehen, und es geschieht ja auch. Gerade das Thema Christenverfolgung steht immer wieder auf der Tagesordnung.
Die Begegnung mit dem Islam geschieht ja nicht nur auf höchster diplomatischer Ebene ...
Weninger: Genau so ist es. Der interreligiöse Dialog beginnt schon dann, wenn ein katholischer Dechant mit einem Imam in einer Moschee spricht. Auch wenn Gläubige einander begegnen, wenn Christen eine Moschee besuchen und Moslems eine Kirche, ist es eine Form des interreligiösen Dialoges. Das Zueinander muss auf allen Ebenen stattfinden.
Wie kann man sich den Dialog im interreligiösen Rat vorstellen?
Weninger: Da gibt es einmal den ins-titutionellen Dialog. Wir treffen uns mit festgelegten Themen einmal jährlich und sprechen mit allen Strömungen des Islam. Zu den großen Feiertagen tauschen wir Grußadressen aus etc. Dann gibt es den anlassbezogenen Dialog, der stattfindet, wenn etwas anfällt, das rasch besprochen werden muss. Wir bekommen viele Anfragen von Bischofskonferenzen aus der ganzen Welt, aber auch von muslimischen Vertretern. Sie leiden unter diesen Kriegshandlungen und mörderischen Anschlägen genauso wie wir Christen. Sie kommen auch zu uns und bitten um Hilfe. Gerade heute scheint es mir von besonderer Bedeutung, dass wir ein dichtes Netzwerk gesponnen haben, das wir nutzen können, wenn es notwendig ist.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Diskussion rund um die Flüchtlinge?
Weninger: Österreich hat eine in jeder Hinsicht hoch effiziente caritative Kirchenstruktur. Wenn man aber auch die Privatinitiativen von Katholiken in den letzten Monaten sieht, ist es bewundernswert, wie viel Energie und Zeit aufgewendet wird, um humanitäre Probleme zu lösen. Ich möchte besonders darauf hinweisen, dass von den Bischöfen bis zur Pfarrebene eine einheitliche Sicht der Dinge vorherrscht: Es handelt sich um Menschen, die aus welchen Gründen auch immer nach Österreich kommen und einfach einmal bedürftig sind. Sie kommen an, sind schmutzig, krank, haben Hunger, sind in einem psychisch elendigen Zustand – kurz gesagt: Es sind Menschen, denen man helfen muss. Das ist gar keine Frage, denn Gottesliebe und Menschenliebe gehen Hand in Hand.
Ein Vorbild auf diesem Gebiet ist unser Papst. Wie beurteilen Sie seine Aktivitäten?
Weninger: Papst Franziskus ist diesbezüglich ein Leuchtturm – wie er überhaupt ein Gottesgeschenk ist. Ich glaube, es ist eine Wirkung des Heiligen Geistes, dass wir in dieser Zeit diesen Papst haben. Er lebt die Bamherzigkeit vor, die er predigt.