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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Intelligenz ist ein Erbe, das man gut pflegen muss

Aljoscha Neubauer geht der Frage nach, warum manche Menschen besonders intelligent sind. Mit ihm sprach Gerald Heschl.

Der Grazer Psychologe erforscht Intelligenz, ihre Entstehung, Entwicklung und was Eltern und Schule für ganz besonders Begabte tun können.

Wer glaubt, dass Mozart-Hören die Intelligenz fördert, wird von Aljoscha Neubauer enttäuscht: Intelligenz ist angeboren und wird in der Schule gefördert - nur in Österreich nicht genug. Ein “Sonntag“-Gespräch darüber, warum und wie man intelligent wird. (© Foto: kfu graz)
Wer glaubt, dass Mozart-Hören die Intelligenz fördert, wird von Aljoscha Neubauer enttäuscht: Intelligenz ist angeboren und wird in der Schule gefördert - nur in Österreich nicht genug. Ein “Sonntag“-Gespräch darüber, warum und wie man intelligent wird. (© Foto: kfu graz)
Aljoscha Neubauer erforscht Intelligenz (© Foto: kfu graz)
Aljoscha Neubauer erforscht Intelligenz (© Foto: kfu graz)

Ihr jüngstes Buch behandelt das Thema „Intelligenz“. Was versteht man genau darunter?
Neubauer: Die Wissenschaft ist einer Meinung, dass Intelligenz mit rascher Auffassungsgabe, einer guten Fähigkeit zum Problemlösen und zur Schlussfolgerung, mit hohem Sprachverständnis sowie mathematisch-rechnerischem und räumlichem Denken zu tun hat.

Wie wird man intelligent? Kann man Intelligenz trainieren oder ist sie angeboren?
Neubauer: Das ist die Grundfrage. Zunächst einmal ist Intelligenz von Geburt an mitgegeben. Das ist sozusagen der Same, der angelegt ist. Wenn er aber nicht entsprechend gepflegt wird, hilft das alles nichts. Intelligenzentwicklung ist in der Kindheit und Jugend stark von der Schule abhängig. Intelligenz ist also ein Startkapital, das einem als Kind mitgegeben wird, das aber nur etwas bringt, wenn es später entsprechend gefördert wird.

Es gibt so Gerüchte, dass Mozart-Hören während der Schwangerschaft die Intelligenz fördert ...
Neubauer: Der Mozart-Effekt ist Gott sei Dank endgültig widerlegt worden. Diese Theorie hatte ja keine wirklich wissenschaftliche Grundlage. Aktives Musizieren kann aber schon Intelligenz fördern. Es geht um die intensive Auseinandersetzung mit einer Sache, bei der ich lerne, mich selbst zu organisieren, dranzubleiben, auch bei Misserfolgen nicht sofort aufzugeben. Das gilt aber auch für andere Kunstrichtungen oder den Sport.

Viele Eltern setzen auf Frühförderung. Sie sehen das eher skeptisch?
Neubauer: Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass frühe „Förderung“ etwas bringt. In den ersten drei, vier Jahren hat das Kind genug Eigenantrieb und will die Welt entdecken. Es ist wichtiger, diesem Antrieb freien Lauf zu lassen, anstatt das Kind auf ein spezielles Wissen programmieren zu wollen. Entscheidend ist die intensive Zuwendung zum Kind. Für das Kind ist eine emotional positive Atmosphäre, Geborgenheit am wichtigsten. Wenn man für das Kind etwas tun will, dann soll man mit ihm spielen und sprechen.

Sie sagten vorhin, die entscheidende Rolle für die Entwicklung der Intelligenz spielt die Schule. Macht die Schule genug, um Begabungen zu fördern?
Neubauer: Da sollte sich etwas ändern. Tatsächlich wissen viele der heutigen Lehrerinnen und Lehrer zu wenig über Begabungen – wie man sie erkennt und damit umgeht. In Österreich hat man das Gefühl, dass dies ein vernachlässigtes Gebiet ist. In Deutschland etwa ist die Förderung besonders Begabter institutionell viel stärker verankert.

Kürzlich wurde eine Reform der Lehrerausbildung beschlossen. Sehen Sie da Verbesserungen?
Neubauer: Ja, da werden schon gute Schritte getan. Zu kritisieren ist, dass man die Kindergartenpädagoginnen nicht mit ins Boot geholt hat. Aber dass man grundsätzlich versucht, die Ausbildung zu vereinheitlichen, ist positiv. Dasselbe gilt für das Auswahlverfahren. Es sind halt nicht alle gleichermaßen für den Lehrerberuf geeignet. Das viel gepriesene Finnland hat solche Verfahren schon seit Jahrzehnten. Lehrer zu sein ist ein entscheidender Beruf, in dem man viel Gutes tun, aber auch viel kaputt machen kann.

Manchmal sind besonders Begabte in der Schule verhaltens-auffällig. Warum ist das so?
Neubauer: Diese Menschen können viel mehr Informationen als Normalsterbliche aufnehmen und verarbeiten. Die große Gefahr ist, dass sie gleichsam verdursten, wenn sie unterfordert werden. Sie sind eben anders, und das muss man genauso annehmen wie im Bereich der Benachteiligten. Sonst besteht die Gefahr, dass diese Potenziale verloren gehen.

Begabtenförderung wird oft gegen die Förderung Schwächerer ausgespielt ...
Neubauer: Man sollte das eine tun und das andere nicht lassen. Letztlich haben Länder, die sich der Begabteren mehr annehmen, wirtschaftlich langfristig positive Effekte. Man muss nur darauf achten, dass diese Mehrwerte, die so geschaffen werden, auch den Benachteiligten bessere Bedingungen bringen.

Neben der Intelligenz gibt es ja noch Kompetenzen. Hängen eigentlich Sozialkompetenz und Intelligenz miteinander zusammen – positiv wie negativ?
Neubauer: Eigentlich nicht. Man kann auch nicht sagen, die besonders Gescheiten hätten soziale Probleme. Hin und wieder begegnet einem so etwas ab einem IQ von 160, was extrem selten ist. Ich frage mich dabei, ob das seltsame Sozialverhalten dann eine Reaktion auf die Umwelt ist, die sich mit so einem Höchstbegabten schwer tut und ihn falsch behandelt. Dies führt zu Rückzug und scheinbarer sozialer „Inkompetenz“.

Wie sollten sich Eltern solch intelligenter Kinder verhalten?
Neubauer: Man sollte das als Geschenk annehmen. Eigentlich gilt für alle Kinder, dass Eltern sie aufmerksam beobachten, Angebote machen, Türen öffnen und Strukturen schaffen, um die Kinder und ihre Potenziale zu fördern. Ich denke an das Zitat von George Soros, der auf die Frage, worin man investieren soll, gesagt hat: „In die Bildung seiner Kinder!“

Manche Eltern investieren sehr viel in die Bildung ihrer Kinder, sind aber dann enttäuscht, wenn das Ergebnis nicht passt ...
Neubauer: Es ist nicht so, dass jeder alles werden kann. Wer die Anlage dazu nicht hat, wird halt kein Mathematik-Genie. Es geht darum, seine Stärken zu entdecken und diese zu pflegen. Man tut sich dann im Leben auch leichter. Ich sehe die genetische Vorgabe gar nicht so negativ. Es kann einem auch vieles erleichtern, wenn man entdeckt, dass man für gewisse Dinge kein Talent hat.