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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Im Land der Trauer gibt es viel mehr Fragen als Antworten

Trauer – Ein Weg, der durchschritten werden will

Im Umgang mit Trauernden sind viele Menschen hilflos. Was kann verantwortungsvoll über Leid, Schicksal und Tod gesagt werden? Ein neues Buch gibt Antworten auf diese Frage. von Anna Maria Bergmann-Müller

In der Trauer ist oft noch so viel Liebe und Innigkeit. Das darf auch so bleiben. ( Pietá von  Lydia Roppolt, Ausschnitt aus der Grabkapelle in der Kirche St. Konrad bei Oberwang.  (© Foto: Foto: Staudacher)
In der Trauer ist oft noch so viel Liebe und Innigkeit. Das darf auch so bleiben. ( Pietá von Lydia Roppolt, Ausschnitt aus der Grabkapelle in der Kirche St. Konrad bei Oberwang. (© Foto: Foto: Staudacher)

Theresia S. (64) versteht die Welt nicht mehr. Und die Welt sie nicht. Sie deckt sich den Frühstückstisch mit dem schönsten Porzellangeschirr, das sie hat. Nie hat sie es benutzt. Während sie sich einen flauschigen Pullover anzieht, ärgert sie sich über eine Freundin, die sie mit gut gemeinten Ratschlägen überhäuft. Erst gestern wollte sie sie auf eine Abendunterhaltung mitnehmen. „Du musst unbedingt auf andere Gedanken kommen, du musst dich zerstreuen, du brauchst Abwechslung ...“ Doch Theresia will alleine sein, allein mit ihrem vor sechs Monaten verstorbenen Mann. Im Land der Trauer, da ist sie jetzt zu Hause.

Keine Geduld mit Trauernden

Trauern ja, aber nur kurz. Unsere Gesellschaft verlangt, dass man möglichst rasch wieder funktioniert. Trauernde Menschen stören, verärgern. Sie passen nicht in unsere Leistungs- und Spaßgesellschaft. Anstatt den Tränen, die geweint werden wollen, ihren Lauf zu lassen, werden Beruhigungspillen verschrieben.

Gott und das Leid

Seit dem Jahr 2005 ist Pfarrer Johannes Staudacher in der Diözese Gurk für die Trauerpastoral zuständig. Seine reichhaltigen Erfahrungen im Umgang mit Trauernden hat er nun aus seiner Sicht als Seelsorger, Theologe und Trauerbegleiter in einem Buch niedergeschrieben. Und er räumt darin mit so ziemlich allen Klischees rund um Trauerbegleitung auf.
„Was kann ich verantwortungsvoll über Leid und Schmerz denken und sagen?“ so lautet die zentrale Frage. Wie Trauernden beistehen? In dieser Auseinandersetzung wirft der Theologe auch so manches von der Katholischen Kirche tradierte Gottesbild über Bord. Zu viele Tränen hat er gesehen und so wenig Trost. „Es war Gottes Wille!“, „Seine Stunde ist gekommen!“, „Es ist alles vorbestimmt!“ – Was müssen sich Trauernde nicht alles anhören. „Warum soll es für mein Leben einen Sinn haben, wenn mein Kind tödlich verunglückt?“ fragt sich eine  völlig verzweifelte Mutter zurecht in diesem Buch.

Kein Marionettenspiel

Das Leid ist nicht gottgewollt und schon gar nicht eine Strafe, davon ist der Seelsorger zutiefst überzeugt. „Dieses Gottesbild verliert gerade in der Trauerarbeit seine Gültigkeit. Es belastet die Betroffenen nur zusätzlich.“ Staudacher: „Gott ist nicht der große Marionettenzieher, er ist vielmehr an unserer Seite, vor allem auf der Seite der Leidenden, er ist einer, der mit uns geht, uns hilft, auch mit Schwerem zu leben. Gott hat wohl Besseres zu tun, als uns mit Not zu überhäufen.“

Trost durch Nähe

Und was macht eine gute Trauerbegleitung aus? „Ich werde dort sein, wo du bist!“, verspricht jedenfalls der Titel des Buches, der, so Staudacher „ganz gewollt doppeldeutig sein soll“. Diese Übersetzung des Gottesnamens JAHWE vom jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber ist in diesem Kontext wohl die beste. Gott wird dort sein, wo wir sind. Und das gilt in besonderer Weise auch für den Menschen, der Trauernde begleitet. Gelungene Trauerbegleitung bedeutet, so Staudacher, in erster Linie, dass der Mensch, der trösten will, dort sein soll, wo der Trauernde gerade ist. Will heißen, „seinen Schmerz, seine Wut, auch seine Zweifel zu achten“, egal wie lange. Man kann den Weg der Trauer nicht einfach abbrechen, die Trauer nicht auflösen, auch wenn „das Leben weitergeht“.

Das andere Ufer

Irgendwann ist dieser schwere, aber auch heilsame Weg zu Ende, das „andere Ufer“ in Sicht. Staudacher: „Die Trauer will durchschritten werden.“ Und sie hat viele Gesichter. Wo viel Schatten, da ist auch viel Licht. „Im Normalfall findet das Leben wieder eine Beruhigung“, auch wenn die Trauer vielleicht wie eine Melodie noch viele, viele Jahre nachklingt. „Durchgetragene Trauer aber führt oft dazu, dass jemand dann sehr stark und vielleicht auf ganz neue Weise im Leben steht“, weiß Staudacher.

Keine Vertröstung

„Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ – Vor allem im Umgang mit Trauernden hat diese Sprichwort seine Gültigkeit. Trost finden heißt „sich anlehnen können“, zuhören, Stille aushalten. „Billige Trostworte können dem Trauernden manchmal sogar Gewalt antun“, so Staudacher. Auch die Kirche müsse in der Trauerpastoral eine andere Sprache finden. „So manches, was da mitunter gesagt wird, ist für einen Leidenden nicht zu ertragen“, so Staudacher. Und auf viele Fragen gibt es einfach keine Antworten. „Glauben heißt, mit Fragen leben können.“
„Ich werde dort sein, wo du bist“ – ein Buch für alle, die wirklich trösten wollen, für jene, die getröstet werden wollen und auch für alle, die gerne über Sinn und Unsinn des Lebens reflektieren. 

 

Buchtipp:

„Ich werde dort sein, wo du bist“ –  Was Trauerbegleitung ausmacht.
Johannes Staudacher, Styria premium, 2011.

Der Autor: Johannes Staudacher, geb. 1954, aufgewachsen in Nötsch im Gailtal. Seit 2005 Seelsorger mit dem Schwerpunkt „Trauerbegleitung“ in der Diözese Gurk.

Termin: Buchpräsentation im Rahmen einer meditativen Stunde im Dom zu Gurk:
Sonntag, 16. Oktober, 17 Uhr.
Buchpräsentation in der Landhausbuchhandlung:
Dienstag, 18. Oktober, 19 Uhr.