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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Ich glaube, Musik ist etwas Sakrales

Bernarda Fink über Weihnachten auf der südlichen Halbkugel, Musik und Glaube

Die international gefragte Star-Sängerin im Gespräch mit Gerald Heschl und Georg Haab

Die Sängerin Bernarda Fink im SONNTAG-Interview über Weihnachten auf der südlichen Halbkugel, Musik und Glaube (© Foto: Klemen Breitfuss)
Die Sängerin Bernarda Fink im SONNTAG-Interview über Weihnachten auf der südlichen Halbkugel, Musik und Glaube (© Foto: Klemen Breitfuss)
 (© Foto: Klemen Breitfuss)
(© Foto: Klemen Breitfuss)

Sie sind Slowenin, die in Argentinien aufgewachsen ist. Unser Weihnachtsfest ist mit Schnee und Kälte verbunden und hat eine besondere Lichtsymbolik, mit dem dunkelsten Tag des Jahres. Wie feiert man auf der Südhalbkugel, wo alles ganz anders ist, Weihnachten?
Fink: Das Schöne an der katholischen Kirche ist, dass die Inhalte weltweit die gleichen sind. Die kirchlichen Zeremonien sind in Argentinien nicht anders als hier. Aber weil der Tag so hell und warm ist, die Leute offener sind, feiert man dort noch fröhlicher als hier. Hier ist man eher drinnen, sucht die Wärme. In Argentinien wird die Freude hinausgetragen, mit offenen Fenstern, mit Feuerwerken, und die Leute feiern auf der Straße.

Wie hat Ihre Familie Weihnachten gefeiert?
Fink: Meine Eltern sind 1945 vor dem kommunistischen Terror aus Slowenien über Kärnten und Italien, wo sie drei Jahre in einem Flüchtlingslager waren, nach Argentinien geflohen. Sie haben ihre Traditionen mitgenommen und diese an uns weitergegeben. Trotz Hitze waren die Fenster geschlossen. Wir hatten die ersten Jahre sogar eine Krippe, auf der mit Watte Schnee nachgemacht wurde. Diesen Schnee haben wir Kinder bald abgeschafft.

Bei uns wird „Stille Nacht“ gesungen. Das trifft in Argentinien wohl nicht zu. Was ist Ihr liebstes Weihnachtslied?
Fink: Auch bei uns war „Stille Nacht“, auf Slowenisch „Sveta noč“,  und bei den Nachbarn „Noche de paz“ zu hören. Nach dem Haussegen mit Weihrauch und Weihwasser haben wir sechs Kinder mit Mutter und Vater vor der Krippe den Rosenkranz gebetet, und dann wurde lange gesungen, eine Unzahl rührender slowenischer Weihnachtslieder.

Was schenkt man sich in Argentinien? Da wird ja kaum ein Schlitten unter dem Christbaum liegen.
Fink: Bei uns in der Familie gab es keine Weihnachtsgeschenke in dieser Form. Das hat mir auch überhaupt nicht gefehlt! Die Geschenke, wenn auch bescheiden, bekamen wir zum Sveti Miklavž, zum Nikolaus-Fest.

Und zu Weihnachten?
Fink: Wir bekamen zu Adventbeginn eine kleine Schachtel. Wann immer eines von uns sechs Kindern gedacht hat, heute habe ich etwas Schönes oder etwas Gutes getan, legte es einen Strohhalm in die Schachtel. Die Symbolik war: Je mehr Heu wir in unserer Schachtel hatten, umso weicher konnte Jesus in der Krippe liegen.

Das wird heute bei diesem Konsumdruck schwer umsetzbar sein. Wie sehen Sie die Entwicklung der Feste, des Glaubens?
Fink: Wir sollten uns nicht unter Druck setzen lassen, aber wir sind manchmal zu schwach, um uns dem entgegenzusetzen. Es ist nicht leicht, zu uns selber und zu Gott zu finden bei so vielen Ablenkungen und dieser Lebens-Geschwindigkeit. Mich tröstet jedoch die Überzeugung, dass nicht alles nur von unseren Bemühungen abhängig ist; wenn es so wäre, wäre ich total pessimistisch. Gott bietet uns sein Licht an, das Wunder wirken kann, wenn wir ihm nur Raum geben ... Sogar in den schlimmsten Zeiten der Geschichte gab es immer Menschen, die wie eine Fackel den Weg erleuchteten. Ich denke unter vielen anderen an Franz von Assisi oder an Chiara Lubich, die mitten im Zweiten Weltkrieg die Fokolarbewegung gründete. Warum aber nicht selber ein Licht für die anderen sein?

Wo Menschen füreinander da sind und füreinander beten, da ist Kirche.

Jetzt ist angeblich die stillste Zeit des Jahres. Sie sind aber ständig auf Tourneen unterwegs. Wie findet man da die nötige Ruhe?
Fink: Hinter mir liegen zwei Monate mit Konzertreisen, jetzt habe ich aber Ruhe bis Mitte Jänner. Ich nütze diese Zeit, um mit meinem Mann und den Kindern zu meinem kranken Vater und meiner Familie nach Buenos Aires zu fliegen. Die ruhigen Momente kann man aber jederzeit finden, wenn man daran denkt ...

Wie kommen Sie bei Ihrem Flugplan zu diesen Momenten?
Fink: Beten kann man überall! Gerade im Flugzeug geht es so leicht. Das hat aber nichts mit Flugangst zu tun, die kenne ich nicht. Ich bete noch immer das Morgengebet, das ich als Kind von meinen Eltern gelernt habe. Erst jetzt merke ich, wie schön sein Inhalt ist. Natürlich ergänze ich es heute mit eigenen Worten. Es tut gut, wenn man mit eigenen Worten die Seele frei lässt. Ich halte aber auch den Rosenkranz für ein wunderbares Gebet zum Meditieren. Etwa auch dann, wenn man zu müde oder verzweifelt ist, so dass man keine eigenen Worte findet.

Antwortet Gott?
Fink: Ja, früher oder später, auf unterschiedliche Weisen, durch unsere Nächsten, durch die Musik, durch eine Schwierigkeit ... Etwa dann, wenn ich die richtigen Leute gefunden habe, die mir in gewissen dunklen Momenten gezeigt haben, wohin es gehen könnte. Diese Verbindung zwischen den Menschen ist wunderbar. Viele dieser Begegnungen sind heute noch in mir lebendig. Wo Menschen füreinander da sind und füreinander beten, da ist Kirche.

Es heißt: Wer singt, betet doppelt. Sie singen sehr viel. Wie weit hat Musik mit Glaube zu tun?
Fink: Das kann man überhaupt nicht voneinander trennen. Ich staune, wie viele unglaubliche Stücke entstanden sind, aufbauend auf sakralen Texten. Kein Komponist hat das nur geschrieben, weil irgendein Erzbischof oder Fürst eine Messe bestellt hat. Diese Komponisten haben wirklich geglaubt. Auf alle Fälle spürt man aber, dass sie gerungen, Gott gesucht haben. Ich glaube, Musik ist an sich etwas Sakrales. Sogar dann, wenn nicht von Gott die Rede ist. Beethoven hat sich nie als besonders gläubig gezeigt. Aber denken Sie an die Missa Solemnis. Da gibt es Stellen, wo man spürt, ja fast sieht, wie er beim Komponieren vor Gott auf die Knie fällt.

Kann Musik auch der Glaubensvermittlung dienen?
Fink: Ja, sicher. Ein Vorbild in diesem Sinne ist für mich Nikolaus Harnoncourt. Er dirigiert nicht die Noten oder die Melodien, er vermittelt den Inhalt. Das ist das Höchste. Ich habe aber auch gläubige christliche Kolleginnen, die eigentlich gar keiner Kirche angehören, die vor einem Konzert zu mir kommen und mich bitten, mit ihnen gemeinsam zu beten.

Welche Musik hören Sie privat?
Fink: Ich schalte ab und zu Ö1 ein und bin immer wieder im Positiven überrascht. Ich mag aber auch die Stille oder Musik von Monteverdi oder Bach ...

Zu Weihnachten hat man ja einen Wunsch ans Christkind frei. Gibt es etwas, das Sie noch nicht gesungen haben und noch unbedingt machen wollen?
Fink: Ich fühle mich wunschlos glücklich. Ich bin enorm dankbar, dass ich bis jetzt so viele schöne Erfahrungen machen durfte. Mein Kalender ist für die nächsten zwei, fast drei Jahre ziemlich voll, aber
die Zukunft liegt nicht in unseren Händen ...

 

Zur Person:

Bernarda Fink wurde 1955 in Buenos Aires als Tochter slowenischer Eltern, die 1945 das kommunistische Jugoslawien verlassen hatten, geboren. Nach dem Studium der Erziehungswissenschaften entdeckte sie ihre Berufung zum Gesang. Sie singt von Barockmusik, über Klassisches und Romantisches Repertoire bis zur Musik des 20. Jahrhunderts. Sie arbeitete u. a. mit den Wiener, Berliner und den Londoner Philharmonikern, mit dem Leipziger Gewandhausorchester und dem Concertgebouw Orchester, mit Dirigenten wie Nikolaus Harnoncourt, John Eliot Gardiner, René Jacobs, Riccardo Muti, Simon Rattle, Mariss Jansons, Welser-Möst etc. zusammen. Für Ihre CDs erhielt sie u. a. einen Grammy.
Bernarda Fink ist mit Valentin Inzko verheiratet und Mutter zweier erwachsener Kinder.