Ich entschloss mich, das Wenige zu tun, das mir möglich war
P. Antonio Sagardoy OCD im Gespräch mit Gerald Heschl über sein jüngstes Buch zur hl. Teresa von Avila
Am 31. Oktober präsentiert P. Antonio Sagardoy sein Buch im Bischofshaus in Klagenfurt. Ein Gespräch über die große Heilige und die Diözesanwallfahrt 2015 auf den Spuren der hl. Teresa


Wir feiern 2015 den 500. Geburtstag der hl. Teresa von Ávila und soeben ist ein Buch von Ihnen über diese Heilige erschienen. Als Karmelit haben Sie sicher eine ganz besondere Beziehung zu Ihrer Ordensgründerin ...
P. Antonio: Ja, sicher. Schon als Jugendlicher habe ich viel über die hl. Teresa gehört. Aber damals haben mich Dinge beeindruckt, die heute eher nebensächlich erscheinen. Etwa all das, was sie in den letzten 20 Jahren ihres Lebens gemacht hat. Ihre Klostergründungen, ihre Briefe an große Persönlichkeiten. Heute gefällt mir viel mehr ihre Art zu schreiben. Man hat den Eindruck, sie sitzt neben dir und bespricht mit dir ihre eigene Situation. Das war für mich der Anlass, um die hl. Teresa noch besser und tiefer kennenzulernen.
Ihr Buch trägt den Untertitel: Trotzdem liebe ich die Kirche. Geht es Ihnen da ähnlich wie der hl. Teresa?
P. Antonio: Die hl. Teresa ließ sich nicht von ihrem Weg abbringen. Das ist das Ermutigende bei ihr. Sie gibt nicht auf. Ein Satz von ihr beeindruckt mich persönlich sehr: Ich entschloss mich, das zu tun, was mir möglich war. Dieser Gedanke begleitet mich. Egal, ob es in den Augen der Menschen viel oder wenig ist. Wie sie frage ich mich: Wie kann ich zu einer positiven Entwicklung der Kirche beitragen?
In Ihrem Buch zeigen Sie eindrucksvoll, dass die hl. Teresa sehr unter den Einschränkungen litt, denen Frauen damals unterworfen waren. Sie war keine Revolutionärin, hat sich aber durch ihr Lebenszeugnis doch dagegen gestellt?
P. Antonio: Diese Formulierung gefällt mir. In diesem Zusammenhang ist der Gedanke von Teresa wichtig, dass Gott eher den Frauen als den Männern mystische Gnaden schenkt. Ich könnte mir vorstellen, dass dieser Satz damals für manche Theologen ein rotes Tuch war. Aber sie sagt das ganz deutlich.
Sie hatte ja auch Probleme mit der Inquisition ...
P. Antonio: Das liegt aber nicht nur an ihren Aussagen. Sie war väterlicherseits jüdischer Abstammung. Das war in den Augen der Inquisition schon verdächtig. Aber Teresa war nicht nur intelligent, sondern auch schlau. Daher hielt sie einen engen Kontakt mit wichtigen Theologen, die ihr eine Stütze waren. Das ist auffallend. Sie hatte keine Angst vor der Inquisition, denn sie hatte Theologen als Berater, die großen Einfluss auf die Inquisition hatten.
War sie nach heutigen Begriffen eine gute Netzwerkerin?
P. Antonio: Ich glaube, dass uns Teresa damit auf ein Problem aufmerksam macht, das heute in manchen Kreisen der Kirche aktuell ist. Wir haben heute Menschen, die meinen, weil sie fromm sind, brauchen sie fromme Priester als Berater. Teresa handelt jedoch ganz anders. Gerade weil sie fromm ist, sucht sie die Beratung von wichtigen Theologen. Also die gute Ergänzung von Frömmigkeit und theologischem Wissen. Ich finde, es wäre heute wieder wichtig, wirklich frommen Menschen zu sagen, dass sie keine Angst vor der Theologie haben brauchen. Sie finden in der Theologie eher eine Ergänzung, Bestätigung oder Korrektur. Das wäre ein Weg zu einer gesunden Religiosität oder Spiritualität.
Sie gehen in Ihrem Buch stark auf die Situation des 16. Jahrhunderts ein. Damals hat Teresa viele Klöster gegründet ...
P. Antonio: Die Gründungen von Teresa haben einen ekklesiologischen Hintergrund. Da war erstens die allgemeine katastrophale Situation der Kirche in Europa. Zweitens sah Teresa, dass viele Priester dem Ideal nicht entsprachen. Drittens kam ihre Erkenntnis über die Taten der Spanier in Südamerika. Sie dachte zunächst, ihre Brüder, die in Südamerika waren, wären Apostel und Märtyrer gewesen. Aber dann erkannte sie, dass dies überhaupt nicht der Fall war. Dies waren Initialzündungen für ihre Ordensgründungen. Bei den Schwestern sieht sie den missionarischen Aspekt des Gebetes. Von den Patres will sie, dass sie apostolisch tätig sind. Am Ende ihres Leben wird beschlossen, dass die Karmeliten in die Mission gehen.
Wenn Sie sich die Situation des 16. Jhs. und die des 21. Jhs. vor Augen führen: Was sagt uns die hl. Teresa heute?
P. Antonio: Ich glaube, dass Teresa heute verschiedenen Gruppen von Menschen Unterschiedliches zu sagen hätte. Gläubigen Menschen, die Licht und Schatten im Leben feststellen, die auch Versagen erleben, würde Teresa sagen: Habt Vertrauen zu Gott! Wenn er mich ausgehalten hat, wird er euch auch aushalten. Verliert nicht den Mut!
Menschen, die den Weg des Gebetes gehen, würde Teresa sagen: Das Gebet ist ein Weg, nicht das Ziel. Es geht nicht nur darum, dass ihr Gott begegnet, sondern dass ihr aus der Begegnung mit Gott Kraft schöpft, um die Aufgaben des Lebens im Sinne Christi zu bewältigen.
Kirchlich engagierten Menschen, die leiden, weil vieles zu langsam geht, würde sie sagen, was sie selbst gemacht hat: Ich entschloss mich, das Wenige zu tun, das mir möglich war. Ein Problem in unseren Kreisen besteht darin, dass wir alles beurteilen, vieles verurteilen und selten sagen: „Ich fange bei mir an.“ Das würde Teresa herausstreichen, aber ohne die Mängel zu übersehen oder gar zu negieren.
Damit steht eigentlich Papst Franziskus voll in der Tradition von Teresa.
P. Antonio: Absolut. Beide fordern dazu auf, die Kirche attraktiver, menschlicher, barmherziger zu machen.
Viele Kirchenerneuerer kommen aus den Orden. In diesen Tagen beginnt das Jahr der Orden. Was werden die Schwerpunkte sein?
P. Antonio: Ich glaube, dass wir einen gemeinsamen Weg wiederentdecken müssen. Wir in der Kirche dürfen nicht nur das Hierarchische, sondern müssen auch das Charismatische betonen. Das Ordensleben sehe ich eher aus der Warte der Charismen. Das ist wohl auch ein Grund, warum so viele Erneuerer Ordensleute waren. Das war einfach eine charismatische Sendung. Wir erleben in Europa derzeit eher eine schwache Position der Kirche. Daher wäre es gut, wenn jede Gemeinschaft ihre eigene charismatische Sendung betont. Nicht, weil sie die beste wäre, sondern weil sie ein vielfältiges Bild der Kirche, des Glaubens sichtbar macht. Das sollte ein Ziel in diesem Jahr sein.
Die Diözesanwallfahrt 2015 führt Anfang Mai zu den Wirkstätten der hl. Teresa. Sie sind wesentlich in die Planung eingebunden. Was erwartet die Teilnehmer dort?
P. Antonio: Ich denke, es ist wunderbar, wenn man Botschaften und Texte an Ort und Stelle wiederholt und erlebt. Schon die Stadt Ávila hinterlässt einen großartigen Eindruck. Man kann sich dann vieles vom Leben der hl. Teresa vorstellen. Wir besuchen Segovia, Toledo und andere Städte, die in ihrer Kultur und ihrer Ausstrahlung wunderschön sind. Gleichzeitig erfährt man den spirituellen Hintergrund.
Wie wird das vor sich gehen?
P. Antonio: Wir widmen uns einen halben Tag der Kultur und einen halben Tag der spirituellen Seite. Die Verbindung dieser beeindruckenden Kultur und der nicht minder beeindruckenden Spiritualität wird ein bereicherndes Erlebnis für alle, die mitfahren.
Zur Person:
P. Antonio Sagardoy, geb. 21. September 1945 in Pitillas/Spanien, ist seit 2012 Bischofsvikar für die Orden in der Diözese Gurk.
Zum Buch:
Teresa von Ávila. Trotzdem liebe ich die Kirche, Verlag styria premium 2014, 160 Seiten, Preis: € 14,99
Erhältlich u. a. im Behelfsdienst der Diözese, Tel: 0463/5877-2135 oder per E-Mail unter: behelfsdienst@kath-kirche-kaernten.at
>> Direktlink zum Youtube-Video mit Pater Antonio Sagardoy