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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

„Ich bin skeptisch gegenüber allgemein gültigen Wahrheiten“

Am 22. November tritt der Sänger und Kabarettist Christian Hölbling in Maria Saal auf. SONNTAG-Gespräch über seine Haltung zu Kirche, Gottesdiensten, Sinnsuche sowie Mission.

Christian Hölbling gestaltet zum Modestusfest am 22.11. einen Abend und predigt am 14.11. um 10 Uhr in Maria Saal (Foto: Poeschl)
Christian Hölbling gestaltet zum Modestusfest am 22.11. einen Abend und predigt am 14.11. um 10 Uhr in Maria Saal (Foto: Poeschl)

Sie sind beim Modestusfest in Maria Saal am 22. November mit einem Abendprogramm vertreten. „Hinter uns die Sintflut“ lautet der Titel. Was kann man sich da erwarten?
Hölbling: Ich beleuchte die Welt von zwei Seiten, einmal mit Texten und dann mit eigenen Liedern. Es geht um das Gehetzt-Sein, das Gefühl, dass man heute nicht schnell genug und immer hintennach ist. Das sind Ansprüche, die gestellt werden und die man nicht erfüllen kann. Die Texte, die ich lese, stammen aus meinen Glossen in der „Kleinen Zeitung“.

„Hinter uns die Sintflut“: Das ist eigentlich ein Titel, der sehr gut in unsere Zeit passt.
Hölbling: Ja, das ist richtig. Es gibt diesen Ansatz, immer nach vorne zu schauen. Aber was bedeutet das, wenn man gleichzeitig aus den Augen verliert, was daraus folgt? In meinen Augen ist dieser ständige Blick nur nach vorne dumm. Gott sei Dank haben wir gerade eine Bewegung von jungen Menschen, die uns die Folgen dessen bewusst machen, was wir gerade treiben.

Wie weit spielt die Kirche dabei eine Rolle? Was geben Ihnen persönlich der Glaube und die Kirche?
Hölbling: Mir ist jeder, der an etwas glaubt, lieber als jemand, der an gar nichts glaubt. Oder nur an sich, die Gesetze des Marktes oder die Naturwissenschaften. Ich glaube, dass es mehr gibt, das uns als Menschen ausmacht. Aber mein Problem mit der Kirche – so wie übrigens auch mit anderen Institutionen – ist, dass der eigentliche Zweck im Laufe der Zeit oft in den Hintergrund tritt und das Brimborium in den Vordergrund. Die Relevanz für unsere Zeit und unser Leben geht dadurch verloren. Ich habe viele Freunde, die in der Kirche engagiert sind, und weiß daher, wie viel Gutes durch die Kirche in den unterschiedlichsten Lebenslagen geschieht. Aber mit der Amtskirche habe ich meine Probleme.

Aber lässt sich das so leicht trennen? Die „Amtskirche“ hat sich im Laufe der Zeit ja auch gewandelt.
Hölbling: Ich finde es sehr respektabel, dass ich in Maria Saal den Abend gestalten darf, obwohl ich meine Probleme mit der Kirche gleich von Beginn an klar angesprochen habe. Viele Themen, die mich beschäftigen, sind auch Themen, die in der kirchlichen Diskussion vorkommen. Es geht um Zusammenleben, um Gesellschaft und gesellschaftspolitische Tendenzen. Ich glaube schon, dass wir da viel Gemeinsames finden. Womit ich meine Probleme habe, sind Diskrepanzen zwischen den Vorgaben – etwa in moralischen Fragen – und dem, wie sie in der Praxis gelebt werden.

Haben Sie konkrete Beispiele?
Hölbling: Etwa die immer gleiche Reaktion auf Probleme: Mächtige alte Männer schützen mächtige alte Männer. Das ist nicht nur in der Kirche so, aber gerade dort sollte es ja anders sein.

"Das gemeinsame Bemühen, auf unsere drängenden Fragen Antworten zu finden, ist höchst notwendig."

Sie beschäftigen sich in Ihren Glossen öfter mit der Kirche – wie etwa mit Gottesdiensten ...
Hölbling: Ich habe versucht, aus dem Blickwinkel eines jungen Menschen darauf zu achten, was in einem Gottesdienst passiert. Ich habe mir dabei die Frage gestellt: Was hat das mit unserer Zeit und mit meinem Leben zu tun? Ich verstehe, dass es einen historisch gewachsenen Ritus gibt. Wenn ich aber das Gefühl habe, dass die Form wichtiger ist als der Inhalt, gehe ich leer hinaus. Das ist schade. Denn ich bin genauso am Straucheln wie andere Menschen. Ich habe Tausende Fragen ans Leben und darüber hinaus, auf die ich keine Antworten habe. Ich bin froh, wenn ich einen Anhaltspunkt finde, – ob das in der Kirche, der Kultur oder der Philosophie ist. Ich weiß, dass es nicht nur mir so geht. Von daher denke ich, es gibt allgemein einen so großen Bedarf am Gespräch, an der Diskussion und am gemeinsamen Finden von Antworten. Bitte nicht von dogmatischen Antworten oder einzigen Wahrheiten! Aber das gemeinsame Bemühen, auf unsere drängenden Fragen Antworten zu finden, ist höchst notwendig.

Sollte sich die Kirche auch stärker gesellschaftspolitisch engagieren?
Hölbling: Ich sehe eine Gefahr jeder Religion auch darin, dass man sich zu sehr auf eine höhere Macht verlässt. Wenn man das falsch versteht, glaubt man zu wenig an seine eigene „Wirkmächtigkeit“ als einzelner Mensch. Ich denke, es braucht eine gute Verbindung von beidem. Wenn ich nicht daran glaube, dass ich etwas verbessern oder verändern kann, gebe ich mich auf. Egal, ob ich Mitglied einer Kirche bin oder nicht, sollte ich mich täglich fragen, welche Wirkung ich im Guten haben kann.

Modestus, der am 22. und 24. November in Maria Saal gefeiert wird, war ein Missionar. Sie sind Künstler und haben eine Botschaft. Verstehen Sie sich auch ein bisschen als Missionar?
Hölbling: Oh, das wäre sehr riskant! Wenn man in der Öffentlichkeit steht, hat alles, was man sagt oder tut, mehr Relevanz. Aber als Missionar sehe ich mich absolut nicht. Das würde bedeuten, dass ich genau weiß, welcher der richtige Weg ist. Ich kann nur versuchen, meine Gedanken möglichst klar zu fassen und zu teilen, in der Hoffnung, dass das für jemand anderen interessant ist. Aber ich kann mir nie sicher sein, ob meine Haltung die richtige ist. Ich bin sehr skeptisch, wenn jemand glaubt, er besitze die allein gültige Wahrheit. Sympathisch an Modestus finde ich, dass sein Name übersetzt „der Bescheidene“ bedeutet. Das ist grundsätzlich eine gute Haltung.

Aber Mission, wie sie heute verstanden wird, hat nichts mit Aufzwingen zu tun, sondern mit Entwicklung auf Augenhöhe. Wie stehen Sie dazu?
Hölbling: Mir imponieren Projekte, wo jemand dorthin geht, wo Not ist und sich sehr genau anschaut, was die Leute wirklich brauchen. Das Gegenteil ist, dass etwas von oben drübergestülpt wird. Das können die Menschen dann auch nicht akzeptieren. Wir sind nicht die Allwissenden, sondern sollen den Menschen auf Augenhöhe begegnen. Die Not anderer hat ja auch oft mit unserem Lebensstil zu tun. Solange wir diese Zusammenhänge nicht begreifen und die Wurzeln der Not beseitigen, wird kein Zaun hoch genug und keine Mauer dick genug sein, um unseren Wohlstand zu sichern.

"Man kann Humor in allen Lebenslagen einsetzen. Sie können damit Botschaften und Haltungen leichter transportieren. Es funktioniert besser, als jede Belehrung."

Sie sind quasi dreigeteilt: Sie sind Kabarettist und Sänger, aber wohl am bekanntesten durch die Kunstfigur Helfried, als der Sie in Theatern aber auch im Fernsehen auftreten. Können Sie sagen, welche Rolle Ihnen am liebsten ist?
Hölbling: Ich habe noch eine andere Rolle: Ich bin seit 20 Jahren Rote-Nasen-Clown-Doktor. Aber all das sind offensichtlich verschiedene Bereiche, aber im Grunde speisen sie sich alle aus derselben Quelle. Es geht um Sprache, um Kreativität und um Ausdruck. Ob das nun als Sänger und Liedermacher, als Kolumnist, Kabarettist oder Clown sind nur verschiedene Ausdrucksweisen. Am liebsten ist mir Abwechslung. Wenn Herz und Hirn möglichst gut verbunden sind, dann ist das für mich perfekt. Wenn Kabarett zu intellektuell ist, geht mir etwas ab. Wenn aber nur Gefühlsduselei stattfindet, geht mir das Hirn ab. Ich surfe zwischen diesen Polen, sonst fühle ich mich nicht wohl. Man kann Humor in allen Lebenslagen einsetzen. Sie können damit Botschaften und Haltungen leichter transportieren. Es funktioniert besser, als jede Belehrung.

Welche sind Ihnen als Helfried die liebsten Gäste?
Hölbling: Grundsätzlich jeder, der bereit ist, etwas zu erzählen. Ich finde von daher jeden Menschen für interessant. Er muss nur die Bereitschaft haben, etwas von sich preiszugeben. Das soll nichts Indiskretes sein, sondern etwas, das mich für mein Leben auch bewegt. Solche Aha-Effekte ergeben sich in jedem Gespräch, obwohl es eigentlich ein kabarettistisches Format ist. Es soll eben die Mischung sein aus Intellekt und Humor: nicht bierernst, aber auch keine oberflächliche Blödelei.