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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Es gibt wirklich einen auferstandenen Christus

"Sonntag"-Gespräch mit dem Bestseller-Autor Jan Roß

„Die Verteidigung des Menschen. Warum Gott gebraucht wird“ lautet der Titel des jüngsten Buches von Jan Roß. Ein Gespräch über Glaube, Kreuz und Auferstehung und warum die Kirche gebraucht wird

Jan Roß, “Zeit“-Redakteur und Bestseller-Autor, im Sonntag-Gespräch über Kreuz & Auferstehung, das christliche Menschenbild und Religion als Stifterin von Freiheit (© Foto: Nicole Sturz)
Jan Roß, “Zeit“-Redakteur und Bestseller-Autor, im Sonntag-Gespräch über Kreuz & Auferstehung, das christliche Menschenbild und Religion als Stifterin von Freiheit (© Foto: Nicole Sturz)
Jan Roß, Autor des Buches: Die Verteidigung des Menschen. Warum Gott gebraucht wird. (© Foto: Nicole Sturz)
Jan Roß, Autor des Buches: Die Verteidigung des Menschen. Warum Gott gebraucht wird. (© Foto: Nicole Sturz)

Ihr jüngstes Buch trägt den Titel: „Die Verteidigung des Menschen. Warum Gott gebraucht wird.“ Schon der Titel thematisiert die Verbindung Gott-Mensch. Welches Bild von Gott haben Sie?
Roß: Jesus Christus. Mein Gottesbild ist von all dem geprägt, was von Jesus Christus erzählt wird. Ich gebe zu, dass das vielleicht etwas einseitig ist. Es heißt nicht, dass es nicht auch andere Wege gibt. Aber mich prägt die Vorstellung der Christen, dass sich Gott eigentlich in allen Dimensionen zeigt.

Welche Dimensionen meinen Sie? Ist es Gott der allmächtige Vater, der Tröster, der Ordner in einer zunehmend orientierungslosen Welt? Oder ist es Jesus, der Aufrührer, der Revolutionär, der die geltenden Regeln auf den Kopf gestellt hat?
Roß: Das Besondere am christlichen Gott ist ja doch, dass er nicht einfach über den Dingen steht, sondern sich ein Schicksal zugemutet hat. Das drückt sich natürlich insbesondere in Kreuz und Auferstehung aus. Es ist ja sehr leicht, sich Gott als eine Instanz von Macht und Größe vorzustellen. Aber das Christentum sagt, dass das so einfach nicht ist. Es ist diese eigentümliche Mischung aus Leiden und Schwäche und der Tatsache, dass sich darin das Wesen der Welt ausdrückt. Darin liegt etwas Tröstliches, aber es liegt auch etwas Schwieriges und Paradoxes darin. Es fällt nicht leicht, sich einen Gott in seiner Schwäche und seinem Leiden vorzustellen.

Das Kreuz als Provokation?
Roß: Das ist es zweifellos. Es läuft den konventionellen Vorstellungen von Göttlichkeit zuwider. Es zeigt ein Bild äußerster Verlassenheit und Hilflosigkeit. Darin liegt etwas Provozierendes. Sie sprachen vorhin von Jesus als Widerständler und Revolutionär – das ist alles wahr und wird gerne als politische Komponente Jesu gesehen. Aber das Kreuz geht über all das Politische weit hinaus. Das ist das Interessante daran. Es geht um ein existenzielles Zeichen das jenseits irgendwelcher Richtungsfragen oder einer Solidarität mit den Unterdrückten liegt. Diese solidarische Dimension ist wichtig und gehört zum Christentum, aber sie ist doch nicht der Kern der Sache. Es geht immer noch tiefer, und das ist genau das, wofür das Kreuz steht.

Sie heben hervor, dass das Christentum ein Menschenbild vermittelt, das „kostbar und bedroht ist“. Nun sollte man ja Kostbares weitergeben, damit es wächst und gedeiht. Wie kann man den Glauben an nächste Generationen weitergeben?
Roß: Das ist natürlich ein ganz zentraler Punkt. Mit dem Buch versuche ich das ja auch ein bisschen. Ich möchte natürlich, dass der Glaube in die nächste Generation getragen wird. Aber das Entscheidende ist ganz banal: Es ist das Vorbild der Christen. Es kommt sehr darauf an, dass die Gesellschaft in ihrer Mitte Christen sieht, die sie überzeugend, vielleicht sogar eindrucksvoll findet und fragt: Was treibt sie an? Ich bin ein großer Fan der Kommunität Sant´ Egidio in Rom. Sie beinhaltet einerseits eine politische Aktivität, und andererseits pflegen sie die Freundschaft und Brüderlichkeit mit den Armen Roms und treffen sich in Santa Maria di Trastevere zum Abendgebet. Das empfinde ich als moderne, der Zeit angemessene und trotzdem bruchlos die Tradition fortsetzende christliche Gemeinschaft. Das sind nicht die Reinen und Feinen, die sich abkapseln, noch passen sie sich dem Zeitgeist an. Für mich ist das ein gutes Beispiel, wie sich Christen in einer erkennbaren, aber nicht sektenhaften Weise präsentieren können, in die Gesellschaft hinein überzeugend sind und damit den Kern der Überlieferung in die nächste Generation und in die kommende Zeit weitertragen.

Sie beschreiben den christlichen Glauben als „Alternative zur Gefräßigkeit des Hier und Jetzt“. Viele Menschen suchen heute solche Alternativen, finden aber dennoch nicht zum Glauben. Wie erklären Sie sich das?
Roß: Ich meine, dass die Menschen auf vielerlei Art Alternativen suchen. Der Glaube ist dafür ein Weg. Man sollte ihn nicht funktionalisieren und für oder gegen alles mögliche einsetzen – völlig egal, ob es konservative oder progressive Zwecke sind.
Ich bin aber grundsätzlich überzeugt, dass der Glaube Freiheit stiftet. Auch von einem bestimmten definierten Erfolgskonzept. Es gibt ja in allen großen Religionen den Gedanken der Askese. Das ist ein Urgefühl, das in den Religionen transportiert wird und das sie Gott sei Dank mit einer gewissen Sturheit in dieser Welt präsent halten. Im Christentum gelten immer noch Armut, Keuschheit und Gehorsam als wertvoll – nach heutigen Kategorien ganz absurde Ideale. Da repräsentiert Religion die Erinnerung an eine andere Dimension der menschlichen Existenz.

Religion also als Stifterin von Freiheit?
Roß: Das Verhältnis von Glaube und Freiheit ist doppelt: Glaube kann es nur in der Freiheit geben. Das ist eine Grundbedingung. Der Glaube ist nichts wert, wenn er nicht frei ergriffen wird. Wenn er indoktriniert oder gar aufgezwungen wird. Glaube macht aber auch auf eine bestimmte Weise frei. Nämlich von einer Fülle von Abhängigkeiten. Dafür gibt es viele Beispiele im Christentum, aber auch in anderen Glaubensgemeinschaften. Religion wird zu einer Quelle von Freiheit, indem sie Widersprüchlichkeit gegen Tyrannei, gegen politischen und gesellschaftlichen Konformismus begründen kann.

Sie sprechen sehr intensiv über den Glauben. Wie beurteilen Sie die Kirche? Braucht der Glaube eine
Institution?

Roß: Ja, ich glaube schon. Ich bin selbst evangelisch, daher kommt bei so einer Frage das protestantische Urgefühl hervor, dass man das Institutionelle nicht überschätzen soll. Kirche heißt für mich: Wenn zwei oder drei in Gottes Namen versammelt sind, dann ist er mitten unter ihnen. Der Kern ist für mich aber: Man kann doch nur gemeinsam glauben. Dazu kommt die Bedeutung der Tradition. Was die Bibel eigentlich ist, was sie bedeutet und wie sie zu lesen ist, das ist alles eingebettet in einen Traditionszusammenhang und in ein Kollektiv. Insofern würde ich sagen: Es geht nicht ohne Kirche.

Wir gehen auf Ostern zu. Da ist das Kreuz, der Karfreitag, aber auch die Osternacht. Was bedeutet für Sie Auferstehung?
Roß: Es ist das größte Mysterium, aber Christ sein heißt, an die Auferstehung glauben. Aber fragen Sie mich bitte nicht, was Auferstehung wirklich heißt. Ich kann ehrlich nicht behaupten, dass ich es verstehe. Viele greifen beim Versuch einer Erklärung auf Ausflüchte. Sie versuchen, sich irgendwie durchzumogeln. Aber er ist auferstanden, auch wenn wir nicht wissen, wie das geht. Dieses Geheimnis muss man aushalten. Für mich kommt da die Überlieferung ins Spiel. Man muss sich mit einer gewissen Zähigkeit an den Bekenntnissen festhalten, die durch die Jahrhunderte überliefert worden sind. Ich bin überzeugt: Die werden sich nicht getäuscht haben. Wir hätten sonst ja nur ein gescheitertes Jesusprojekt. Aber es gibt das Christentum, es gibt die Kirche, und es gibt wirklich einen auferstandenen Christus.