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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Geschieden, wiederverheiratet - und nun?

P. Reinhold Ettel SJ über Barmherzigkeit und Gerechtigkeit als sich ergänzende Wege

Jesus bricht das Brot. Er nährt und stärkt Menschen und richtet auf. Zeichen auf dem Weg der Barmherzigkeit. (© Foto: Sieger Köder: Das Mahl mit den Sündern)
Jesus bricht das Brot. Er nährt und stärkt Menschen und richtet auf. Zeichen auf dem Weg der Barmherzigkeit. (© Foto: Sieger Köder: Das Mahl mit den Sündern)

Geschieden und wiederverheiratet: Es lässt aufhorchen, wenn mehrere Bischöfe darauf hinweisen, dass sich etwas bewegen muss.
von P. Reinhold Ettel SJ

Gibt es Bewegung in der Kirche? Wenn mehrere Bischöfe darauf hinweisen, dass sich in der Pastoral für Geschiedene und für Wiederverheiratete etwas bewegen muss, lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Ein ausgeprägt rechtliches Verhalten, in dem zum Beispiel wiederverheiratete Geschiedene schlechthin zu den Sakramenten nicht zugelassen werden, wird als hart empfunden und als unvereinbar mit dem barmherzigen Verhalten Jesu bewertet. Denn Jesus von Nazaret wandte sich in seinem Wirken vor allem jenen zu, die mit ihrem Leben nicht zurecht kamen, die sich selbst als schuldig sahen und von den anderen als „Sünder und Heiden“ beurteilt wurden.
Leider erleben sich Geschiedene in der kirchlichen Gemeinschaft häufig be- und verurteilt. Ihre Angehörigen und Freunde sind verunsichert, wie sie nun den beiden begegnen sollen. Im kirchlichen Leben verschärft sich für die Betroffenen die Situation, wenn eine neue Beziehung wächst und wieder geheiratet wird.

Die unauflösliche sakramentale Ehe

Die Kirche hält daran fest, dass ein sakramentales Eheband bestehen bleibt, auch wenn die Beziehung zerbrochen und (standesamtlich) geschieden ist. Sie sieht sich an das Wort Jesu gebunden: „Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.“ (Mk 10,9)
Die sakramentale Ehe ist kein Vertrag zwischen der Frau und dem Mann, den sie eigenmächtig jederzeit wieder lösen könnten. „Vor Gottes Angesicht“ sind die Ehepartner einen Liebesbund eingegangen, der zugleich in das treue Bündnis Gottes mit den Menschen aufgenommen wird. So wird der Ehebund von einer Frau und einem Mann zu einem „Sakrament“, d. h. ein Hinweiszeichen eben für den Treuebund, den Gott mit den Menschen eingegangen ist und zu dem Gott unwiderruflich steht. Der Glaube an die christliche Ehe als ein Sakrament ist eine Kostbarkeit, auch wenn in den Lebensrealitäten das Treueversprechen nicht immer durchgehalten werden kann.

Die Seelsorger sind angefragt

Die kirchlichen Dokumente, wie das Schreiben von Papst Johannes Paul II. über die Aufgaben der christlichen Familie (1981), weisen ausführlich darauf hin, dass die Seelsorger und die Gemeinden den Geschiedenen und den Wiederverheirateten besondere Sorge zuwenden und ihnen Wertschätzung, Verständnis und Hilfe entgegenbringen sollen. Die Situationen der Betroffenen sollen differenziert gesehen werden (siehe FC n.83 und n.84).
Geschiedene und Wiederverheiratete werden ermutigt, ihren Glauben als Christen zu leben und am kirchlichen Leben teilzunehmen. Es ist bedauerlich, wie wenig diese pastorale Mahnung des Papstes bekannt ist und verwirklicht wird. Schnell und auch verkürzt wird in Gesprächen darauf hingewiesen, dass Wiederverheiratete die Sakramente nicht empfangen dürfen.
Oft ringen zwei Partner lange um ihre Beziehung, bringen viel Mühe auf, suchen in Beratungen und bei seelsorglichen Gespräche Hilfe – und kommen schließlich doch zur Überzeugung: Es geht nicht mehr, dass wir zusammenleben. „Zu einem Leben in Frieden seid ihr berufen.“ (1 Kor 7,15) So lautet eine Botschaft, die der Apostel Paulus den Eheleuten mitgeben will.

Getrennt und geschieden

Wenn auch die Partnerbeziehung nicht mehr gelebt werden kann und die Ehepartner sich trennen und standesamtlich geschieden werden, so ist damit das sakramentale Eheband nicht aufgehoben. Zugegeben, wenn eine Ehegemeinschaft nicht mehr gelebt wird und faktisch nicht mehr lebbar ist, d. h. wenn die einmal gelebte und erlebte Beziehung „tot“ ist, dann ist es schwer nachvollziehbar, dass die erste, „sakramentale“ Ehe als bestehend betrachtet wird. Es deckt sich nicht mit dem konkreten Lebensgefühl.
Wir dürfen beachten, wie oft Jesus auf die konkrete Lebenssituation geblickt und
Menschen darin aufgerichtet hat.

Drei Fragen an P. Reinhold Ettel

Sie sprechen von Wertschätzung – aber wie ist das mit der Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zu den Sakramenten?
ETTEL: Wenn Wiederverheiratete die hl. Kommunion empfangen wollen, entsteht ein Werte-Konflikt zwischen der zweiten Ehe (bei Bestehen der sakramentalen ersten Ehe) und der Kommunionfeier. „Ihre Lebensverhältnisse (stehen) in objektivem Widerspruch zum Liebesbund von Christus und der Kirche, den die Eucharistie sichtbar und gegenwärtig macht.“ (FC n.84) Auf diese Aussage beziehen sich jene, die den Betroffenen die hl. Kommunion vorenthalten.

Gibt es bei Paaren auch Situationen, in denen der Sakramentenempfang möglich wäre?
ETTEL: Viele pastorale Fachleute fragen, ob sich dieser genannte Widerspruch ebenfalls in dieser Schärfe zeigt, wenn die persönliche Lebenssituation gesehen und erkannt wird. Wenn die erste Ehe zerbrochen und nicht mehr lebbar ist, somit eine Rückkehr in die früher gelebte Beziehung unmöglich ist, und wenn in der neuen Beziehung die Werte gelebt werden, die eine gültige Ehe kennzeichnen wollen (Liebe, Treue, Vertrauen, Achtsamkeit, Bereitschaft zur immer neuen Versöhnung usw., in Verbindung mit dem Bemühen um ein religiös-gläubiges Leben), dann darf diese zweite Ehe keineswegs als dauernde „Sünde“ bewertet werden.

Auf welchem Weg kann eine wertschätzende Lösung gefunden werden?
ETTEL: Im seelsorglichen Gespräch wird es möglich sein, die persönliche Situation des Paares zu erkennen. Eine undifferenzierte Anwendung des „objektiven“ Gesetzes in der Kirche wird verständlicher Weise als hart erlebt und kann schwer mit dem Bild und Verhalten von einem barmherzigen, vergebungsbereiten Gott in Einklang gebracht werden.

 

Zur Person: P. Reinhold Ettel SJ ist Ehe- und Familienseelsorger der Diözese Gurk.

Tipps:

Besinnliche Tage für Geschiedene und/oder Wiederverheiratete – mit P. Richard Plaickner SJ und Dr. Brigitte Ettl. 9. bis 13. Nov. 2011 im Haus der Einkehr, 9433 St. Andrä i. L., Kollegg 5. Rechtzeitige Anmeldung: Tel. 04358 / 2237.Verlag 
Buchtipp: Eberhardt Schockenhoff, Chancen zur Versöhnung? Die Kirche und die wiederverheirateten Geschiedenen. Verlag Herder, 199 Seiten, 19,50 €.