Für geistliche Berufungen haben sich die Rahmenbedingungen geändert
Abt Christian Haidinger vom Stift Altenburg sprach mit Hans Baumgartner zum Weltgebetstag um geistliche Berufe.
Der Abtpräses der Benediktiner Österreichs über Berufung, offene Türen, das Glaubenszeugnis der Orden und die Öffnung der Kirche - auch hin zu anderen Religionen


Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie den Slogan „Glauben leben – Türen öffnen“ hören?
Haidinger: Ganz spontan denke ich da an Papst Johannes XXIII., der gegen die Rufe aller Unglückspropheten die Türen und Fenster der Kirche weit öffnen wollte. Er hatte die Vision einer Kirche, die die befreiende Botschaft Jesu auf neue Weise hinausträgt und die sich die Sorgen und Hoffnungen der Menschen zu eigen macht und die Zeichen der Zeit mitten in dieser Welt erkennt. Als ich mit 20 Jahren 1964 ins Kloster (Kremsmünster) eingetreten bin, da war das Konzil gerade auf seinem Höhepunkt, und wir Jungen waren von diesem Aufbruch begeistert.
Sie haben nicht nur viele junge Menschen – auch auf ihrem Weg in einen Orden – begleitet, sondern im Rahmen des Cursillo auch viele Erwachsene mitten im Leben. Ist das anders?
Haidinger: Natürlich stellen Männer und Frauen, die schon einiges erlebt haben, oft andere Fragen. Aber im Kern geht es auch ihnen darum, herauszufinden: Was ist meine Berufung? Was ist mein Weg, aus einer Gottesbeziehung heraus mein Leben zu gestalten? Ich habe da in meiner über 30-jährigen Tätigkeit beim Cursillo viele spannende und intellektuell herausfordernde Gespräche und Diskussionen erlebt. Ich habe aber auch erfahren, dass vielfach der Groschen dort fällt, wo es aus einer guten Vertrauensbasis heraus gelingt, Menschen etwas von meiner Gotteserfahrung erahnen zu lassen. Gerade die ersten Tage unseres neuen Papstes Franziskus haben mir wieder gezeigt, es ist das Zeugnis, das die Menschen bewegt – seine schlichten Gesten der Demut, seine klaren, von seinem Leben gedeckten Worte von einer armen Kirche an der Seite der Armen.
„Glauben leben – Türen öffnen“ – was bedeutet das für Sie als Abt eines Stiftes?
Haidinger: In der Regel des hl. Benedikt wird die Gastfreundschaft ganz groß geschrieben. Uns, so heißt es da, soll jeder und jede, wer immer er oder sie ist, willkommen sein. Und so versuchen wir, so gut wir können, Menschen, die zu uns kommen, ob das nun Touristen sind, Hilfesuchende oder Leute, die für einige Zeit bei uns mitleben wollen, nicht nur anständig zu behandeln. Unsere offenen Türen sollen auch einen Blick darauf ermöglichen, wie wir unser Christsein leben. Vielleicht klingt es etwas hoch, aber es ist zumindest unser Bestreben: Wir möchten die Menschen, die zu uns kommen, teilhaben lassen an unserer täglichen Gottsuche. Und ich sage ganz bewusst „Gottsuche“, denn auch Mönche sind keine perfekten Christen, die Gott „gepachtet“ haben. Wenn der hl. Benedikt sagt, nicht hartgesottene Asketen sind als Mönche gefragt, sondern „man prüfe, ob er wahrhaft Gott sucht“, dann macht er auch deutlich, wie wir unser Zeugnis leben sollen.
Gottes Geist geht manche Umwege, damit etwas Neues wachsen kann.
Fragen Sie sich manchmal, ob dieses Zeugnis vergeblich ist, wenn Sie an den Ordensnachwuchs denken?
Haidinger: Fragen schon, aber was die Antworten angeht, da herrscht eine große Ratlosigkeit. Ich habe das vor kurzem wieder stark gespürt, als wir unsere Tagung der deutschsprachigen Äbte und Prioren hatten. Natürlich müssen wir uns fragen, wie es mit unserem Zeugnis einer Christusnachfolge in dieser Lebensform steht. Aber wir sollten auch nüchtern sehen, dass sich die Rahmenbedingungen für Berufungen sehr stark gewandelt haben, etwa was die religiöse Sozialisierung der Jugend und deren Eltern angeht. Und es gibt auch Überlegungen, wie wir uns als Klöster stärker als geistliche Zentren profilieren können – auch um den Preis, uns teilweise aus der Pfarrseelsorge zurückzuziehen; oder wie wir unsere Novizen-Ausbildung gemeinsam besser gestalten können.
„Türen öffnen“ – das hat in den vergangenen Jahren in Altenburg auch noch einmal einen neuen Akzent bekommen – hin zu anderen Religionen. Was ist der Antrieb dafür?
Haidinger: Ich könnte jetzt locker sagen: Wir haben die Zeichen der Zeit erkannt und die drängende Herausforderung zu einem verstärkten Dialog der Religionen aufgegriffen. Aber auch in diesem Fall muss man sagen, Gottes Geist geht manche Umwege, damit etwas Neues wachsen kann. In unserem Fall kam der Anstoß von außen: Das Land Niederösterreich wollte nach dem schweren Hochwasser 2002 das Kamptal wieder „zum Blühen“ bringen und startete eine Garteninitiative. Wir wollten daran mit etwas Neuem mitmachen und dabei stand uns wieder das Konzil Pate, das mit seiner Erklärung über die nichtchristlichen Religionen ganz neue Türen geöffnet hat – vor allem zum Judentum und zum Islam. Über unseren „Garten der Religionen“ kamen dann andere Projekte auf uns zu, die für uns zu einer neuen He-rausforderung wurden, aber auch ein großes Geschenk sind.
Zur Person:
Christian Haidinger wurde 1944 in Siezenheim (Salzburg) geboren. 1964 trat er in das Stift Kremsmünster ein und studierte an der Benediktineruniversität Sant‘ Anselmo in Rom. Nach seiner Priesterweihe 1969 war er u. a. als Jugendseelsorger, Novizenmeister und Pfarrer tätig. 31 Jahre wirkte er aktiv am Aufbau der Cursillo-Bewegung in Österreich mit. 2004 wurde er Generaldechant der Diözese Linz. 2005 wählten ihn die Benediktiner von Altenburg zum Abt ihres Stiftes. Seit 2009 ist er Abtpräses der Benediktiner Österreichs.