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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Für eine geschwisterliche Kirche

Joseph Mlola, Bischof in Tansania, über Christen, die einander beistehen, was wir voneinander lernen können und die Kraft kleiner christlicher Gemeinschaften

Foto: Haab

Sie kommen gerade aus Rom – was führt Sie nun nach Kärnten?
Mlola: Wir Bischöfe von Tansania waren zum Ad-Limina-Besuch in Rom. Weil ich nun schon in Europa bin, möchte ich die Gelegenheit nutzen, Bekannte hier zu besuchen und vor allem auch die Diözese Gurk, die mir ermöglicht hat Theologie zu studieren. So kann ich nochmal meinen Dank ausdrücken, dass ich heuer mein silbernes Priesterjubiläum feiern und auf acht Jahre im Bischofsamt zurückblicken kann. Und ich kann mit Ihnen die Hochs und Tiefs, das Auf und Ab der Kirche in Afrika und besonders in Tansania teilen. Die afrikanische Kirche ist voller Hoffnung, sie wächst. Der Glaube wächst und ebenso die Berufungen.

Ihr Studium wurde durch eine Priesterpatenschaft der Päpstlichen Missionswerke „Missio“ unterstützt, die 2022 ihr 100-Jahr-Jubiläum feierten. Wissen Sie, ob die konkrete Hilfe von einer bestimmten Pfarre oder von Einzelpersonen ausging?
Mlola: Es gab eine konkrete Person, aber ich weiß leider den Namen nicht. Ich würde mich freuen, wenn die Person diese Zeilen liest und dann mit mir Kontakt aufnimmt.

Wie können wir uns Ihre Diözese vorstellen?
Mlola: Tansania hat etwa 61,7 Millionen Einwohner. Ein Großteil gehört verschiedenen christlichen Glaubensrichtungen an, aber es gibt ebenso Moslems, Hindus und traditionelle afrikanische Religionen. Die Christen machen etwa 63 Prozent aus. In meiner Diözese Kigoma hatten wir vergangenes Jahr eine Volkszählung. Deshalb wissen wir, dass sie 2,4 Millionen Einwohner hat, davon sind 25 Prozent Katholiken, also etwa 500.000.

In Österreich sagen wir, dass wir Priestermangel haben. Haben Sie genügend Priester?
Mlola: In Tansania wächst die Bevölkerung, aber ebenso die christlichen Berufungen. Wir haben jetzt in Kahama ein neues Priesterseminar gebaut. Die Zahl der Anwärter, die nach den vorbereitenden Studien zu Philosophie und Theologie kommen, wächst stetig – meine Diözese Kiogoma hat derzeit 89 Seminaristen.

Sie wurden von Kärnten aus unterstützt. Nun stellen Sie fest, dass die Kirche in Österreich selbst Unterstützung braucht. Was sagen Sie dazu?
Mlola: Das ist eine Herausforderung. Aber ich sehe auch, dass mit allem, was schwindet, auch Neues wächst. In der Geschichte gab auch es in Zeiten des Niedergangs immer viel Gutes. Was sehe ich? Vielleicht hilft es, tiefer zu den Quellen zu gehen. Für mich liegt der Weg darin, die Familien zu stärken. Und wiederum: Die Familie ist für mich enorm wichtig. Sie ist der Kern, der Nukleus.

Von einem Missionar habe ich gehört: „Jesus sagte: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Europa legt den Akzent auf die Wahrheit, in Asien ist der Weg sehr wichtig, von Afrika können wir das Leben lernen“. Welches Leben, welche Freude am Glauben können wir von Afrika lernen?
Mlola: Unsere Freude hat ihre Wurzeln in den Familien. In der Familie werden wir geboren, wir wachsen dort auf, teilen das Leben. Dort teilen wir auch unsere Freude, die Freude am Leben, das wir von unseren Eltern haben und von unserem Vater im Himmel. Er hat uns das Leben geschenkt, die Freude und auch den Weg, auf dem wir uns bewegen und gemeinsam unserer Vollendung entgegengehen. Das erleben wir, wenn Kinder zusammen spielen. Wenn die Zeit zum Essen kommt und eines hat nichts, dann teilen sie. Das ist Leben teilen: in Schwierigkeiten, in der Freude – das gibt uns Kraft.

Die Kirche in Südamerika lebt stark aus Basisgemeinden. Wie sieht das in Ihrer Diözese aus?
Mlola: Wir evangelisieren durch kleine christliche Gemeinschaften. Das sind Familien, die zusammen leben. Zehn, fünfzehn Familien, die zusammenkommen, ihr Leben miteinander teilen, Dinge gemeinsam planen, gemeinsam das Wort Gottes lesen. Zusammen mit den anderen Gemeinschaften bilden sie die Pfarre, daraus wächst dann die Diözese. Wenn wir von Kirche sprechen, müssen wir von der Familie sprechen, weil die Familie Hauskirche ist, Kirche im Kleinen. Wenn Sie versuchen, Kirche mit der Pfarre zu beginnen, wird das nicht gehen, weil das Fundament fehlt.

Welche Aufgaben hat ein Priester dabei?
Mlola: Als Jesus die Apostel verließ, waren sie verwirrt und wussten nicht, wo sie beginnen sollten. Sie beteten und warteten auf den Heiligen Geist. Und sie gingen von Haus zu Haus, um gemeinsam zu beten, das Wort Gottes zu lesen und das Brot zu brechen. Das ist die Kraft, das ist die Nahrung, die Gott uns gegeben hat. Das ist es, was wir in Ostafrika versuchen zu leben: Wir beginnen in den Familien und beten gemeinsam. Manchmal wird der Priester zu Festen dieser kleinen Gemeinschaften eingeladen, manchmal spendet er dort die Taufe, feiert eine Hochzeitsmesse, bricht mit ihnen das Brot.

Haben Sie ein Wort der Ermutigung für uns?
Mlola: Die Kirche in Europa und in Österreich hat in der Vergangenheit so vieles getan. Mein Wort der Ermutigung ist: zu sehen, dass wir alle in der Kirche eins sind. Als Jesus zum Vater ging, sagte er zu den Aposteln, sie sollten um einen anderen Beistand bitten, den er senden werde, den Heiligen Geist. Der Geist hat uns verschiedene Talente gegeben, verschiedene Aufträge. Aber wie setzen wir diese Talente ein? Für uns selbst? Oder für andere, für die Gemeinschaft, für die Kirche? Wir haben sie nicht für uns selbst bekommen, sondern um Apostel zu sein, für alle.
Das lehren wir auch unsere Kinder. Es gibt niemanden, der nichts zu geben hat. Wenn jeder etwas von dem gibt, was er beitragen kann, entsteht Kirche. Einmal ist der eine in Not und der andere weniger, dann umgekehrt. Werden wir nicht müde! Ich danke Ihnen für das, was Sie für uns getan haben. Ohne Ihre Hilfe – über Missio, über Bruder und Schwester in Not, durch ein Gebet – wäre ich heute nicht Priester und Bischof.

Das „Miteinander ist Ihnen sehr wichtig. Möchten Sie das noch ein wenig erläutern?
Mlola: Ein Beispiel für „gemeinsam“: Wenn jemand einen Kranken unterstützt, indem er immer wieder etwas Geld gibt, wird man irgendwann sagen: Er gibt etwas, aber er selbst kommt nie. Es ist ein Unterschied, ob ich etwas gebe oder präsent bin. Geld ist nicht genug. Etwas Materielles ist nicht genug, es geht um Gegenwart. Diese Gegenwart ist es auch, die die kleinen Gemeinschaften so wertvoll macht: Auch wenn jemand stirbt, ist man nicht allein. Das ist Lebensfreude. Wir können nicht Gott lieben, ohne unseren Nachbarn zu lieben. Gott hat uns geschaffen, um ihn zu erkennen, zu lieben, ihm zu dienen. Auch meinen Nachbarn. Wenn ich meinen Nachbarn liebe so wie mich selbst, was bedeutet das? Wenn ich es tue, weiß ich, dass ich auch Gott liebe. Das ist die Herausforderung.

Interview: Georg Haab

Zur Person: Joseph Mlola, geb. am 9. Jänner 1966 in Mashati Rombo, Tansania, gehört der Ordensgemeinschaft des Opus Spiritus Sancti an und wurde 1997 zum Priester geweiht. 2014 ernannte ihn Papst Franziskus zum Bischof der Diözese Kigoma in seinem Heimatland.

101 Jahre Missio: 2022 feierten die Päpstlichen Missionswerke „Missio“ ihr 100-jähriges Bestehen. Seit 45 Jahren ist es möglich, die Priesterausbildung durch „Priesterpatenschaften“ finanziell und im Gebet zu unterstützen. Aus diesem Projekt sind mittlerweile 24.000 Priester hervorgegangen, darunter 174 Bischöfe und 3 Kardinäle.