Fernreisen sind eine ökologische Katastrophe
Über die ökologische Fußspur Reisender
Sommerzeit ist Urlaubszeit. Hochglanzprospekte locken mit Bildern von Palmen, Sandstrand, Tropenflair. Billigflieger machen´s möglich, Angebote zur CO2-Kompensation inklusive. Doch immer öfter fliegt auch das schlechte Gewissen mit. von Laura Ippen

„Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt“, dichtete Joseph von Eichendorff vor mehr als 200 Jahren und würde dafür noch heute von vielen begeistertes Kopfnicken ernten. Doch seine „weite Welt“ hatte ganz andere Dimensionen. Sie fand ihre natürliche Grenze im Marschpensum eines Wandersmannes, dessen Fußabdruck in Wald und Feld mit Gottes „Wundern“ in vollkommenem Einklang stand. Das ist heutzutage leider nur noch selten der Fall. Auch wenn vielen Menschen bewusst ist, dass der Treibstoffverbrauch des Luftverkehrs eine enorme Belastung für das Klima darstellt, fällt der Verzicht auf die Flugreise in den Urlaub schwer. Vom Wissen zum Handeln ist es eben doch ein großer Schritt.
Minderheitenprogramm
„Wenn man sich das Reisen im globalen Maßstab anschaut, dann ist das ein absolutes Minderheitenprogramm, selbst bei uns“, erklärt Walther Schütz vom Bündnis für Eine Welt/ÖIE in Kärnten. Denn trotz der Billigangebote können sich die wenigsten Leute einen Auslandsurlaub leisten. Ein Umstand, den Schütz provokant begrüßt: „Ökologisch gesehen muss man sagen: Gott sei Dank!, denn diese Minderheit hinterlässt einen grausamen ökologischen Fußabdruck!“ Für Schütz ist Reisen weder gerecht noch verträglich. Obwohl er zugesteht: „Urlaub machen ist wichtig.“
Zu Hause bleiben
Aber wie stellt sich Schütz den ökologisch verträglichen Urlaub vor? „Man sollte lieber zu Hause bleiben, sich auf ein Fahrrad setzen, Freunde besuchen, die Gegend erkunden.“ Dass das nicht die allgemeine Meinung ist, weiß Schütz und gibt zu: „Da bin ich Fundamentalist.“
Das Bündnis für Eine Welt/ÖIE in Kärnten setzt sich seit Jahrzehnten für Umweltschutz, Menschenrechte und eine dem Gemeinwohl dienende Wirtschaftsweise ein. Befragt zum Thema „Nachhaltig reisen“ erinnert sich Schütz an seine erste entwicklungspolitische Woche im Dienste des ÖIE: „Damals hat es Untersuchungen gegeben, die gezeigt haben, dass von den Devisen, die die Touristen ins Land bringen, praktisch nichts in diesen Ländern geblieben ist, weil ja der größte Teil der Konsumgüter erst wieder importiert werden musste. Die Wertschöpfung hat nicht vor Ort stattgefunden. Es gab zwar neue Jobs für die Einheimischen, aber die waren schlecht bezahlt. Die Anlagen selbst waren im Besitz von Ausländern. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert.“
Die Reiselust heutiger Generationen hat längst alle Grenzen gesprengt. Noch nie in der Geschichte der Menschheit wurden so viele Reisen unternommen wie im vergangenen Jahrzehnt – laut Welttourismusorganisation waren es 880 Millionen Auslandsreisen allein im Jahr 2009, unternommen von lediglich zwei Prozent der Weltbevölkerung.
Ob wir es wollen oder nicht, unser Kommen und Gehen hinterlässt Spuren in den bereisten Regionen, die sich für die dort Ansässigen nicht selten zu wahren Albträumen auswachsen: Umweltschäden durch Verbauung, extremer Wasserverbrauch, Verschmutzung – um nur die sichtbarsten Folgen zu benennen. Doch kann man wirklich nur noch auf Kosten anderer verreisen?
„Fair reisen ist möglich“, lautet die Antwort von Enchada, dem Netzwerk Entwicklungspolitik der Katholischen Jugend Österreichs, die zu „Fair Inclusive“ einlädt, einem Seminar über „Integratives Reisen“.
Mit dieser Meinung ist sie nicht allein: Längst haben Reiseveranstalter den „verträglichen Tourismus“ als neue Markt-Lücke entdeckt und bieten vielfältige Arten des Unterwegs-Seins an, die der sozialen Verantwortung gerecht zu werden versuchen.
Gütesiegel
Dabei sorgen eigene Gütesiegel für die Qualitätssicherung und erleichtern den Kunden die Auswahl. Zahlen die Tourismusunternehmen vor Ort Löhne, die eine Familie ernähren können? Entsorgen Hotelanlagen ihren Müll umweltgerecht? Wird bei der Wasser- und Energieversorgung Rücksicht auf die natürlichen Ressourcen genommen? Woher stammen die Lebensmittel im landestypischen Restaurant? – Fragen, die keineswegs den Erholungswert eines Urlaubs schmälern müssen, im Gegenteil: Wer sich für die Auseinandersetzung mit Land und Leuten ein wenig Zeit nimmt, hat letzten Endes mehr von seinem Urlaub.
Viel Zeit nehmen
Aber das ist genau der Knackpunkt, an dem auch die Konsumkritik des Reiseskeptikers Walther Schütz ansetzt: „Wenn ich wirklich etwas mitbekommen möchte von dem „Anderen“, dann brauche ich Zeit, und diese Zeit nimmt sich heute keiner mehr.“
Ob (faire) Fernreise oder Urlaub daheim – selbst wenn der Gast König ist, wie es so schön heißt, entbindet uns das nicht von unserer Schöpfungsverantwortung für unsere gerade in Urlaubszeiten besonders gestresste „weite Welt“.
www.kernoel.at
www.enchada.at