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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Es gibt keine Alternative zum Dialog

Heinz Nußbaumer im SONNTAG-Gespräch über Christentum und Islam

Der Berg-Athos-Pilger, „Furche“-Herausgeber, Buchautor, Journalist und ehemalige Bundespräsidenten-Sprecher über die besondere Lebenswelt des Berg Athos und über Christentum und Islam.

Der Berg-Athos-Pilger, „Furche“-Herausgeber, Buchautor, Journalist und ehemalige Bundespräsidenten-Sprecher Heinz Nußbaumer im SONNTAG-Interview über die besondere Lebenswelt des Berg Athos und über Christentum und Islam. (© Foto: Erzdiözese Wien (Bearb. KHK))
Der Berg-Athos-Pilger, „Furche“-Herausgeber, Buchautor, Journalist und ehemalige Bundespräsidenten-Sprecher Heinz Nußbaumer im SONNTAG-Interview über die besondere Lebenswelt des Berg Athos und über Christentum und Islam. (© Foto: Erzdiözese Wien (Bearb. KHK))
Prof. Heinz Nußbaumer (© Foto: ED Wien)
Prof. Heinz Nußbaumer (© Foto: ED Wien)

Sie kommen gerade vom Berg Athos. Was macht für Sie den besonderen Reiz, das Faszinosum dieser Mönchsrepublik aus?
Nußbaumer: Es sind jetzt schon 30 Jahre, dass ich auf den Athos fahre. Das Faszinosum hat sich seither mehrfach verändert und an mein Leben angepasst. Am Anfang stand – krankheitsbedingt – die Flucht vor permanenter Erreichbarkeit. Ich wollte jenen Ort kennenlernen, an dem noch kein Handy funktioniert hat. Als das nicht mehr so war, habe ich es – offen gesagt – meinem „Chef“, dem Bundespräsidenten, nicht verraten.

Neben der Ruhe hat der Ort ja eine ganz spezifische Aura – von der unberührten Natur bis zur Spiritualität ...
Nußbaumer: Ja, bei mir kam dann die Begeisterung über die Schönheit der Athos-Natur dazu – und die Bewunderung für die Architektur der uralten Klöster. Später war es die Mystik orthodoxer Liturgien und Gesänge. Heute ist es vor allem die Freundschaft mit „meinen“ Mönchen, mit ihrer Lebenswelt – und unsere Gespräche. Eine wichtige Triebkraft ist auch meine Frau. Wenn ich wieder in Arbeit ertrinke, sagt sie: „Ich glaube, es ist Zeit, dass du auf den Athos fährst!“

Finden Sie am Athos etwas, das Sie in der katholischen Kirche so nicht finden?
Nußbaumer: Ja, aber das geht mir mit allen Konfessionen so – auch mit meiner katholischen Kirche. Auch da gibt es viel, was mir anderswo fehlt. Es ist ein großes Geschenk, in einer Zeit leben zu dürfen, in der solche religiösen „Ausflüge“ nicht mehr auf einem Scheiterhaufen enden. Ich nütze diese Chance, um möglichst überall für meinen Glauben zu lernen. Gerne wäre ich „katholisch“ im weltumfassenden Wortsinn; möchte aber auch „evangelisch“ sein – im Versuch, mehr aus dem Evangelium zu leben. Und natürlich auch „orthodox“ – im Sinn von rechtgläubig. Es freut mich, dass manche Schätze der Ostkirchen – etwa die Welt der Ikonen, Hymnen und des Herzensgebetes – auch in unsere Kirche eindringen.

Wie wichtig ist die interkonfessionelle Begegnung, der Dialog? Was können die Kirchen voneinander lernen?
Nußbaumer: Natürlich ist das sehr wichtig. Das jetzt endende „Reformations-Jubiläum“ hat gezeigt, was alles möglich wäre, würden wir die „versöhnte Verschiedenheit“ entdecken. Ich finde es traurig, dass wir als Getaufte nicht gemeinsam zum Tisch des Herrn gehen dürfen. Wie könnten wir andere jemals von unserem Glauben überzeugen, wenn wir Christen im Kern dieses Glaubens noch immer Schranken aufbauen!  

In Tainach sprechen Sie am 4. Dezember über „Wir und der Islam“. Gibt es eine Brücke oder ist der der Bruch zwischen den Kulturen einfach zu groß?
Nußbaumer: Beides gilt: Brüche und Brücken. Über Jahrhunderte sind Völker in religiös abgeschotteten Regionen aufgewachsen – und haben sich höchstens auf Schlachtfeldern getroffen. Das ist durch Globalisierung, Digitalisierung, Massenwanderungen etc. vorbei. Also müssen auch die Religionen rasch lernen, Gemeinsames auszugraben und zu hegen. In einer zunehmend gottlosen Welt könnte es viel Miteinander geben.

Es hat aber den Anschein, dass derzeit weniger das Miteinander als ein Gegeneinander dominiert, das ein Gespräch zunehmend erschwert ...
Nußbaumer: Ich weiß, da gibt es Ängste und Feindbilder. Da liegen allseits böse Erinnerungen umher. Da haben Religionen auch unterschiedlichen Zeitdruck. Aber es gibt keine Alternative. Unweigerlich sind wir zum Miteinander verurteilt, wenn wir diesen Planeten nicht ruinieren wollen.

Ist es nicht so, dass dort, wo es Begegnung zwischen Angehörigen verschiedener Religionen gibt, die Ängste schwinden?
Nußbaumer: Wir leben in einer riskanten Zeit für religiöse Dogmen und Überlegenheitsgefühle – aber in einer goldenen Zeit für jede Art von Mitmenschlichkeit. Da läuft vieles nicht immer synchron: Immer wieder erlebe ich Leute, die ihre islamfeindlichen Vorurteile pflegen, zugleich aber schwärmen, was für eine brave, fleißige Frau ihre muslimische Bedienerin ist – und wie anständig deren Familie. Und dass man sie doch hierlassen sollte …  

Gehört der Islam zu Österreich?
Nußbaumer: Wie sollte eine Religion nicht hierher gehören, die mit mehr als 500.000 Gläubigen bereits die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft ist? Als außenpolitischer Journalist war ich ein halbes Leben lang in der Welt unterwegs – und habe kein Land gefunden, in dem das Ausgrenzen einer Bevölkerungsgruppe den inneren Frieden gestärkt hätte. Übrigens: Dass viele tausende engagierte Christen in Österreich trotz Gegenwind unglaubliche Solidarleistungen erbringen, macht mich wirklich stolz. Vielleicht hat das doch auch mit ihrem Glauben zu tun …

In der Abgrenzung zum Islam werden neuerdings christliche Werte und Wurzeln beschworen – oft von Leuten, die sich von der Religion eigentlich schon abgewandt haben. Ist eine weitgehend säkulare Gesellschaft überhaupt zum interreligiösen Dialog fähig?
Nußbaumer: Die Antwort hat schon Kardinal König gegeben: „Brücken kann man nur von festen Ufern aus bauen.“ Eine säkulare Gesellschaft reduziert das Phänomen Religion oft zum Ärgernis, weil glaubensferne Menschen möglichst ganz im Diesseits leben möchten; von der Rückkehr des Religiösen fühlen sie sich eher irritiert und gestört. Für Interreligiöses ist da wenig Raum. Vielfach fehlen dann auch die einfachsten Grundkenntnisse – auch solche ihrer eigenen, fremd gewordenen Religion.

Angesichts der weltweiten Migrationsströme stellt sich die Frage: Wie wird sich die religiöse Welt verändern?  
Nußbaumer: Ich bin kein Hellseher. Ich vermute aber, dass die meisten Menschen dieselben Hoffnungen für ihr Leben haben. Auch alle Religionen sprechen das an. Was wir zu schnell „Religionskriege“ nennen, hat meist ganz andere Nährböden. Aber ich will die Risiken nicht wegreden: Ja, es wird diese Missionierungsversuche geben – die gibt es auch durch Christen. Auch wir verdrängen auf anderen Kontinenten manche traditionelle Glaubenstradition. Und: Islamistische Versuche werden vor allem dort erfolgreich sein, wo uns der eigene Glaubensfundus verloren geht. Meine Lebenserfahrung sagt mir: Muslime haben mit mir als Christen immer leichter geredet als mit jemandem, der sich für das Woher und Wohin des Menschen und für die Frage nach seinem Schöpfer nicht mehr interessiert.