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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Einüben von Auferstehung in das eigene Leben

Die Autoren der Fastenserie, Egbert Ballhorn und Georg Steins, über ihren persönlichen Zugang zum Osterfest, befreienden Exodus und Leitungsdienst in der Kirche

Foto: privat (2), Haab (1)
Foto: privat (2), Haab (1)

Wie feiern Sie die Heiligen Drei Tage?
Ballhorn: Ich fahre in ein befreundetes Kloster. Für mich sind die Kar- und Ostertage der Höhepunkt des Jahres, und die gefeierte Liturgie bedeutet mir sehr viel. Für die Gemeinden meiner Umgebung wünschte ich mir einen bewussteren Umgang mit den Zeichen und Texten der Liturgie. Auch die Trauermetten gehören für mich in diese Tage.
Steins: Mir geht es ähnlich; wenn möglich, feiern meine Frau und ich mit einer Benediktinerinnengemeinschaft. Sie nehmen sich Zeit für eine bewusste Gestaltung dieser besonderen Liturgie. Jedes Jahr gibt es Neues zu entdecken, einen Gesang, eine schon vielmals gehörte Bibelstelle, Momente der Stille. Oft ist es einfach schön, da zu sein und dem unglaublichen Geschenk des Lebens nachzusinnen.

Was ist für Sie persönlich der stärkste Impuls des Osterfestes?
Steins: Die Dichterin Hilde Domin hat einmal geschrieben: „Wir essen das Brot, aber wir leben vom Glanz.“ Das ist es! Für mich ist die Feier der Liturgie ein tragender Zug meines Glaubens. Als österlicher Mensch zu leben, an diese Möglichkeit erinnert, neu auf diese Spur gesetzt zu werden, das ist für mich immer wieder das Glück dieser festlichen Tage.
Ballhorn:
Dass ich es jedes Jahr feiern darf. Ostern ist auch das Einüben von Auferstehung für mein eigenes Leben: das Warten in der dunklen Kirche, bevor man zum Entzünden des Osterfeuers nach draußen geht. Zu wissen, dass es gleich Ostern sein wird, aber den Zeitpunkt in Gemeinschaft abzuwarten, bis es geschieht.

Der Weg des Gottesvolkes in die Befreiung, der Exodus, ist wesentlich, um Tod und Auferstehung Jesu nachzuvollziehen. Was können die Bilder von Sklaverei, das Rote Meer für uns heute bedeuten? Was sind die Wüsten unserer Tage?
Ballhorn: Wenn Tod und Auferweckung Jesu allein gefeiert würden, dann könnte die Gefahr bestehen, gewissermaßen von „außen“ zu betrachten, was mit ihm geschehen ist. Die Erinnerung an den Exodus nimmt mich in das Geschehen hinein: Wir sind das Volk Gottes, wir sind gemeinsam unterwegs. Ich glaube, gerade die vierzig Jahre der Wüstenwanderung bekommen in unserer kirchlichen Zeit eine tiefere Bedeutung. Es geht nicht allein um das Überstehen von Durststrecken, sondern darum, dass das Volk Gottes auf dem Weg in die Freiheit ist. Gott begleitet sein Volk; das ist die Erfahrung Israels. Zugleich tut sich das Volk schwer, den Alltag der Knechtschaft in Ägypten und seine gewohnten Sicherheiten hinter sich zu lassen. Vierzig Jahre Wüste heißen auch, sich an Gott gewöhnen zu müssen und an das, was er mit dem Volk vorhat.

Jesus hat seinen Weg dem Ewigen Richter anvertraut. Die Angelegenheit der Diözese Gurk liegt nach der Visitation jetzt bei den kirchlichen Richtern in Rom. Haben Sie ein gutes Wort für diese Situation?
Steins: Wir erleben in dieser Diözese, aber auch andernorts besonders schmerzlich die Dauergefahr, der die Katholische Kirche ausgesetzt ist: Die starke Ausrichtung auf die Strukturen und das immer so sehr betonte Amtsverständnis schlagen jetzt gewissermaßen zurück. Hier könnte eine Erinnerung an Papst Johannes XXIII. weiterhelfen: „Giovanni, nimm dich nicht so wichtig!“ Das Konzil wollte an diesem Punkt ausgleichen; es hat die Würde aller Getauften betont. Eine größere Würde gibt es in der Kirche nicht. Jede Katholikin, jeder Katholik darf und kann (und sollte!) daher selbstbewusst auftreten: Wir sind Kirche! Wenn das Amt doch nach eigenem Selbstverständnis der Amtsträger immer ein Dienst am Volk Gottes ist – nur zu! Es ist Zeit, diese Theologie des Amtes endlich mit Leben zu füllen.

Kärnten wartet auf einen neuen Bischof, der der Heilung und dem positiven Weg in die Zukunft dienen soll. Welche Inspiration gibt das Alte Testament den Hirten des Volkes Gottes mit auf den Weg?
Ballhorn: Das Leitungsamt im Alten Testament ist mit dem Königtum verbunden: David, Salomo und ihre Nachfolger. Die Könige werden in der Bibel geradezu „heruntergestuft“: Ihre wichtigste Aufgabe ist es, in der Heiligen Schrift zu lesen, damit sie verstehen, was Gott will, nicht was sie wollen. Das ist nicht immer gelungen: König David war keine fleckenlose Persönlichkeit; er hat der Versuchung, seine königliche Macht für sich selbst zu gebrauchen, nicht widerstehen können. Aber gerade der David, wie er in den Psalmen dargestellt ist, ist zum Glaubensvorbild für die Jahrhunderte geworden: der königliche Gesalbte, der in der Not auf Gott vertraut, der seine Sünden bekennt, der im Alter sein Amt an Salomo abgibt und der mit seinem letzten eigenen Psalm im Psalter (Ps 145) Gott als König anerkennt. David ist Vorbild dafür, wie Leben im Gottvertrauen aussehen kann.
Und die Könige Israels sind – Gott sei Dank – immer wieder von Propheten daran erinnert worden, dass es nicht um sie, sondern um Gott und sein erwähltes Volk geht. So kann man im Alten Israel durchaus von einer geistlichen Ämterteilung sprechen: Die Propheten waren nicht einfach Privatleute, die sich eingemischt haben.

In Ihrem Buch „73 Ouvertüren. Die Buchanfänge der Bibel und ihre Botschaft“ betrachten Sie die Anfänge der 73 biblischen Bücher und erschließen deren Schatzkammern. Was können Sie uns in Kürze zu diesem Buch verraten?
Steins: Der große Erfolg dieses Buches hat uns selbst überrascht. Wir wollten die Bibel einmal von einer ungewohnten, aber eigentlich naheliegenden Seite aus betrachten: Bibel ist lesbar, einfach gute Literatur. Jedes Buch der Bibel ist eine eigene Welt für sich, hat eine ganz eigene Sprache und Farbe. Was passiert, wenn man sich neugierig lesend auf die Texte einlässt? „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ (Genesis); „Mit Küssen seines Mundes küsse er mich“ (Hohelied), „Liebt Gerechtigkeit!“ (Weisheit); „Was von Anfang an war, was wir mit unseren Augen gesehen haben, das schreiben wir euch“ (1. Johannesbrief). Da muss man doch gleich weiterlesen! Dann können sich ganze Welten auftun!

Interview: Georg Haab

Zur Person:
Egbert Ballhorn studierte Theologie und Chemie in Bonn, Wien und Jerusalem. Seit 2012 ist er Professor für Exegese und Theologie des Alten Testamentes am Institut für Katholische Theologie an der Technischen Universität Dortmund.
Georg Steins studierte Theologie und Philosophie an den Universitäten in Münster, Tübingen und Innsbruck. Seit 2002 ist er Professor für Biblische Theologie/Exegese des Alten Testamentes am Institut für Katholische Theologie der Universität Osnabrück und Mitglied der Forschungsstelle für Christlich-Jüdische Studien.

Buchtipp: Egbert Ballhorn, Georg Steins, Regina Wildgruber und Uta Zwingenberger (Hgg.): 73 Ouvertüren. Die Buchanfänge der Bibel und ihre Botschaft, gebunden, € 40,10. Erhältlich im Behelfsdienst des Seelsorgeamtes in Klagenfurt oder in Ihrer Buchhandlung.