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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Einfache Fragen und überraschende Antworten zu Israel

Der Theologe und Israel-Experte Wolfgang Sotill über sein jüngstes Buch mit Fragen von Israel-Reisenden und überraschenden Antworten zu: War Jesus ein Jude? Sind Juden intelligenter? oder zur Palästina-Problematik

Wolfgang Sotill und ein Blick auf Jerusalem (Fotomontage: Wikimedia CC0 und privat)
Wolfgang Sotill und ein Blick auf Jerusalem (Fotomontage: Wikimedia CC0 und privat)

Kürzlich ist Ihr Buch „40 Fragen zu Israel“ erschienen. Sie sind als Journalist und Reiseleiter viel in dieser Region unterwegs. Was hat Sie zu diesem Buch bewogen?
Sotill: Ich habe katholische Theologie in Graz und Jerusalem studiert. Meine Diplomarbeit habe ich über Juden im heutigen Israel geschrieben, die zur katholischen Kirche konvertieren. Dann habe ich als Journalist sehr viele Menschen interviewt, die in Israel leben und wirken oder eng mit der Region verbunden sind. Dazu gehören etwa der Schriftsteller Amos Oz, dann israelische Siedler in Palästina, ich habe mit Überlebenden des Holocaust gesprochen, aber auch mit dem palästinensischen Außenminister und anderen Politikern und Kirchenführern.

Haben sich diese 40 Fragen aus diesen Erfahrungen gespeist?
Sotill: Diese 40 Fragen kommen zum Großteil von Leuten, die mit mir als Reiseleiter in Israel waren. Viele Fragen kommen dann am Abend, wenn man mit einem gewissen Abstand auf den Tag zurückblickt.

Es fällt auf, dass Sie bei Ihren Antworten oft den Blickwinkel des katholischen Theologen verlassen und die Dinge aus jüdischer Sicht erklären. Warum dieser Perspektivenwechsel?
Sotill: Ich möchte schon betonen, dass ich als katholischer Theologe schreibe. Aber es gibt so viele Publikationen, die den katholischen Standpunkt erklären. Gerade wenn es um die Person des Jesus von Nazareth geht, halte ich es für interessant, einmal die jüdische Perspektive aufzuzeigen, die bei uns weitestgehend unbekannt ist. Ich will sie aber keinesfalls verteidigen, sondern einfach erklären.

Das Verhältnis des Judentums zu Jesus Christus nimmt einen größeren Teil des Buches ein. Wie lässt es sich – in aller Kürze – schildern?
Sotill: Auf die Frage: „War Jesus ein Jude?“, antworte ich mit einer kurzen Erzählung. Ich war mit einigen jüdischen Freunden in Jerusalem beisammen, und wir sprachen darüber, wer der berühmteste Jude ist. Am Ende einigten sich meine Freunde auf Einstein. Ich fragte dann: „Und was ist mit Jesus von Nazareth?“ Die Freunde sagten: „Jesus ist doch Christ.“ Aber Jesus war nie in einer Kirche und hat niemals das Kreuzzeichen gemacht. Noch am Kreuz rezitiert er den 22. Psalm in jüdischer Tradition. Er spricht nur den ersten Vers, meint damit aber den gesamten Psalm. Der Psalm ist eine wunderbare Lobpreisung aus der Tiefe eines verzweifelten Menschen. Das hat nichts mit Gottverlassenheit zu tun. Selbst in der schwersten Stunde denkt er noch an den Lobpreis Gottes. Also: Jesus war kein Christ – er war Christus.

Eine anderes Thema Ihres Buches ist die Palästina-Frage. Bei einer Israel-Reise wird man immer mit diesem Problem konfrontiert. Wie beurteilen Sie die Situation, die ja nach den Wahlen in Israel wieder besonders brisant ist?
Sotill: Das ist ein so schwieriges Thema, dass ich nur einen einzigen Aspekt herausgreife. Vergleichen Sie, wie die Westbank 1967 ausgesehen hat und was sie heute ist. Damals gab es keine Universität, heute sind es sechs. Die medizinische Infrastruktur ist fanstastisch. Zugegeben, vieles fehlt. Aber am besten reden Sie mit einem Araber in Jerusalem. Das sind keine voll berechtigten Israelis, haben aber alle Annehmlichkeiten des israelischen Sozialsystems. Ich glaube kaum, dass Sie einen finden, der gerne in einem künftigen Staat Palästina leben möchte. Aber ich gebe zu, dass Anhänger der radikalen Palästinenserorganisation Hamas anders denken.

Eine interessante Frage in Ihrem Buch ist ja auch: Sind Juden intelligenter als andere?
Sotill: Wenn wir die Statistiken anschauen, könnte man das annehmen. Weltweit machen die Juden 0,2 Promille der Bevölkerung aus, aber ein Drittel aller Nobelpreisträger sind Juden. Dennoch lautet die Antwort: Nein, Juden sind nicht intelligenter. Sie lehren und lernen aber anders als wir. Juden – auch Jüdinnen – haben schon vor 2000 Jahren von Kind auf lesen und schreiben gelernt. In Österreich wurde die allgemeine Schulpflicht erst im 18. Jahrhundert eingeführt und noch 100 Jahre lang nur sehr zögerlich durchgesetzt. Aber auch in der Auseinandersetzung mit dem Glauben gibt es wesentliche Unterschiede. Bis zum Zweiten Vatikanum haben wir Christen vorgefertigte Floskeln gelernt. Oft in Latein und kaum jemand wusste, was das heißt. Im Gegensatz dazu gibt es im Judentum keine fixen dogmatischen Glaubenswahrheiten, sondern auf jede Frage sieben mal sieben Antworten. So lernt man selbstständiges Denken und Argumentieren.

Wenn man sich die Bandbreite der Themen anschaut, stellt sich die Frage: Ist Ihr Buch eine gute Vorbereitung für eine Israel-Reise, ein Reiseführer vor Ort oder eher ein Buch für danach?
Sotill: Zunächst richtet sich das Buch an ein religiös interessiertes Publikum und muss gar nicht unmittelbar mit einer Israel-Reise verbunden sein. Andererseits hat das Buch ein so praktisches Format, dass man es auch auf Reisen mitnehmen kann. Ich meine aber, dass es gar nicht von vorne bis hinten gelesen werden muss. Vielmehr kann man die eine oder andere Frage herausgreifen, die einen gerade beschäftigt. Von daher ist es wahrscheinlich noch besser geeignet für die Nachbereitung einer Reise. Denn viele Fragen stellen sich einem erst, wenn man aus einer gewissen Distanz das Erlebte betrachtet.

Das Buch ist quasi ein Ergebnis Ihrer Führungen. Für wen machen Sie Reisen?
Sotill: Ich führe von klassischen Pilgergruppen bis hin zu politischen Gruppierungen, die an Religion zunächst kein Interesse haben. Aber eine Reise ins Heilige Land ist auch für religiös weniger Interessierte sehr emotional und wirft viele Fragen auf.

Interview: Gerald Heschl

Zur Person: Wolfgang Sotill, geboren 1956 in Bruck an der Mur, Studium der katholischen Theologie in Graz und Jerusalem (Mag. theol.), Diplomarbeit und Film über Judenchristen im heutigen Israel, zahlreiche Studien und Reiseleitungen sowie Vorträge über den Nahen Osten. Er ist Redakteur der „Kleinen Zeitung” in Graz und Landwirt. Infos zu Reisen unter: wolfgang.sotill@me.com

Buchtipp: Israel. 40 einfache Fragen. 40 überraschende Antworten. Verlag Styria, Preis: € 25,-