Einfach bei einfachen Menschen
Die Kleinen Schwestern Jesu in Klagenfurt - ein Abschiedsgespräch
Ende März verlassen die Kleinen Schwestern Jesu Kärnten. Sie hinterlassen eine Lücke genau dort, wo Papst Franziskus die Zukunft der Kirche verortet: als einfache Kirche bei den einfachen Menschen.


Nach knapp 30 Jahren verlassen die Kleinen Schwestern Kärnten. Wie blicken Sie auf diese Jahre zurück?
Sr. Brigitta: Wir dürfen mit viel Dankbarkeit zurückblicken und sagen: Es sind Früchte da. Wir merken, dass die Menschen vieles selber in die Hand nehmen, sich gegenseitig helfen, der Geist lebt weiter. Das ist für mich auch ein Glaubensakt, ob ich sagen kann: Die Zeit, die mir gegeben war, hat gestimmt, und alles weitere stimmt dann auch.
Sr. Monika-Miriam: Das Schwierigste war die Suche nach einer Entscheidung. Jetzt, wo es entschieden ist, ist es klar: Es ist wichtig, diesen Schritt zu tun, auch weil wir als Gemeinschaft älter werden. Jetzt gehen wir den Weg und bekommen so viel geschenkt von unseren Freunden und Nachbarn, dass es wie eine große Ernte ist. Vier Frauen haben hier begonnen und ein kleines Senfkorn gesetzt, und wie viele Freundschaften und Vernetzungen sind daraus entstanden! Das gibt Vertrauen. Wir dürfen getrost weitergehen, weil sich schon einer darum kümmert. Wir haben auch bei unseren Nachbarn gemerkt: Zuerst war nur die Trauer da, und jetzt kommt auch die Dankbarkeit, und sie sagen: Wir sind ja da, wir machen schon weiter.
Was bedeutet es für Sie, von Klagenfurt Abschied zu nehmen?
Sr. Brigitta: Abschied nehmen heißt: Vertrautes loslassen. Es sind die Menschen, die wir loslassen. Die vielen Freundschaften, die wir geschlossen haben, wo wir ein Stück des Weges miteinander gegangen sind, Freud und Leid geteilt haben, wir mit ihnen und sie mit uns.
Sr. Monika-Miriam: Was ist Heimat? Beheimatet-Sein ist, unter Menschen zu sein, sich zu kennen, sich zu mögen, sich auch zeigen zu können in seiner Schwäche, wo man auch schwierige Phasen miteinander durchlebt hat. Wobei das, was wir gelebt haben, ja nicht verloren ist. Es ist eingeschrieben in unsere Herzen. Aber man muss es zuerst einmal loslassen, das macht so ein komisches, flaues Gefühl der Leere, ein Chaos im Kopf, Verunsicherung. Dabei gehen wir ja geordnet, wir können alles abschließen, uns in Ruhe verabschieden. Menschen, die auf der Flucht sind, müssen alles hinter sich lassen, ohne etwas mitnehmen zu können.
Sie haben in einer einfachen Gemeindewohnung gewohnt, die Sie jetzt wieder aufgeben?
Sr. Brigitta: Wir sind zum Magistrat gegangen und haben uns abgemeldet – es wurde ohne Wimpernzucken angenommen, und der Nächstgereihte wird die Wohnung bekommen.
Sr. Monika-Miriam: Die Wohnung an sich hat schon sehr viel über uns ausgesagt, ohne dass man viel erklären musste: Sie ist klein und einfach, hat eine schmale Wendeltreppe, und unsere Tür geht direkt auf den Innenhof hinaus. Der Hof ist relativ eng, jeder sieht jeden, man kennt sich. Das kann auch mühsam sein, aber eigentlich ist es eine schöne Erfahrung, dass hier Beziehungen gelebt werden, zu denen Feste feiern ebenso gehört wie auch einmal streiten. Es ist immer wer da, der sich sorgt und kümmert.
Die Einfachheit ist Teil Ihres Ordens-Charismas?
Sr. Monika-Miriam: Ziel unserer Gemeinschaft ist ein Leben mitten in der Welt, und zwar in der Welt der Kleinen und derer, die eher weniger beachtet sind. Auch nicht, um für sie etwas zu tun, sondern um mit ihnen zu sein. Und darum, mitten drinnen ein Leben des Gebetes zu haben.
Sr. Brigitta: Unsere Nachbarn wissen, dass wir eine Kapelle haben, die für sie offen ist und in der wir auch für sie beten, wenn jemand krank ist oder es schwer hat.
Der Alltag ist der Ort der Gottesbegegnung.
Das heißt: Sie „missionieren“ nicht, sondern leben einfach Ihren Glauben in Gemeinschaft mitten in der „Wüste der Stadt“?
Sr. Monika-Miriam: In den vielen Jahren, in denen wir Schwestern in verschiedenen einfachen Arbeiten tätig waren, sind wir diesen Menschen nahe gekommen. Als die Arbeitssituation allgemein schwieriger geworden ist, war es auch für uns schwieriger, etwas zu finden. Und auch unser Alter: Mit dem Älterwerden gibt es weniger Möglichkeiten. Ich bin froh, mit den Roten-Nasen-Clowns eine Nische gefunden zu haben. Eine von uns war immer zu Hause, damit die Tür offen ist für die Nachbarn und Freunde. Auch dieses ganz einfache Leben teilen, ohne Job und die damit verbundene Anerkennung, gehört zu den Kleinen Schwestern. Wir tun dies, um damit zu zeigen: Auch das hat einen Wert. Der Alltag ist der Ort der Gottesbegegnung.
Gerade durch ihre „exotischen“ Arbeitsplätze haben viele Menschen in Kärnten die Kleinen Schwestern kennengelernt.
Sr. Brigitta: Die ersten vier Schwestern, Anita, Erika, Friederike und ich, haben in einer Großküche gearbeitet, in einer Fabrik für Uhrenarmbänder und in einer Putzkolonne. Monika Greti, die jetzt in einer Gemeinschaft in Ungarn ist, war bei Philips; Sabine war in einer Großwäscherei, sie bildet jetzt in Südfrankreich den Nachwuchs der Gemeinschaft aus. Waltraud war Verkäuferin in einem Supermarkt, Eva-Maria arbeitete in einer Pizzeria im Südpark. Maria-Lydia hat geputzt und Lebensmittel verkauft, Maria-Susanna war in einer pharmazeutischen Fabrik.
Welches besondere Erlebnis verbindet Sie mit Kärnten?
Sr. Brigitta: Ein schönes Erlebnis war ziemlich am Anfang, als wir gekommen sind und unsere Wohnung gefunden haben. Im Jahr darauf war das Hemma-Jubliäum, und wir waren als Gemeinschaft eingeladen, von uns zu erzählen. Das war spannend und schön, weil viele Delegierte aller Kärntner Pfarren eingeladen waren. Damit ist Kärnten für uns zusammengewachsen und viel näher gekommen. Wichtig war auch die Begegnung mit den Kärntner Slowenen. Diesen Kontakt haben wir von Anfang an gesucht, haben versucht, durch Kurse die Sprache zu lernen. Da war immer eine tiefe Begegnung und Herzlichkeit.
Sr. Monika-Miriam: Mir kommen zwei Dinge. Als ich hergekommen bin, war mein Immunsystem noch sehr schwach nach der langen Krankheit, ich musste noch mit Mundschutz gehen. Dieses Aufgenommen-Werden von unseren Nachbarn, ihr Verständnis, ihre Liebe waren für mich sehr stark, weil ich als Schwache gekommen bin, die von den anderen aufgenommen wird – nicht ich als die Starke, die ihnen etwas gibt. Das war für mich eine der stärksten Erfahrungen, wie auch unsere 25-Jahr-Feier vor nun fast fünf Jahren: Da war so viel Verbundenheit, so viel Miteinander, das war wie die Frucht unseres Da-Seins in diesen Jahren.
Wie geht es mit Ihnen persönlich und mit der Gemeinschaft weiter?
Sr. Brigitta: Auch als Ordensregion sind wir in einer Umbruchssituation. Ich gehe nach München, wo eine Gemeinschaft mit drei Schwestern ist, in ähnlichem Milieu wie hier in Klagenfurt.
Sr. Monika-Miriam: Ich werde ein Jahr nach Jerusalem gehen in unsere Gemeinschaft in der Via Dolorosa. Wir hoffen auch, dass wir in ein oder zwei Jahren irgendwo in Österreich wieder eine neue Gemeinschaft gründen können.
Interview: Georg Haab
Info:
Am Samstag, 12. März 2016, laden die Kleinen Schwestern um 11 Uhr zu einer Abschiedsmesse in die Pfarrkirche Klagenfurt/St. Ruprecht und anschließend zur Feier in den Pfarrsaal.
Zur Person:
Sr. Brigitta Sterl, geb. 1953 in Wien, war 1986-1988 in Klagenfurt und lebt nach Aufenthalten in Wien und Linz wieder seit 2002 wieder hier.
Sr. Monika-Miriam Wedenig, geb. 1963 in Feldkirchen, war nach ihrer Profess 1998 mehrere Jahre in Algerien und ist seit 2009 in Klagenfurt.