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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Eine Messe für Friede und Versöhnung

Am 18. April wird die Messe „Prayer Wheel“ von Karen Asatrian in St. Michael ob Bleiburg aufgeführt

Karen Asatrian komponierte eine Messe mit Elementen aus drei Weltreligionen. Mit dem Armenier sprach Gerald Heschl.

Der armenische Komponist Karen Asatrian im SONNTAG-Gespräch über den Völkermord an den Armeniern vor 100 Jahren und seine Versöhnungs-Messe “Prayer Wheel“ (© Foto: Nedelja)
Der armenische Komponist Karen Asatrian im SONNTAG-Gespräch über den Völkermord an den Armeniern vor 100 Jahren und seine Versöhnungs-Messe “Prayer Wheel“ (© Foto: Nedelja)
Der in Kärnten lebende Armenier Karen Asatrian (© Foto: nedelja)
Der in Kärnten lebende Armenier Karen Asatrian (© Foto: nedelja)

„Prayer Wheel“ lautet die Messe, die Sie geschrieben haben und die am 18. April um 19 Uhr in der Pfarrkirche St. Michael ob Bleiburg und am 19. April im Stift Ossiach aufgeführt wird. Ein Projekt, mit einer Fülle von Spannungsfeldern – auch dreier Religionen …
Asatrian: Die Messe heißt „Prayer Wheel“, was so viel bedeutet wie „Gebetsmühle“. Dieser Begriff kommt aus dem Buddhismus. Das ist die eine Weltreligion in diesem Werk. Dann klingt meine Messe sehr orientalisch. Armenien ist zwar ein altchristliches Land, aber es gibt viele arabische Einflüsse. Daher spielen auch Einflüsse des Islam eine Rolle. Die dritte Weltreligion in diesem Werk ist das Christentum. Ich verwende die Texte der lateinischen Liturgie.

Also drei Religionen in einer Harmonie vereint ...
Asatrian: Die Idee dahinter ist es, diese drei großen Religionen in einem Werk zusammenzubringen. Es soll damit das Gefühl vermittelt werden, dass die Menschen friedlich zusammenleben können. Die Zeit ist längst reif dafür, dass wir wieder stärker über die Dinge nachdenken, die uns tragen: Liebe und Respekt füreinander. Ich versuche, diese Dinge mit meinen Kompositionen zu stärken. Es ist sozusagen ein Gegenstück zu Krieg, Chaos und der allgegenwärtigen Gier.

Was war der Grund, dass Sie sich dazu entschlossen haben, eine Messe zu komponieren?
Asatrian: Der eigentliche Auslöser dafür war das Gedenkjahr 100 Jahre Genozid an den Armeniern, der 1915 von den Türken begangen wurde. Bei uns zu Hause ist das kein historisches Ereignis, sondern ständig ein Thema. Die Geschichte wird in Liedern und Erzählungen an die Kinder weitervermittelt. Das ist auch bei uns zu Hause so, obwohl meine Kinder in beiden Kulturen – der österreichischen und der armenischen – aufwachsen.

Wie weit ist Musik auch ein biografisches Stilmittel?
Asatrian: Die Musik, die ich komponiere, hat immer eine persönliche Geschichte dahinter. Alles, was ich erlebe, die ganze Energie, ob positiv oder negativ, versuche ich in meine Musik einzuarbeiten. Zur Zeit, als ich die Messe komponierte, erkrankte meine Nichte schwer. Sie ist aber gesund geworden. Da wurde mir auch bewusst, wie großartig Österreich ist. Vielen, die hier leben und aufgewachsen sind, ist gar nicht bewusst, wie sozial Österreich etwa mit seiner Krankenversorgung ist. So gesehen ist diese Messe auch eine Danksagung für die Gesundung meiner Nichte und an alle, die dabei geholfen haben. Vor allem an den Allmächtigen!

Welche Rolle spielt Gott in Ihrer Musik?
Asatrian: Ich danke Gott, dass es uns gibt. Nicht als Armenier oder Österreicher, sondern als Menschen. Wir machen ja ständig den gleichen Unsinn und sind an der Grenze, umzukippen. Dennoch finden wir wieder einen Weg zurück – dank Gott. Gleichzeitig drückt die Musik die Hoffnung aus, dass wir es schaffen, aus den aktuellen Krisen herauszufinden.

Sie sprachen vom Genozid an den Armeniern vor 100 Jahren: Wie lebt dieses Ereignis bei den Armeniern weiter?
Asatrian: Das größte Problem, das wir damit haben, ist die Tatsache, dass die Türkei diesen Genozid immer noch leugnet. Das hinterlässt die größte Wunde. Wir wollen kein Territorium zurückhaben und auch keine Entschädigungen. Die Menschen, die dies getan haben, leben längst nicht mehr, und man kann die nachfolgenden Generationen dafür nicht haftbar machen. Es geht uns einfach um Gerechtigkeit. Über solche Ereignisse wächst kein Gras. Man kann diese Geschehnisse nicht vergessen.

Wie sollte die Türkei damit umgehen?
Asatrian: Es geht darum, dass man sich klar macht, was passiert ist, um zu verhindern, dass so etwas wieder geschieht. Da gilt mein großes Kompliment Deutschland. Wie die mit der Geschichte und ihrer Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg umgehen, wie die der Jugend nahebringen, dass so etwas nie wieder geschehen soll, wäre auch vorbildlich für die Türkei. Das ständige Leugnen ist negativ, denn gerade die Jugend sollte erfahren, was da passiert ist. Sie ist ja schließlich die Zukunft.

Was kann man daraus lernen?
Asatrian: Der Genozid an den Armeniern geschah in einer Zeit, als sich die Türkei in einer tiefen Krise befand. Wenn ein Land oder seine Machthaber in einer Krise stecken, dann sucht man immer nach Schuldigen. Das sind meistens Ausländer oder Minderheiten. Wie sie vernichtet werden, geschieht immer auf die gleiche Weise: Zuerst wird die Elite verhaftet und ausgelöscht. Da sieht man deutliche Parallelen bei der Vernichtung der Armenier in der Türkei und der Juden in Deutschland. Was wir daraus lernen? Wir müssen genau aufpassen, weil wir uns momentan ebenfalls in einer Krise befinden. Da tauchen Politiker auf, die Schuldige suchen. Für die Türken hieß er Akopian (armenischer Vorname, Anm. d. Red.), für die Deutschen Isak und heute suchen wir die Schuld bei Ahmed. Wir müssen extrem aufpassen, dass wir diese furchtbaren Fehler nicht wiederholen.

Selbst angesichts der Gräuel eines IS sprechen Sie sich für eine differenzierte Betrachtung des Islam aus?
Asatrian: Auf jeden Fall! Wir haben in Europa ein Bild von Moslems, das ganz falsch ist. Wir müssen uns bewusst sein, dass nur eine Minderheit im Namen Allahs Verbrechen begeht. Aber in Europa wird der ganze Islam schlecht gemacht. Das stärkt die Extremisten und schadet jenen, die gemäßigt sind. Ich mache mir deswegen große Sorgen. Daher habe ich auch die Messe geschrieben, die Verständigung und Versöhnung fördern soll.