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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Eine Schicksalswahl für Europa

Der KAV lud zur ersten Konfrontation der Kärntner Spitzenkandidaten zur EU-Wahl

Kaiser, Wolf-Schöffmann, Voglauer, Reiner und Pirker (@Kronawetter)
Kaiser, Wolf-Schöffmann, Voglauer, Reiner und Pirker (@ Foto: Kronawetter)

Die EU-Wahlen vom 26. Mai 2019 werfen ihre Schatten voraus: Am 2. April fand im Diözesanhaus die erste Konfrontation der Kärntner Spitzenkandidaten statt. Eingeladen hatte der Katholische Akademikerverband.

Was da auf uns zukommt, sei nicht weniger als eine „Schicksalswahl für Europa“, stellte die Moderatorin Kathrin Stainer-Hämmerle gleich zu Beginn der Diskussion fest. Damit legte die Kärntner Politikwissenschafterin die Latte für die Teilnehmer hoch und forderte sie auch mit ihren Fragen zu den zentralen Themen dieser Wahl heraus.

Wer warum kandidiert

Luca Kaiser (SPÖ), Claudia Wolf-Schöffmann (ÖVP), Olga Voglauer (Grüne), Michael Reiner (FPÖ) und Christian Pirker (NEOS) durften zunächst darlegen, warum sie sich überhaupt der Wahl stellten – wenn auch die hinteren Listenplätze dafür garantieren, dass im nächsten EU-Parlament keine Kärntner vertreten sein werden. Dabei zeigte sich einmal mehr, dass sich vor allem die jungen Kandidaten der enormen Vorteile etwa der Grenzöffnung durchaus bewusst sind.

Vereinigte Staaten von Europa?

Im Grunde waren sich alle einig, dass die EU trotz ihres Reformbedarfs ein Erfolgsmodell ist. Die größte Diskrepanz gab es zwischen FPÖ und NEOS. Während die einen die Entscheidungen verstärkt auf die nationale Ebene bringen möchten, liegt das Ziel der NEOS bei den „Vereinigten Staaten von Europa“.

Die dringendsten Probleme

Auch bei der Frage nach den dringendsten Problemen aus Sicht der EU, gab es große Einigkeit. Weniger einig war man sich jedoch bei den Lösungsansätzen. Da überraschte schon der Schulterschluss von FP und Grünen in der Frage der EU-Agrarpolitik. Dass die bisherige Agrarpolitik mit dem Focus auf Großbetriebe in die Sackgasse führt, ist beiden bewusst. Um die Bauern und den ländlichen Raum zu stärken, braucht es ein Umdenken in Richtung klein struktierter Landwirtschaft und Förderung gesunder, regionaler Lebensmittel.

Differenzen bei den Lösungsansätzen

Groß waren hingegen die Differenzen bei der Frage der Migration. Luca Kaiser sieht eine Verantwortung der EU für die Flüchtlingswelle von 2015: „Wenn wir mit unseren Handelsverträgen die lokale Landwirtschaft zerstören und mit Waffenlieferungen Kriege fördern, dürfen wir uns nicht wundern, dass die Menschen ihre Heimat verlassen.“ Bei der VP-Vertreterin Wolf-Schöffmann stieß diese Argumentation auf Unverständnis: „Europa kann die Probleme Afrikas nicht im Alleingang lösen“, erklärte sie.

Beschämende Entwicklungshilfe

Dass man vor Ort aktiv werden sollte, betonte auch Reiner. Doch der FP-Mann denkt dabei weniger an humanitäre Hilfe, als an „Schutzzonen“ in den Krisengebieten. Dort sollten Asylgründe geprüft werden. Wie zu erwarten, erteilte die Grüne Voglauer diesen Ideen eine klare Absage. Sie setzt – ähnlich wie Kaiser – auf eine stärkere Entwicklungshilfe und geißelte die „beschämende Entwicklungspolitik Österreichs“. Sie verwies auf die zahlreichen Ehrenamtlichen, die sich für Caritas, Diakonie oder Rotes Kreuz 2015 in der Flüchtlingshilfe engagierten. Voglauer: „Unsere Würde und unsere Werte sollten zu mehr Solidarität in der EU führen. Wir brauchen ein Europa der Menschen und der Menschlichkeit.“

Thema Klimawandel

Klare Ansagen gab es auch in der Frage des Klimawandels. Es war schon etwas überraschend, dass ausgerechneter der Vertreter der liberalen NEOS als einziger für eine neue Steuer eintrat. Christian Pirker: „Wir müssen jetzt handeln. Daher braucht es eine CO2-Steuer analog zu Schweden, wo die Hauptverursacher des Klimawandels zur Kassa gebeten werden.“ Ähnlich radikal äußerte sich Luca Kaiser von der SPÖ. Er sieht den Klimawandel als „größte Katastrophe der Menschheitsgeschichte“ und fordert daher deutliche Maßnahmen seitens der Politik: „Totale Abkehr von fossilen Brennstoffen und Innovationen, um neue Energien noch besser nutzbar zu machen.“
Kaiser sprach von einer „komischen Welt“, in der Kinder und Jugendliche bei den Freitagsdemonstrationen Themen ansprechen, um die sich die Politik herumdrückt.

Mehrheitsprinzip statt Einstimmigkeit

Dass die EU bei all ihren Stärken aber auch dringend reformiert werden muss, sprachen alle fünf Kandidaten an. Einig waren sie sich darin, dass das bestehende Prinzip, dass Beschlüsse nur von allen Staaten gemeinsam beschlossen werden dürfen (Einstimmigkeitsprinzip) falsch sei. Vor allem in der Außenpolitik wünschen sie sich eine stärkere EU. Mehr EU wünschen sich Kaiser und Voglauer in Sozialfragen. Die EU sollte gemeinsame Mindeststandards beschließen, an die sich die Mitglieder zu halten hätten. Dem widersprachen Wolf-Schöffmann und Reiner massiv. Solche Standards würden die nationalen Budgets überlasten, argumentierten sie.

Wählen gehen!

Jedenfalls wünschen sich alle, dass die EU im Bewusstsein der Bevölkerung wieder stärker verankert ist. Zwar ist die Zahl der EU-Befürworter in letzter Zeit gestiegen, aber Stainer-Hämmerle appellierte an das Publikum: „Es ist egal, wen Sie wählen – aber gehen Sie zur Wahl!“