Eindrücke, Erwartungen und Wünsche an Papst Franziskus
Mit wenigen Gesten hat Jorge Mario Bergoglio die Herzen vieler Menschen für sich und die Kirche gewonnen.
Was erwarten sich die Menschen von Papst Franziskus? Eine Umfrage.


Johannes Biedermann
Dechant und Pfarrer in Althofen
Ich war über die Wahl eines Papstes aus einem anderen Kontinent überrascht. Reformen in europäischer Hinsicht erwarte ich mir nicht, wohl aber, dass er der Kirche ein anderes Gesicht geben wird: das Gesicht einer Kirche, die sich besonders der Armen zuwendet. Das ist Reform aus dem Herzen des Evangeliums.
Sr. Maria-Elisabeth Göttlicher OSU
Priorin der Ursulinen in Klagenfurt
Der erste Eindruck ist ein bleibender: bescheiden, sympathisch, gar nicht unsicher. Sein Gesicht ist entspannt, sein schlichtes „Guten Abend“ bisher ungehört aus dem Mund eines Papstes, der sich vorstellt. Mich beeindruckt die Bescheidenheit und die Demut: Er betet für seinen Vorgänger, und bevor er den Segen „Urbi et Orbi“ gibt, bittet er die jubelnde Menge, dass sie im Stillen ein Gebet für ihn sprechen möge, damit Gott ihn segne. Der Papst neigt sich tief, dass man beinahe das Herabkommen des Segens spüren kann. Das ist kein theatralischer Auftritt. Da spürt man das Herz eines Menschen, der sich der Bürde, die auf ihn wartet, bewusst ist.
Herbert Burgstaller
Dechant und Pfarrer in Villach
Bei dieser Papstwahl kam es zu einer regelrechten Kontinentalverschiebung: Durch die Wahl der Kardinäle wurde der jungen, aufblühenden Kirche in Lateinamerika massiv entsprochen. Der neue Papst ist ein Mann der Multidisziplinarität: Ursprünglich Naturwissenschafter, hat er sich den Geisteswissenschaften geöffnet, Theologie und Philosophie studiert. Intellektuelle Elite aufgrund seiner jesuitischen Ausbildung gepaart mit franziskanischer Spiritualität wird dieses Pontifikat prägen.
Wilfried Hude
Präsident der Katholischen Aktion Kärnten
Ich bin von der Wahl des Papstes begeistert. Er ist ein demütiger Mensch. Dass er mit öffentlichen Verkehrsmitteln fährt, ist ein schönes Zeichen. Ebenso begeistert mich seine Namenswahl. Dass er aus dem Süden kommt, bringt hoffentlich eine neue Sichtweise in die europäisch dominierte Kirche. Ich wünsche ihm die Unterstützung, die er braucht, und hoffe, dass er die Kirche nicht mehr herrschaftlich, sondern kollegial führt. Dies wird auch notwendig sein, um die nötigen Reformen in der Kurie durchzuführen. Vielleicht ist er wie Johannes XXIII. ein Papst, der ein neues Konzil einberuft und die Kirche insgesamt mutiger macht. In Lateinamerika ist man ja insgesamt eine größere Mitwirkung von Laien gewöhnt.
Gabriele Neuwirth
Verband katholischer Publizistinnen und Publizisten Österreichs
Medienleute dürfen sich vom neuen Papst Gegensätzliches erwarten: Viele gute Geschichten und eine belastete Kommunikation zwischen ihm und den Medien. Kardinal Bergoglio ist für ungewöhnliche, spontane Handlungen und kompromisslos harte Auseinandersetzungen bekannt – das bringt interessante Geschichten. Gleichzeitig besteht zwischen ihm und der betont liberalen Presse Argentiniens ein tiefes Zerwürfnis, das sich auf seine Wertschätzung journalistischer Arbeit negativ auswirken könnte.
Ernst Windbichler
Dechant und Pfarrer in Spittal
Die Wahl hat wohl alle überrascht. Auch der Name. Das alles zeugt von einem deutlichen und ehrlichen Bemühen, die Zeichen der Zeit zu erkennen. Die Erwartungen aber sind nahezu unmenschlich und unrealistisch. Man kann nur hoffen, dass Franziskus gute Verbündete bekommt. Er hat auf jeden Fall schon deutliche Zeichen für einen anderen Stil gesetzt und man kann gespannt sein, was noch alles kommt.
Jože Kopeinig
Rektor der Bildungshauses Sodalitas (Tainach)
Ich bin sehr froh über diesen neu-en Papst. Die Jesuiten gelten bei uns als Professoren, die sehr gescheit sind. In Südamerika habe ich sie selbst erlebt als Vorkämpfer für die Armen, die sich in sozialen Projekten engagieren. Die „Option für die Armen“ ist dem Papst auch daher ein echtes Herzensanliegen. Das freut mich seitens der MIVA ganz besonders, denn ich nehme an, dass bei ihm die Missionsanliegen stark verankert sind. Er ist einer, der auf Christus schaut, ein Freund Jesu, der zu den Menschen geht. Eine ganz wichtige Eigenschaft für einen Papst.
Henri Boulad SJ
Ägyptischer Jesuit und Autor
Papst Franziskus hat ein sympathisches Profil. Mehrere Dinge lassen mich seine Wahl als etwas Gutes betrachten: Er ist der erste Papst vom amerikanischen Kontinent, der erste Jesuit als Papst ebenfalls. Er ist ein Freund der Armen, und, was für mich wichtig ist in einer Welt der Ungerechtigkeiten, er wird für mehr Gerechtigkeit kämpfen. Gleichzeitig zeichnet er sich durch große Einfachheit und Bescheidenheit aus, so wie Franz von Assisi. Offensichtlich hat er diesen Namen als Symbol und Programm für sein Pontifikat gewählt. Er zeigt einen neuen Weg, den Weg der Armut: Die Kirche hat ihre Glaubwürdigkeit verloren, weil sie etwas anderes lebt, als sie predigt. Die Kirche möchte arm sein, aber kann es nicht. Wir sind zu reich an Häusern, an Beziehungen, reich an Institutionen, an Einfluss, an Bildung und Kultur.
Franziskus war auch Mystiker: Das ist eine Dimension, die der Kirche heute fehlt – sie ist zu institutionell, rationell, zu dogmatisch, zu moralistisch und administrativ. Und schließlich erinnert der Name Franziskus an den Dialog mit dem Islam, den er begonnen und den Johannes Paul II. mit dem Treffen in Assisi wiederaufgenommen hat.
Ein Bedenken habe ich: Papst Franziskus ist schon 76 Jahre alt und hat nur einen Lungenflügel. Er wird also ein Übergangspapst sein. Aber kann ein Übergangspapst eine umfassende Kirchenreform anpacken?
Markus Bugnyar
Rektor des Österreichischen Hospizes in Jerusalem
Ich glaube ernsthaft, dass die Kardinäle den richtigen Mann für unsere Zeit gefunden haben. Als Lateinamerikaner wird er uns eine neue Seite unserer Kirche zeigen. Und seine Frömmigkeit wird uns eine neue Seite des Petrusamtes zeigen..