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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Ein Fest, das die Menschen zusammenführt

Der Krappfelder Dechant und Pfarrer Lawrence Pinto über Weihnachten in seiner indischen Heimat

Wie feiert man Weihnachten auf der anderen Seite des Äquators, wo jetzt Sommer ist? Eine Reise in eine andere Kultur.

Der Krappfelder Dechant und Pfarrer Lawrence Pinto im SONNTAG-Interview über Weihnachten in seiner indischen Heimat (© Foto: SONNTAG / Georg Haab)
Der Krappfelder Dechant und Pfarrer Lawrence Pinto im SONNTAG-Interview über Weihnachten in seiner indischen Heimat (© Foto: SONNTAG / Georg Haab)
 (© Foto: Haab)
(© Foto: Haab)

Sie kommen aus Indien?
Pinto: Ich bin an der Westküste Indiens geboren, in Mangalore, nahe der ehemaligen portugiesischen Kolonie Goa – von daher auch mein Familienname, der portugiesisch klingt, und kulturelle Einflüsse. Auch Franzosen, Holländer und Engländer waren da. Alle haben im Land eine Prägung hinterlassen, die man auch in der Art und Weise spürt, wie wir Weihnachten feiern.

Wie wird Weihnachten in Ihrer Heimat gefeiert, wo jetzt die heißeste Jahreszeit ist?
Pinto: Indien ist groß, es ist ein Subkontinent. Im Himalaya-Gebiet gibt es auch Schnee, aber da sind wenige Christen. Bei mir zu Hause, in Goa, Kerala oder Bombay, wo die meisten Christen leben, hat es jetzt an die 40 Grad und gegen 100 Prozent Luftfeuchtigkeit. Echte Christbäume sind deshalb sehr schwer zu bekommen. Man schmückt Bananen- oder Mango-Bäume, die vor dem Haus stehen. Wer Geld hat, kauft einen Christbaum aus Plastik und schmückt ihn mit weißer Wolle oder Baumwolle.

Wie begehen Sie den Advent?
Pinto: Auf der kulinarischen Seite haben wir durch die Kolonialzeit viele Kuchen und Kekse europäischen Ursprungs: Plumcake, den englischen Pudding; holländische Rose-Cookies, portugiesische Lebkuchen. Die eigentliche Vorbereitung auf Weihnachten gestalten wir anders: Wir weißeln die Häuser neu, waschen und reinigen und putzen von Grund auf im Haus und drumherum. Dann werden die Häuser geschmückt mit farbigen Papierbändern, Luftballons, vielen schönen Sternen und festlicher Beleuchtung. Auf die Dächer stellt man Öl-Lampen aus Ton. Das ist wunderschön zum Anschauen. Nicht nur die Christen tun das, sondern auch die Moslems und die Hindus, man sieht keine Unterschiede. Alle feiern gemeinsam Weihnachten, alle bereiten sich gemeinsam darauf vor. Indien ist da multikulti: Die großen Festlichkeiten der drei Religionen werden gemeinsam gefeiert. Den ganzen Advent hindurch schreibt man einander Karten – nicht Mails, sondern selbstgemachte Karten  – und erneuert so die Freundschaft. Weihnachten führt die Menschen zusammen. In den Schulen üben die Kinder Krippenspiele und verbreiten so die Weihnachtsbotschaft, und es gibt Krippenbauwettbewerbe, an denen ganze Dörfer teilnehmen.

Wenn dann Weihnachten kommt ...
Pinto: Der 24. Dezember ist ein normaler Arbeitstag, ein Tag der Vorbereitung. Man isst kein Fleisch – in Indien essen wir überhaupt weniger Fleisch als in Österreich. Weihnachten selbst beginnt mit der Christmette, zu der alle, so verstreut sie auch wohnen, zusammenkommen; das ist ein Muss. Sie ist um Mitternacht und dauert sicher drei Stunden, bis frühmorgens. Von daher auch der Name Mis de Galo, der aus dem Portugiesischen kommt, „Hahnen-Messe“. Nach der Messe besucht man einander, auch Hindus und Moslems, tauscht Süßigkeiten und Kekse aus, alle Häuser sind offen.

Auch Hindus und Moslems?
Pinto: Eigentlich erstaunt es mich selbst, wir Christen sind in Indien ja nur zweieinhalb Prozent der Bevölkerung, Katholiken und Protestanten zusammen. Obwohl wir 35 Millionen sind, siebenmal mehr als die Christen in Österreich, aber Indien ist viel größer, es hat insgesamt 1,3 Milliarden Einwohner. Weihnachten ist wie ein Fest der einen Menschheit. Wenn die Inder miteinander feiern, legen sie alle Missverständnisse und Konflikte beiseite und feiern gemeinsam. Es gab schon blutige Konflikte zwischen Hindus und Moslems: Für die Hindus ist die Kuh heilig, und Moslems essen gerade Rindfleisch. Aber zu Weihnachten hören alle Feindlichkeiten auf, wir erleben Christus wirklich als Erlöser.

 

Jedes Herz, jede Seele soll Krippe des Herrn werden. Er möchte in unseren Herzen wohnen!

Feiern Sie wie wir typische Adventheilige, wie Barbara, Nikolaus oder Lucia?
Pinto: Nein, die haben wir nicht. Statt Nikolaus gibt es Santa Claus, aber das ist nicht das Gleiche, das ist der Weihnachtsmann. Dagegen haben wir eine starke Tradition des Carol Singings, des Weihnachts-Singens. Vom Christtag an gehen die Chöre der Pfarreien, die Jugend, die Jungscharkinder von Haus zu Haus und singen Weihnachtslieder, alle Tage bis zum 6. Jänner. Sie bringen die Weihnachtsbotschaft in alle Häuser. Dabei sammeln sie auch für die Armen und für bestimmte Projekte. Sternsingen dagegen kennen wir nicht.

Gibt es noch andere Höhepunkte in der Weihnachtszeit?
Pinto: Das Carol Singing ist ein solcher Höhepunkt. Da gibt es regelrechte Wettbewerbe der Chöre, auf Schul-Ebene, auf Pfarr-Ebene, auf Dorf-Ebene. Vor Weihnachten sind die Krippenbau-Wettbewerbe, nach Weihnachten das Weihnachts-Singen. Die Weihnachtszeit ist auch die Hochsaison für Hochzeiten, weil dann alle Verwandten da sind: Viele Inder arbeiten im Ausland, in Arabien, in islamischen Ländern, und kommen zu Weihnachten nach Hause.

Die Weihnachtszeit endet mit 6. Jänner; feiern Sie ihn auf eine besondere Art?
Pinto: Nein. Der 6. Jänner ist ein Arbeitstag, wir feiern ihn erst am darauffolgenden Sonntag, zusammen mit der Taufe des Herrn. Dann werden Krippen und Schmuck weggeräumt. Obwohl jedes Bundesland seine ganz eigene Kultur hat – es gibt 18 Sprachen bzw. Dialekte – ,feiern Weihnachten alle gleich, vom Schmuck über den Krippenbau bis zum Weihnachts-Singen.

Was fehlt Ihnen in Kärnten am meisten?
Pinto: Die vollen Kirchen. Und die innere Vorbereitung: Manchmal habe ich das Gefühl, dass sich die Menschen hier nur äußerlich auf das Fest vorbereiten. Beleuchtung usw. ist alles da, aber niemand kommt zum Beichtgespräch. Bei uns gehen vor Weihnachten alle zur Beichte, um sich selbst vorzubereiten, damit jedes Herz, jede Seele Krippe des Herrn werden kann. Er möchte in unserem Herzen wohnen! Nicht nur die Häuser, auch unsere Herzen und Seelen müssen wir schön machen.

Ihr Wunsch an die Leserinnen und Leser des „Sonntag“?
Pinto: Weihnachten ist ein Fest der Menschheit, ein Fest der Familie. Aber es gibt auch Menschen, die keine Familie haben und einsam leben. Es wäre schön, wenn jeder von uns
auch diesen Menschen Zeit schenken kann, sie besucht und auch ihnen Freude schenkt. Jesus ist gekommen, damit alle feiern können, damit jeder lachen kann.

Wie feiern Sie selbst Weihnachten?
Pinto: Ich bin wie der Weihnachtsmann, der einen Marathon von einer Messe zur nächsten rennt, und dabei selbst nicht dazu kommt, seinen Weihnachtsbaum aufzustellen. Wir Priester haben keine Frau und keine Kinder; aber wir freuen uns mit Euch, Eure Freude ist unsere Freude, und das gibt auch uns Kraft. Wenn alle zusammen an einem Tisch sitzen, miteinander glücklich sind und feiern, ist geteilte Freude doppelte Freude. Meine große Liebe, Mutter Teresa, hat gesagt: Familien, die zusammen beten, halten auch zusammen. Wenn wir nicht aufs Christkind vergessen, wenn wir daran denken, dass wir an Weihnachten den Geburtstag Jesu feiern, tun wir genau das.

Interview: Georg Haab

 

Zur Person:

Lawrence Pinto, geboren 1967 in Indien, Studium der Theologie, Philosophie und Geschichte in Indien. 1996 zum Priester geweiht, war er bis 2007 in verschiedenen Pfarren in Indien seelsorglich tätig und arbeitete 15 Jahre mit Mutter Teresa zusammen. 2007 kam Pinto in die Diözese Gurk. Seit Oktober 2016 ist er Pfarrer von Althofen, Guttaring, Kappel, Silberegg und St. Stefan, seit Dezember Dechant des Dekanates Krappfeld.