Die Familiengeschichte ist nur noch ein Klumpen Dreck
Sie sind nicht allein. Die Opfer der Überschwemmung in Lavamünd können auf die Hilfe von Mitmenschen bauen. von Ingeborg Jakl

Weinende Kinder, fassungslose Erwachsene, ein Ortskern, der unter Wasser steht und nur mit Booten zu erreichen ist. Fernsehbilder, die Julia Kastionig nicht mehr aus dem Kopf gingen. Die 16-jährige Schülerin aus St. Andrä ließ sich nach einer schlaflosen Nacht in der Schule beurlauben und von ihrer Mutter nach Lavamünd bringen. „Ich will mithelfen, aufzuräumen“, sagt sie. Mit Gummistiefeln, regendichter Jacke und Handschuhen steht sie im Garten der Familie Kupferschmied, oder besser gesagt, was davon übriggeblieben ist. Hier, wo einmal sorgfältig gepflegte Rabatten standen, liegt jetzt zentimeterdick ein graubrauner Schlamm, vermischt mit Holzplanken und Geröll, der auch die letzten Kohlköpfe komplett zugeschwemmt hat.
Kein Zuhause mehr
Die Freiwillige Feuerwehr steht mit Bagger und Räumungsgerät bereit, um die Schlammdecke abzutragen, das Wasser aus dem Keller zu pumpen und die Möbel aus der Wohnung zu holen. Christa und ihr Mann Bernhard stehen geschockt und sprachlos im ehemaligen Wohnzimmer, wo in einer Ecke die Legosteine von ihren Söhnen Manuel und Florian in einer dunklen Brühe schwimmen. „Die werde ich jetzt einzeln abwaschen“, erklärt Julia. Die Kinder sind derzeit bei einer Freundin untergebracht. Sie wissen noch nicht, dass ihr Zuhause nicht mehr bewohnbar ist, dass die meisten Spielsachen und Kleidungsstücke nicht mehr zu gebrauchen sind.Fortgeschwemmt oder vernichtet von der Gewalt des Wassers. Christa Kupferschmied inspiziert den völlig durchnässten Wohnzimmerkasten. Die Fotoalben, Dokumente und Papiere, alles nur noch ein Klumpen Dreck. „Das ist unsere Familiengeschichte, und die ist jetzt verloren“, sagt sie mit Tränen in den Augen. Nur die Gläser, die ganz oben standen, haben die Flutwelle, die sich über Haus und Garten ergoss, überstanden. „Die werde ich schnell noch einpacken, bevor hier alles rauskommt.“
In der Not zusammenrücken
Nebenan vor dem Häuserblock am Drauspitz stellt Erika Aichholzer einen großen Korb mit heißem Kaffee in Thermoskannen und selbstgebackenen Reindling ab. „Ich bin selbst nicht betroffen“, sagt sie. Aber sie will unbedingt einen Beitrag leisten und beginnt, an die Helferinnen und Helfer Kaffee auszuteilen. Währenddessen diskutiert Dechant Marko Lastro mit einem Helfertrupp aus den umliegenden Ortschaften, wo jetzt was zu tun ist. „Die Hilfsbereitschaft ist groß, sehr groß sogar“, sagt er und berichtet von den vielen ungenannten Helfern, die unaufgefordert einen Tag nach der großen Flutwelle in Lavamünd vor dem Pfarrhof standen, ausgerüstet mit Schaufeln und Eimern, um zu helfen. „In der Not rücken alle enger zusammen“, erklärt er. Da war weder ein Aufruf noch ein Appell notwendig. „Die Leute sind einfach gekommen, um den Betroffenen im Ort beizustehen.“ Jung und Alt aus ganz Kärnten packen mit an, haben aber auch Zeit, um zuzuhören und zu trösten.
Bei Bekannten
Trost braucht auch Annemarie Praprotnik. Die Erdgeschoßwohnung, die sie mit ihrem Mann Peter bewohnt hat, gleicht einem Schlachtfeld. Gerade hat die Feuerwehr die Elektrogeräte aus dem Fenster gehievt. Der Parkettboden wölbt sich, die Tapete hängt in Fetzen von der Wand. „Alles kaputt, alles verloren“, sagt Anni mit leiser, tränenerstickter Stimme. Sie und ihr Mann wurden von der Feuerwehr mit dem Boot aus dem Küchenfenster gerettet. „Im Hausflur stand schon meterhoch das Wasser. Wir konnten einen Koffer und einige Habseligkeiten im Plastiksackerl retten.“ Die erste Nacht nach der Flut haben beide bei Bekannten übernachtet, jetzt sind sie zu Nichte Andrea gezogen.
„Der Zusammenhalt in diesen Tagen ist unglaublich“, zollt Bürgermeister Herbert Hantinger seinen Gemeindebürgern Respekt. Bei ihm, der nächtelang durchgearbeitet hat, laufen alle Hilfsangebote zusammen. „Wir sammeln und koordinieren nach Bedarf“, betont er. Schnell und unbürokratisch. So sieht das auch Martin Mehringer. Der Postbusfahrer und Feuerwehrmann aus Wolfsberg hat sich frei genommen, um in Lavamünd die Kameraden zu unterstützen. In seiner Mittagspause teilt er an die übermüdeten Helfer Essen aus. „Das ist für mich selbstverständlich“, lässt er sich entlocken und ist im nächsten Augenblick – wie so viele – schon wieder im Einsatz.
Benefizkonzert
So sieht das auch die Kärntner Caritas, die in diesen Tagen mit Lebensmittelgutscheinen und warmer Kleidung aus dem Kleiderladen in Wolfsberg den betroffenen Familien vorerst weiterhilft. Die Pfarrgemeinde hat bereits ein Benefizkonzert am Donnerstag, dem 15. November, 19 Uhr, in der Pfarrkirche in Lavamünd organisiert. Aart Bergwerff an der Orgel und Cécile Prakken mit der Querflöte.
Die Gemeinde hat Konten für die Flutopfer eingerichtet:
Raika Lavamünd, Stichwort „Hochwaser“, Konto Nr. 38000, BLZ 39292 sowie
Kärntner Sparkasse AG, „Hochwasser Lavamünd“ Kto. Nr. 04400-958015,
BLZ 20706
Auch die Kärntner Caritas bittet um Spenden:
Kärntner Sparkasse
Kto. Nr. 0000-00 5587, BLZ 20706
Verwendungszweck: Hochwasser Lavamünd