Die Besinnung auf Gott zeigt uns, wie Leben gelingen kann
Matthias Beck im Gespräch mit Gerald Heschl über sein neues Buch "Leben - wie geht das?"

„Leben - wie geht das?“ ist der Titel Ihres jüngsten Buches. Wie schaut gelingendes Leben aus?
Beck: Das Leben, zumal gelingendes Leben, hat Phasen und Stufen, die biografisch ablaufen. Daher beginnt mein Buch auch mit der Zeugung des Lebens, die zunächst naturwissenschaftliche Fragen aufwirft, dann geht es um die Geburt und die psychologische Beziehung von Mutter und Kind. Je älter das Kind wird, desto mehr kommen die geistig-geistlichen Fragen hinzu. Eine Krise bildet die Pubertät, dann entstehen die Fragen, was eigentlich das Leben ist. Das Buch ist aufgebaut nach den Lebensphasen vom Beginn bis zum Ende und beschäftigt sich dabei auch mit den fundamentalen Fragen jedes Menschen in mehrdimensionaler Weise, also biologisch, psychologisch, theologisch und philosophisch.
Sie sind Theologe, Philosoph, Arzt und Naturwissenschafter. Gerade die Naturwissenschaft beschäftigt sich immer intensiver mit der Gottesfrage. Wann tritt Gott in das Leben des Menschen? Ist das seinem Wesen nach grundgelegt oder ausschließlich gesellschaftlich bedingt?
Beck: Es ist beides: Die Frage nach Gott ist im Menschen angelegt, sie ist schon im kleinen Kind da. Aber natürlich kommt das Kind in eine religiöse oder auch atheistische Prägung hinein. So wird die Frage des Kindes von einem Hindu anders beantwortet als von einem Christen in Wien. Mein Buch bewegt sich im christlichen Kontext, auch wenn es sich mit den allgemeinen Grundfragen des Menschen beschäftigt.
Die Fragen sind also universell, die Antworten sind dann kulturell bedingt . . .
Beck: Das ist eine These des Buches, dass die 10 grundlegenden Fragen des Menschen immer dieselben sind, z. B : Wie gelingt Leben, warum gibt es Leid auf der Welt, warum den Tod, was ist Krankheit, was ist Gesundheit, wie finde ich meinen richtigen Weg durchs Leben? Diese Fragen sind überall ähnlich und brechen schon bei Kindern auf. Im je unterschiedlichen Kontext werden sie unterschiedlich beantwortet. Das ist ein ständiges Wechselspiel zwischen dem, was im Menschen verankert ist und der Prägung durch das Umfeld.
Die Prägungen verändern sich. Sie zeigen das anhand der Wendepunkte des Lebens. Wie soll man mit diesen Grenzen umgehen?
Beck: Meine Grundforderung ist, dass es sich hier um eine Aufgabe der Eltern, der Kirche und auch der Gesellschaft handelt, den Menschen gerade in diesen Umbruchphasen beizustehen. Die Kinder finden noch intuitiv irgendwie zum Glauben. Das hört spätestens mit der Pubertät auf. Da brechen die herkömmlichen Strukturen auseinander, und es folgt die erste große Umbruchphase. In dieser Phase müssen wir den Menschen ganz besonders beistehen. Die Kirche tut dies mit dem Sakrament der Firmung, das den Menschen stärken soll. Aber ich glaube, da gibt es noch viel Nachholbedarf. Dieses Sakrament ist im Grunde ein Sakrament eines Seins-Überstiegs vom Innerweltlichen hinein in eine andere Dimension. Jesus bleibt mit 12 Jahren im Tempel, und die Eltern fragen ihn: Wie konntest du uns das antun? Und er antwortet: Wusstet ihr nicht, dass ich im Haus meines Vaters sein muss?
Ich halte die Lebensmitte für die zentrale Krise im Leben eines Menschen.
Was heißt das?
Beck: „Vater“ heißt im Aramäischen auch „Ursprung“. Der Mensch muss also über seine elterliche Herkunft hinaus zurückfinden zu seiner ursprünglichen Herkunft, und die liegt unserer Auffassung nach bei Gott. In dieser Phase, wo innerweltlich die Strukturen brechen, wo man das Umfeld, die Eltern, aber auch sich selbst nicht mehr richtig versteht, ist es wichtig, zu sehen, dass es eine andere Dimension gibt, die wir Gott nennen und auf die man sich verlassen kann.
Als große Krise bezeichnen Sie die Lebensmitte. Diese fehlt in ähnlichen Büchern. Was hat Sie zu diesem Zwischenschritt bewegt?
Beck: Ich halte diese Lebensmitte für die zentrale Krise des Menschen. Das kann man ja beobachten, wenn etwa Ehen, die 20 Jahre gehalten haben, auseinanderbrechen. In dieser Phase fehlt oft die geistliche Begleitung. Ich denke, dass die Bedeutung dieser Umbruchphase total unterschätzt wird. Schon Johannes Tauler hat im 14. Jahrhundert gesagt: In dieser Zeit wird dein Leben täglich 70 Mal durcheinandergewirbelt. In diesem Alter merkt der Mensch, dass er mehr ist als etwa nur die Mutter oder nur der Vater, wenn die Kinder plötzlich flügge werden. Der Mensch hat auch eine eigene, vor Gott zu verantwortende Berufung. In der Lebensmitte nehmen die Kräfte ab, das Immunsystem wird schwächer, Verdrängtes kommt an die Oberfläche. Dem muss sich der Mensch stellen. Viele fahren dann nach Asien oder suchen in der Esoterik Antworten, aber wir Christen haben gerade in diesen Fragen sehr viel zu bieten. Da ist es schade, dass hier mancher Schatz nicht gehoben ist und wir noch Nachholbedarf haben.
Für Wendepunkte hat die Kirche die Sakramente. Fehlt Ihnen eines für die Lebensmitte?
Beck: Ja, es fehlt ein Übergangssakrament für die Lebensmitte. Aber wir haben ja nicht nur die Sakramente, sondern viele Segensfeiern und -gebete. Wir brauchen ganz sicher eine gute geistliche Begleitung für die Lebensmitte. Wo dies geschieht, erlebt man oft, dass den Menschen etwas aufgeht und sie erkennen, dass ihnen auch das Christentum für ihr Leben etwas bringt. Auch das sind Umbrüche.
Sie haben schon erwähnt, dass diese Lebensmitte auch für Partnerschaften oft einen Umbruch, eine Problemzeit darstellt. Mir fällt auf, dass Sie dieses Thema in Ihrem Buch aber völlig ausgespart haben. Warum?
Beck: Ich habe dies bewusst als eigenes Kapitel ausgeklammert, da jede Beziehung anders und individuell ist. Ich schreibe es aber implizit in mehreren Kapiteln, dass der Mensch nur dann zu einer reifen Partnerschaft gelangt, wenn er sich mit religiösen Dingen auseinandersetzt und in Gott verankert ist. Eine Grundbedingung ist, dass der einzelne seinen tiefsten Grund in sich und in Gott findet, es mit sich selber aushält und nicht den anderen dazu benutzt, eigene Defizite oder Ängste auszugleichen. Eine Partnerschaft gelingt nur, wenn jeder für sich in Gott verankert ist und sucht, was der Wille Gottes ist. Ohne diese innere Anbindung wird der andere überfordert. Der Mensch ist endlich und kann den Absolutheitsanspruch seines Partners nie erfüllen. Daher muss man auch seine Erwartungshaltungen herunterschrauben, sonst wird die Freiheit des anderen behindert.
Wie würden Sie Ihr Buch charakterisieren? Ist es ein Ratgeber?
Beck: In gewissem Sinne ja. Aber nicht so oberflächlich wie: „Sorge dich nicht, lebe!“ Es ist der Versuch einer nüchternen Beschreibung des Lebens, auch mit seinen Krisen. Es ist ein Ratgeber in der Form, dass es Wege aufzeigt, wie das Leben gelingen kann. Beschrieben ist der Prozess des Lebens mit allen Schönheiten und Mühen. Daher ist es kein beschönigender Ratgeber, in dem man 10 Regeln für ein besseres Leben findet, sondern ein sehr realistisches Buch. Wie das Leben eben geht: Schritt für Schritt.
Zur Person:
Univ.-Prof. Mag. DDr. Matthias Beck, geb. 1956 in Hannover, studierte Pharmazie, Medizin, Philosophie und Theologie. Seit 2007 ao. Universitätsprofessor für Moraltheologie/Medizinethik an der Universität Wien. Er ist Mitglied der Österreichischen Bioethikkommission, im Beratergremium der Europäischen Bischöfe in Brüssel (COMECE), Sachverständiger im Deutschen Bundestag und Autor zahlreicher Bücher.
Leben – Wie geht das? Die Bedeutung der spirituellen Dimension an den Wendepunkten des Lebens,
Verlag Styria-Premium, 200 Seiten, 19,99 Euro