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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern

Ein Gespräch mit Veronika Karner über wärmende Erinnerungen, Lieder, die Gegensätze vereinen, und sich öffnende Horizonte

fotos: ana karner; pixabay/jplenio; montage: haab

Woher kommt Ihre Liebe zu Kirchen- und Chormusik?
Karner: Zur Musik bin ich durch meine Familie gekommen. Mein Vater leitet heute noch den Kirchenchor in meinem Heimatort Diex. Der Kirchenchor hat damals noch jeden Sonn- und Feiertag gesungen, ich war immer mit dabei. Mit zwölf Jahren habe ich angefangen Orgel zu lernen und habe dann bei den Messen gespielt. So hat sich mein Interesse immer weiterentwickelt. Das Chorsingen und -leiten hat bei mir großen Stellenwert, weil wir auch zu Hause viel gesungen haben. Es gab verschiedene Chöre, den Kulturverein. Im Kinderchor habe ich meine ersten Erfahrungen als Chorleiterin gemacht. So habe ich mich dann entschieden, die Musik weiterzuverfolgen. Mit dem Studium Kirchenmusik hat sich mir eine Welt eröffnet, die bis heute meine Neugier weckt und mich auf der Suche hält.

Offensichtlich waren Ihre musikalischen Erlebnisse als Kind und Jugendliche von sehr positiven Gefühlen begleitet?
Karner: Auf jeden Fall! Das war immer Teil unseres Alltags. Die Orgel war für mich ein sehr imposantes Instrument. Und außerdem: Als Kind wollte ich nie vorne stehen, und oben bei der Orgel brauche ich das auch nicht. Das war für mich der Weg in die Kirchenmusik, später dann das Chorsingen.

Was ist dieses Schöne am Chorsingen, das Sie erlebt haben und das Sie nun selbst als Chorleiterin weitergeben möchten?
Karner: Für mich ist Singen immer mit einem positiven Gefühl verbunden. Vor allem, wenn man es gemeinsam tut, mit Menschen, mit denen man sich gut versteht; in der Gemeinschaft profitiert jeder von jedem. Zusammenkommen, zusammen proben – das ist immer ein schönes Gefühl. Und die Erfahrung in der Kirchenmusik ist noch einmal schöner.

Kirchenmusik und Theologie geben beide für‘s konkrete Leben recht wenig her. Und trotzdem: Sie sagen, es habe Ihnen eine ganze Welt geöffnet?
Karner: Wenn man Kirchenmusik studiert, ist da die ganze Bandbreite vom Gregorianischen Choral bis zum Neuen Geistlichen Lied und Gospels. Man entdeckt immer wieder Neues, gleich, wie lange man studiert. Die Vielfalt, die ja uns Menschen ausmacht, ist auch da zu finden. Diese Bandbreite spiegelt sich auch in den Fächern, von Orgel über Stimmbildung bis zur Chorleitung und vom Kinderchor bis zum Profi-Ensemble. Es wird nie langweilig.

Manchmal heißt es: „Singen wir nur eine Strophe, sonst wird die Messe zu lang.“ Was bedeutet für Sie Musik im Gottesdienst?
Karner: Musik spielt für mich in der Liturgie eine sehr wichtige Rolle. Aber man muss sich bei der Auswahl der Musik intensiv mit den verwendeten Texten auseinandersetzen. Gute Musik dient sozusagen dem Wort, das ist ihr unmittelbarer Auftrag. Sie kann das Wort auf eine noch höhere Ebene weitervermitteln. Oder zu reflektieren, wie es der Antwortpsalm tut. Oder zu bestätigen, was in den liturgischen Texten gesagt wird. Musik ist ein essenzieller Teil der Liturgie, auch wenn sie oft als Glitzer verstanden wird.

Um bei den Texten zu bleiben: Was wäre ein Lied, dessen Text Sie heuer durch den Advent begleitet?
Karner: Ich bin zweisprachig aufgewachsen, entsprechend sind es auch zwei Lieder. Das erste erinnert mich an die Roraten in meiner Heimat: „Poslan z nebes je angel“, also die Erzählung aus dem Lukas-Evangelium, wie Maria durch den Engel Gabriel die Frohe Botschaft erhält. Es wurde immer am 8. Dezember gesungen, und in der Schulzeit konnte ich nur an diesem Tag zur Rorate. Wenn ich heute an diesem Feiertag in Graz mit der Franziskus-Kantorei gestalte, verbinde ich den Tag trotzdem immer noch mit diesem Lied.

Und das deutschsprachige Lied?
Karner: „Die Nacht ist vorgedrungen“, ein Lied mit Text von Jochen Klepper und Melodie von Johannes Petzold. Es ist für mich ein tiefes, ein sehr tröstendes Lied in dieser Zeit, gerade mit dem Chorsatz von Jürgen Essl. Jochen Klepper vereint im Text Gegensätze wie Tag und Nacht, die unüberwindbar erscheinen; das Kind in der Krippe als „Knecht“. Beim ersten Hören habe ich die Melodie als sehr kalt empfunden und etwas rau. Aber dieser Chorsatz – wie auch der Text – öffnet sich gegen Ende. Er kommt vom Zwei- ins Vierstimmige. Und der Text unterstreicht, dass wir nicht allein sind, sondern dass Gott mit uns auch im Dunkel ist. Das ist in der jetzigen dunklen Zeit eine sehr tröstende Zusage.

Gibt es Heiligengestalten oder Bräuche, die Sie durch den Advent begleiten?
Karner: In dem Sinn nicht. Wir haben immer beim Entzünden der Kerzen gebetet und gesungen – woher ja auch meine Liebe zur Musik kommt. Diesen Fixpunkt pflegen wir bis heute, und ich finde sehr schön, das nicht nur in der Kirche, sondern auch in der Familie zu praktizieren.

Sie haben am 9. Dezember in St. Egyden an der Drau mit einem Projektchor die „Missa Seraphika“ aufgeführt. Was war das für ein Projekt?
Karner: Das Projekt ist zusammen mit der Slowenischen Abteilung des Bischöflichen Seelsorgeamts entstanden. Im Februar haben wir diese Messe von Hugolin Sattner, einem slowenischen Komponisten, zu proben begonnen, und zwar die Orgelfassung. Sie wurde schon im Juni in Eberndorf und in Klagenfurt-St. Egid im Gottesdienst gesungen.
Im Frühjahr 2024 gibt es ein neues Projekt. Ich darf schon verraten: mit neuer Kirchenmusik. Ich freue mich schon auf die Proben! Wir werden die „Missa pro iuventute“ von Tine Bec einstudieren, die „Messe für die Jugend“ und für junggebliebene Sänger:innen. Die Proben beginnen im März. Wer mitsingen möchte, melde sich bitte bei Pavel Zablatnik in der Slowenischen Abteilung des Seelsorgeamts.

Interview: Georg Haab

Die Nacht ist vorgedrungen (Text: Jochen Klepper 1938; Melodie: Johannes Petzold 1939)

Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern. So sei nun Lob gesungen dem hellen Morgenstern. Auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein. Der Morgenstern bescheinet auch deine Angst und Pein.
Dem alle Engel dienen, wird nun ein Kind und Knecht. Gott selber ist erschienen zur Sühne für sein Recht. Wer schuldig ist auf Erden, verhüll nicht mehr sein Haupt. Er soll errettet werden, wenn er dem Kinde glaubt.
Die Nacht ist schon im Schwinden, macht euch zum Stalle auf. Ihr sollt das Heil dort finden, das aller Zeiten Lauf von Anfang an verkündet, seit eure Schuld geschah. Nun hat sich euch verbündet, den Gott selbst ausersah.
Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und -schuld. Doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld. Beglänzt von seinem Lichte hält euch kein Dunkel mehr; von Gottes Angesichte kam euch die Rettung her.
Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt. Als wollte er belohnen, so richtet er die Welt. Der sich den Erdkreis baute, der lässt den Sünder nicht. Wer hier dem Sohn vertraute, kommt dort aus dem
Gericht.

Video-Aufnahme des Liedes mit dem angesprochenen Chorsatz von Jürgen Essl

Zur Person: Veronika Karner BA, geb. 1996, studiert katholische Kirchenmusik in Graz mit den künstlerischen Fächern Orgel, Improvisation sowie Chor- und Orchesterdirigieren. Neben ihrer Tätigkeit als künstlerische Leiterin der Kantorei Mariahilf, der Franziskuskatorei und des Vokalensembles tonus in Graz ist sie freischaffende Kirchenmusikerin mit langjähriger Erfahrung in der Arbeit mit Kinderchören und Instrumentalensembles.