Organisation

Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Die Kirche tickt anders

Diözesanökonom Franz Lamprecht zieht im SONNTAG Bilanz über 16 Jahre als wirtschaftlicher Leiter der Diözese

“Die Kirche steht vor großen Herausforderungen“: der langjährige Finanzkammerdirektor Franz Lamprecht (Foto: Kronawetter)
"Die Kirche steht vor großen Herausforderungen": der langjährige Finanzkammerdirektor Franz Lamprecht (Foto: Kronawetter)

Nach 16 Jahren als Leiter der Finanzkammer der Diözese sind Sie nun in Pension. Was unterscheidet die Kirche von herkömmlichen Unternehmen?
Lamprecht: Die Kirche tickt anders. Hier spielt die menschliche Komponente eine besondere Rolle. Die Finanzen sind nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Wir sollen die kirchliche Arbeit so gut wie möglich finanziell sicherstellen.

Sie kommen ja ursprünglich aus dem Bankbereich. Wie schwierig war die Umstellung?
Lamprecht: Ich komme aus dem Bankenbereich, hatte aber auch die kaufmännische Leitung der Diakonie Waiern über, wo ich mit dem Sozialbereich zu tun hatte. Von daher war mein Anliegen, eine langfristige finanzielle Sicherstellung zu erreichen. Dafür ist es notwendig, neue Methoden und Instrumente der Unternehmensführung zu etablieren. Ich bereite finanzielle Entscheidungen vor und stelle entsprechende Berechnungen an. Wichtig ist auch, die Diözesanleitung laufend über die Entwicklungen der finanziellen Gebarung zu informieren. Dieser permanente Blick auf die Zahlen hat es ermöglicht, dass ich die Diözese in einem sehr soliden Zustand übergeben kann.

Kirche und Geld – das ist auch so ein „heißes Eisen“. Sie haben auf ethische Veranlagungen gesetzt.
Lamprecht: Hier hat Bischof Schwarz schon 2004 einen guten Weg eingeschlagen. Wir haben gezielt auf ethisches Veranlagen gesetzt – auch mit externen Überprüfungen. Damals waren wir und die Diözese Innsbruck federführend.

Sie wurden von Bischof Schwarz geholt und haben viel mit ihm umgesetzt. Wie haben Sie das letzte Jahr, das im Zeichen der Aufarbeitung stand, erlebt?
Lamprecht: Was die Diözese betrifft, so muss ich sagen, dass die Zusammenarbeit mit Bischof Schwarz absolut korrekt, vertrauensvoll und inspirierend war. Er hat darauf vertraut, dass ich das Wohl der Diözese im Auge habe. In der Diözese gibt es aber auch Gremien, in denen alle wichtigen wirtschaftlichen Fragen entschieden werden. Es gibt eine externe Wirtschaftsprüfung und ebenso eine Berichterstattung über das jeweilige Jahresergebnis. Im Bistum gab es das nicht.

Sie hatten keinerlei Einblick?
Lamprecht: Ich erinnere mich, dass ich ganz zu Beginn im Jahr 2003/04 einmal einen Einblick erhielt. Erst 2017 mit der Übernahme der Amtsgeschäfte durch Dompropst Engelbert Guggenberger haben wir dann die Gebarung und die Bilanzen des Bistums gesehen. Wir haben zuvor schon wahrgenommen, dass Bischof Schwarz in den letzten Jahren zunehmend auf Berater gehört hat, die ihm Dinge eingeflüstert haben, die wirtschaftlich oft nicht zu verantworten waren. Das merkten wir in der Diözese, im Bistum war das aber noch viel entscheidender. Es gab keine eigentliche Kontrolle – obwohl es ein Statut gab, das dem Wirtschaftsrat diese Rolle übertragen hätte. Aber der Rat war in die wesentlichen Entscheidungen nicht eingebunden.

Wie groß ist die Verantwortung, wenn man mit kirchlichem Geld wirtschaftet?
Lamprecht: Man muss damit wesentlich vorsichtiger umgehen, als wenn man Investitionen mit seinem eigenen Geld durchführt. Wir arbeiten mit uns anvertrautem Geld. Wir sind daher rechenschaftspflichtig. Das geht weit über das Wirtschaftliche hinaus. Wir sind moralisch rechenschaftspflichtig.

Was sollte man aus den vergangenen Ereignissen lernen?
Lamprecht: Dass auch ein Bistum, das Mensalgut des Bischofs, strengsten Kontrollen unterworfen sein muss. Am besten wird es der Aufsicht diözesaner Gremien unterstellt.

Demnächst werden die Austrittszahlen veröffentlicht. Es ist kein Geheimnis, dass sie in Kärnten besonders hoch sind. Worauf führen Sie das zurück?
Lamprecht: Es fällt auf, dass wir immer dann Spitzen bei den Austritten hatten, wenn Rom entschieden hat: die Visitation oder die Absetzung des Diözesanadministrators.
Wie kann es jetzt gelingen, Ausgetretene wiederzugewinnen?
Lamprecht: Die Menschen zweifeln an der Glaubwürdigkeit der Kirche. Jetzt geht es darum, dieses Vertrauen wiederzugewinnen. Da muss der Bischof eine glaubwürdige Linie verfolgen. Es geht um Ehrlichkeit, Transparenz, auch darum, mit den Menschen offen zu sprechen. Dafür braucht er natürlich auch die Unterstützung der Pfarren und aller kirchlichen Mitarbeiter. Man sollte zu den Menschen, die ausgetreten sind, hingehen und sie persönlich um die Rückkehr bitten.

Klingt leichter, als es in der Praxis wahrscheinlich ist ...
Lamprecht: Dort, wo Priester aktiv die Menschen ansprechen, die ausgetreten sind, gibt es relativ viele Rückkehrer in die Kirche. Im Schnitt hatten wir in den vergangenen Jahren etwa 3000 Austritte, aber auch 400 Rückkehrer, die der Kirche wieder ihr Vertrauen schenken. Man muss ja auch sehen, dass insgesamt die Unsicherheit wächst. Ob das der Klimawandel ist oder andere gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen: Viele Menschen fragen sich, wie es weitergeht. Da hat die Kirche etwas anzubieten.

Als Austrittsgrund wird immer wieder der Kirchenbeitrag genannt. Wie wird dieser verwendet?
Lamprecht: Man kann sagen, dass fast 100 Prozent des Beitrages in die Seelsorge gehen. Damit werden Priester, Laien und die Aufwendungen in den Pfarren finanziert. Der Kirchenbeitrag ist der Garant dafür, dass wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, die in der Verkündigung, in der Seelsorge und in der pfarrlichen Arbeit aktiv bei den Menschen sind.

Welche großen Herausforderungen für die Zukunft sehen Sie?
Lamprecht: Zunächst müssen wir das Vertrauen der Menschen wiedergewinnen. Es werden aber in Zukunft die finanziellen Möglichkeiten sinken. Das hängt auch mit der demographischen Entwicklung zusammen. Ich sehe auch mit Sorge die Entvölkerung der Täler und die Abwanderung in die Städte. Es wird eine pastorale Herausforderung, wie wir diese Menschen in der Stadt erreichen. Dazu kommt, dass die Zahl der Priesterweihen dramatisch zurückgegangen ist. Wir versuchen, dies durch ausländische Priester zu ersetzen. Derzeit sind 42 Prozent der aktiven Priester Ausländer. Dieser Prozentsatz wird bis 2030 auf über 60 Prozent steigen. Man muss also fragen, wie lange das noch geht. Dafür braucht es neue Lösungen. Das heißt, Laien mit Aufgaben zu betrauen, die heute noch Priestern vorbehalten sind. Rom wird nicht darum herumkommen, diesen Männern und Frauen den Zugang zu Weiheämtern zu eröffnen. Man muss schon sehen, dass Amazonien gar nicht so weit weg von uns ist. Die allergrößte Herausforderung ist aber: Wie gelingt es uns, die Jugend oder junge Erwachsene anzusprechen? Diese können mit der Kirche gar nichts mehr anfangen. Daher muss sich noch viel ändern. Wir müssen uns fragen, ob unsere Angebote für diese Menschen die richtigen sind. Da sind wir alle gefordert!