Organisation

Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Die Kirche Kärntens soll pfingstlich und adventlich sein ...

SONNTAG-Gespräch mit der scheidenden Seelsorgeamtsleiterin Anna Hennersperger

Dr.in Anna Hennersperger (Foto: Haab)
Dr.in Anna Hennersperger (Foto: Haab)

Sie sind von Bayern nach Kärnten gekommen. Wie haben Sie den Wechsel erlebt?
Hennersperger: Kärnten war für mich wirklich Neuland, weil ich es zuvor nicht kannte. Ich bin bezaubert vom Land und den Menschen. Das betrifft auch die christliche Geschichte des Landes. Am Hemmaberg verschlägt es einem fast den Atem vor den uralten Zeugnissen des Christentums. Auch die 1000 Kirchen prägen das Bild im Land gewaltig. Dazu die Seen, die Berge, die anrührend schöne Landschaft mit ihrem ganz eigenen Charme. Für mich war die Zeit in Kärnten eine wirkliche Horizonterweiterung.

Bayern ist ein urkatholisches Land. Wie haben Sie die Kirche in Kärnten erlebt?
Hennersperger: Vor allem durch die vielen engagierten Frauen und Männer, die sich um das Leben hier annehmen. Irritierend war für mich die geringe Zahl der Gottesdienst-Mitfeiernden. Dass die Eucharistiefeier für viele nicht als Mittelpunkt erlebt wird, aus dem man Kraft schöpft, ist schade. Das kenne ich von Bayern ganz anders. Aber Kirche in Kärnten ist Kirchtag, ist Fleischweihe. Religion ist hier sehr stark mit Tradition verbunden.

Wie haben Sie die Zweisprachigkeit erlebt?
Hennersperger: Ich meine, die Zweisprachigkeit ist ein ganz besonderes Geschenk. Überrascht hat mich, wie viel Geschichte hier mitspielt. Das Eis ist noch immer sehr dünn – und manchmal kracht es. Aber die Kirche hat diesbezüglich eine ganz wichtige Rolle gespielt. Die zweisprachigen Gottesdienste waren für mich eine sehr positive Erfahrung. Die slowenische Volksgruppe ist in der Ausformung ihres Glaubens inniger. Es ist eine ganz eigene Spiritualität, die einen berührt. Es ist gut, dass dies Platz hat und einen hohen Stellenwert genießt.

Ein Unterschied zwischen Bayern und Kärnten dürfte auch die gelebte Ökumene bei uns sein ...
Hennersperger: Ich bin in einer Diözese aufgewachsen, in der es kaum Protestanten gibt. Von daher war die Ökumene in Kärnten für mich neu. Ich habe dies sehr geschwisterlich erlebt. Es gibt hier in Kärnten einen guten Dialog auf Augenhöhe.

Sie sind als Direktorin des Seelsorgeamtes nach Kärnten gekommen. Welches Bild von dieser Institution haben Sie?
Hennersperger: Für mich ist das Seelsorgeamt zunächst ein Dienstleister für die Pfarren. Die Referate oder die Gliederungen der Katholischen Aktion unterstützen und ergänzen das Angebot der Pfarren. Ich sehe das Seelsorgeamt auch als Kompetenzzentrum. Das hat gerade die Corona-Zeit gezeigt, in der es viele innovative Aktionen gegeben hat.

Was ist besonders gelungen?
Hennersperger: Meine Vision war, dass im Haus stärker miteinander gearbeitet wird, als ich es am Anfang erlebt habe. Deswegen haben wir neue Strukturen entwickelt, die dies ermöglichen. Es geht um ein Miteinander statt Konkurrenz. Es geht darum, dass das Evangelium in diesem Land Raum hat, dass die Menschen das Evangelium in zeitgemäßer Form leben können. Da ist schon noch einiges möglich. Ich glaube, man sollte auch mehr ausprobieren. Etwa neue Orte von Kirche zu sehen.

Was heißt das konkret?
Hennersperger: In dieser Diözese ist schon viel auf das Pfarrliche bezogen: Kirche ist Pfarre. Aber das, was das Bildungswerk und viele andere machen, ist genauso Kirche. Denn Kirche geht weit über Pfarre hinaus. Sie muss die Lebensfragen der Menschen betreffen. Ich hätte mir gewünscht, dass das Seelsorgeamt in vielen Bereichen eine Art Innovationslabor ist, in dem man Akzente für die Kirche der Zukunft setzen kann. Diese Lust am Neuen – da braucht es noch Mut.

Wäre das auch eine Chance, Suchende, Kirchenferne anzusprechen?
Hennersperger: Natürlich müssen wir wachsen wollen. Einen sterbenden Betrieb abzuwickeln, wäre mir zu wenig. Letztlich geht es darum, wie das Evangelium hier im Land Gestalt annimmt. Da müssen wir auch überlegen, welche Formate es braucht, damit Menschen einen Zugang zum Glauben und zum Evangelium finden. Ich denke da an Orte, wo die Kirche eine neue Gestalt gewinnt. Etwa die Krankenhausseelsorge. Dass Menschen heil werden, hat nicht nur mit der körperlichen Unversehrtheit zu tun.

Es gibt ja österreichweit gesehen sehr unterschiedliche Seelsorge-Konzepte. Ist der Kärntner Weg, alle Pfarren aufrechtzuerhalten, der richtige?
Hennersperger: Ich meine schon, dass die kleinen Einheiten eine Zukunft haben. Man kann aber nicht einfach alle Aufgaben Ehrenamtlichen überlassen, weil wir zu wenige Priester haben. Die Menschen brauchen entsprechende Unterstützung, damit sie nicht überfordert werden. Ich bin aber schon auch für den Blick über das Dorf hinaus, etwa in Form von Pfarrverbänden. So ist es sinnvoll, die Firmvorbereitung in einem größeren Pfarrverband zu organisieren. Mit 20 oder mehr Jugendlichen lässt sich anderes machen, als nur mit drei oder vier. In Klagenfurt oder Villach gibt es Ansätze einer engeren Zusammenarbeit der Pfarren. Das ist spannend und die Leute sind gerade in der Stadt mobil.

Verstehen Sie die Sehnsucht der Pfarren nach dem eigenen Pfarrer?
Hennersperger: Ich habe den Eindruck, dass der Klerikalismus gerade in Kärnten sehr dominant ist. Ich meine damit den Klerikalismus von beiden Seiten – auch von den Laien. Das Bild, dass man nur eine Pfarre ist, wenn es vor Ort einen Pfarrer gibt, ist doch ein uraltes Konzept. Pfarre ist dort, wo man sich einander annimmt. Mich wundert, dass man hier unbedingt einen Pfarrer braucht, dann aber doch nicht zur Eucharistiefeier geht. Wenn man den Pfarrer nur für den Kirchtag oder zur Behübschung traditioneller Feste braucht, greift das zu kurz. Vielleicht hängt mit diesem traditionellen Bild zusammen, dass echte Aufbruchsimpulse wenig vorhanden sind.

Ist das II. Vatikanische Konzil also in Kärnten noch nicht angekommen?
Hennersperger: Sagen wir so: Es ist noch Luft nach oben im Bewusstsein des Volkes Gottes. Ich hege aber die Hoffnung, dass die Corona-Zeit einiges geändert hat. Die vorsichtige Frage vieler, ob man die Speisen selbst segnen darf, wurde eindeutig beantwortet. Viele haben sich auch aktiv um ihre Mitmenschen gekümmert, sind ihnen nachgegangen. So stelle ich mir die Kirche vor.

Was wünschen Sie der Kirche Kärntens für die Zukunft?
Hennersperger: Dass sich die Menschen mit ihren großen Lebensfragen in ihr aufgehoben fühlen. Ich wünsche der Kirche in Kärnten, dass sie eine pfingstliche Kirche bleibt und in vielen Sprachen das Wort Gottes hört und verkündet. Ich wünsche der Kirche von Kärnten auch, dass sie eine adventliche Kirche bleibt, die Gott und die Sakramente nicht verwaltet, sondern sich von Gott etwas erwartet. Dass ER da ist, verkündet wird und seine Botschaft gelebt wird.