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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Der Weihnachtsaltar von Werner Berg

Eine theologische Erläuterung von Klaus Einspieler

Die Heilige Familie steht im Zentrum des Flügelaltars, den der Bleiburger Maler Werner Berg 1933 gemalt hat. Zu sehen ist er heute im Werner-Berg-Museum in Bleiburg/Pliberk.

Der Altar von Werner Berg (© Foto: Werner Berg Museum)
Der Altar von Werner Berg (© Foto: Werner Berg Museum)

Ein Weihnachtsbild?
Das mag man sich nach dem ersten Hinsehen fragen.
Wo ist die Krippe?
Kein Engelsgesang!
Und auch keine Hirten.
Die Weihnachtszeit erschöpft sich jedoch nicht in der Feier der Geburt des Herrn.

Sie umschließt einen Kranz von Festen – von der Geburt Christi bis zu seiner Taufe am Beginn des öffentlichen Wirkens.
Im Laufe der Achttagefeier der Geburt Christi begehen wir auch das Fest der Heiligen Familie.
Darum geht es in diesem Bild.

Josef und Maria – gezeichnet von der Last und Mühe des Alltags.
Keine junge, liebevolle Madonna, sondern eine Frau, deren Blick ins Leere geht.
Ihre rechte Hand ist etwas unbeholfen ausgestreckt.
Will sie das Kind segnen?
Es festhalten oder loslassen?

Die Eltern bilden den Hintergrund.
Sie wirken statisch, wie unsere Kindheitserfahrungen, die uns geprägt haben.
Unsere Aufmerksamkeit aber wendet sich immer mehr dem Kind, der Gegenwart, zu.
Es blickt uns an und lädt uns ein, bei ihm zu verweilen.

Die Hände des Kindes sind ausgespannt – zur Umarmung der Betrachterinnen und Betrachter?
Oder zum Gebet – in Orantenhaltung, gleich einem Priester in seiner weißen Albe?
Wir müssen uns entscheiden.
Welche Bedeutung wollen wir diesem Kind geben?
Trauen wir ihm zu, Brückenbauer zwischen der irdischen und der himmlischen Welt zu sein?

Die ausgespannten Hände bilden mit dem kindlichen Körper die Form des Kreuzes.
Unbeabsichtigt – oder liegt darin bereits ein Hinweis auf seine Berufung verborgen?

Der Evangelist Matthäus lässt von Beginn an keinen Zweifel daran.
Schon vor der Geburt Jesu teilt der Engel Josef mit, was Sendung des verheißenen Emmanuel ist.
Er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen (Mt 1,21).
Und im Lukasevangelium prophezeit der greise Simeon, das Kind werde zum Zeichen des Widerspruchs werden. Ein Schwert wird Maria durch die Seele dringen (Lk 2,34-35).

Blickt die Mutter dem Kind deshalb nicht ins Angesicht?
Kann sie die Perspektive des Kreuzes und der Ablehnung noch nicht ertragen?

Doch das Bild bleibt nicht beim Kreuz stehen.
Das Gewand des Kindes ist auffallend rein und weiß.
In ihm strahlt ein übernatürliches Licht.
Ist es etwa das Gewand der Verklärung auf dem Berg Tabor, das bereits die Auferstehung und
Vollendung in den Blick nimmt?

Nicht nur Krippe und Kreuz,
auch die Geburtshöhle und das leere Grab Christi bilden eine Achse.
Wie das Holz der Krippe und des Kreuzes für die Bitterkeit und Armut menschlichen Daseins stehen, so bergen das Dunkel der Geburtsgrotte und der Grabkammer das große Geheimnis des Lebens.

Weihnachtsbild – Passionsbild – Osterbild.
Werner Berg lädt uns ein, zu überprüfen, wo wir stehen.
Von jedem dieser Punkte finden wir einen Zugang zu Jesus Christus.
Er will uns nahe sein und zum Geheimnis unseres Lebens führen.