Der ORF produziert und vermittelt Werte
Stiftungsrat Franz Küberl zum Thema Kirche und ORF
Der Caritas-Präsident ist Vertreter der Kirchen und Religionsgemeinschaften im ORF-Stiftungsrat


Sie sind im obersten Gremium des ORF, im Stiftungsrat, als Vertreter der Kirchen und Religionsgemeinschaften. Was sind Ihre Aufgaben?
Küberl: Zunächst bin ich ja von der Bischofskonferenz in den Publikumsrat entsandt und einer der sechs Publikumsräte, die in den Stiftungsrat gewählt wurden. Ein Stiftungsrat hat die Aufgabe, darauf zu achten, dass das Unternehmen ORF seinen Zielsetzungen gerecht wird. Ein Stiftungsrat macht ja kein Programm, aber er soll den ORF schon auch in Fragen der Inhalte beflügeln. Es geht um die Frage, in welcher Art und Weise über Programme, über Grundlinien debattiert wird.
Sehen Sie sich da auch als Werte-Vermittler?
Küberl: Ich bin natürlich bemüht, Dinge zu benennen und zu unterstreichen. Aber es wäre entsetzlich, wäre der Küberl der einzige, der sich mit Werten und Wertefragen im ORF auseinander setzt. Der ORF selbst ist ja ein sehr großer Wertetransporteur. Es gibt viele Sendungen, die eine beachtliche Wertkapazität haben.
Aber viele kritisieren, dass diese Sendungen zu nachtschlafender Stunde unter Ausschluss der Öffentlichkeit gesendet werden.
Küberl: Man muss aufpassen, dass man Wertefragen nicht auf bestimmte Sendungen reduziert. Ich sehe auch, dass der ORF etwa in der Weise, wie über jemanden berichtet wird, ein Werteproduzent ist. Ich denke auch an die simple Frage bei der Licht-ins-Dunkel-Werbung: „Ist da jemand?“ Das halte ich offen gesagt ganz abseits vom Spendensammeln für eine ungeheure Botschaft. Der ORF vermittelt an vielen Punkten Botschaften. Die Frage ist nur, ob es uns immer bewusst ist.
Nun, wenn ich mir das Programm von ORF 1 anschaue, muss ich die Werte schon unter dem Mikroskop suchen.
Küberl: Ich weiß und ich halte es für eine Schwachstelle des ORF. Das kommt oft daher, dass er, um einen guten Film zu bekommen, im Paket auch eine Menge Ramsch kauft. Hier stellt sich die Frage, ob man nicht auf manches verzichtet. Wenn es um Gewalt geht, könnte ich mir auch eine andere Präsentation vorstellen – etwa durch Erklärung und Debatte könnte man aus manchem Ramsch etwas machen.
Eine echte Vorzeige-Produktion ist „Kreuz und Quer“. Ließe sich dieses Erfolgskonzept nicht noch ausweiten?
Küberl: „Kreuz und Quer“ ist in Wirklichkeit eine Art Vorbild für diesen Sendetyp geworden. Das ist eine Jahrhundertleistung. Die Sendung hat es geschafft, Konfessionsengen zu sprengen. Bei „Kreuz und Quer“ wird niemand vermuten, es sei eine Art Verkündigungsmaschinerie von irgendjemandem. Diese Form und auch Herausforderung, Religiosität zu beschreiben, halte ich für enorm wichtig und in diesem Fall für gelungen.
Dennoch erfolgt die Ausstrahlung sehr spät. Ist Religion für einen quotenorientierten Sender kein Thema mehr?
Küberl: Alle Kirchen und Religionsgemeinschaften sind enttäuscht, wenn sie meinen, sie könnten ihre Botschaft im ORF multiplizieren. Das gelingt nicht, weil man auch da nur seine eigenen Anhänger erreicht. Aber wenn Oberrabbiner Eisenberg im Radio über den jiddischen Witz redet, dann schwingen auch ein Glaubensverständnis und ein Menschenbild mit, die weit über Mitglieder der Kultusgemeinde hinaus Faszination ausüben. Das gilt genauso für einen Pater Sporschill. Wenn Leute etwas Konkretes tun, dann springt das auf andere über.
Wenn man vom ORF redet, redet man meist vom Fernsehen. Das Radio bietet ein hervorragendes Programm.
Küberl: Absolut. Ein Juwel sind die Gottesdienstübertragungen am Sonntagvormittag, die mehrere 100.000 Menschen hören. Diese müssen eigentlich zur Zahl der Kirchenbesucher hinzugezählt werden.
Die Caritas, so hat man das Gefühl, kommt – nicht nur im ORF – sehr gut rüber. Gibt es da ein besonderes Rezept in puncto Kommunikation?
Küberl: Die Kirche ist immer dort stark, wo der Mensch der Weg der Kirche ist. Die zentralen Fragen sind: Wie steht man Menschen in ihrer Unvollkommenheit bei? Wie kann man ihnen helfen, dass sie auf der Bahn des Lebens wieder gut gehen können? Das ist ein unerschöpfliches Aufgabengebiet.
Wie fühlt man sich als Caritas-Verantwortlicher eigentlich in einem so hochpolitischen Umfeld?
Küberl: Man kann viel lernen. Ich bin bei keiner Fraktion. Es gibt niemanden, der mir Verhaltensweisen vorschreibt. Es wäre wichtig, dass auch die Kollegen im Stiftungsrat alle Anzeichen, dass da einer am Faden hinge und jemand anderer daran ziehe, vermeiden. Alle, die im ORF Verantwortung tragen, sollten in der Lage sein, mit politischen Anforderungen klug und distanziert umzugehen. Landeshauptleute, Klubobleute etc. aber sollen ihren Kandidaten zutrauen, dass sie ihre Arbeit tun. Man muss nicht ständig in Panik an einem Faden ziehen. Da erwarte ich mir im Sinne des ORF mehr Gelassenheit.