Der islamistische Terror ist ein Auslaufmodell
Gerald Heschl im Gespräch mit Peter Fritz

Sie haben den Fall der Berliner Mauer, die Balkankriege, den Golfkrieg, den Terroranschlag auf das World Trade Center hautnah erlebt. Wie geht es einem, wenn man bei den entscheidenden Wendepunkten der Geschichte dabei ist?
Fritz: Es ist schon faszinierend. Als Journalist hat man ja die Motivation, dass die größte Geschichte noch vor einem liegt. Aber ich bin mir da nicht mehr so sicher. Denn diese Ereignisse waren schon ziemlich einzigartig.
In Ihrem aktuellen Buch „Politik der Angst“ beschreiben Sie die Anschläge vom 11. September. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Fritz: Es war ein Moment der Lähmung und des Schocks. Dann kamen sehr schnell der Trotz und die Gereiztheit einer Weltmacht, die den Willen verspürt hat, sehr energisch dagegen zu schlagen. Das erste Ziel war Afghanistan. Als zweite Stufe beglich man aber dann schon sehr schnell ein paar andere offene Rechnungen – vor allem im Irak. Man sah die Gelegenheit, um mit dem Rückenwind dieser Terrorangst eine neue Weltpolitik zu machen.
Diese „New Order“ von George Bush bedeutete auch ein starkes Zurückdrängen demokratischer Rechte.
Fritz: Das ist die große offene Wunde, die Barack Obama im Wahlkampf sehr effizient genutzt hat. Er wollte ja weg von dieser Bespitzelungspolitik, der Militärgerichtsbarkeit etc. Als er dann im Amt war, gab es keine großen Anstrengungen mehr, das wirklich durchzusetzen.
Die Amerikaner haben ja ihr Kriegsrecht weltweit exportiert ...
Fritz: Die Amerikaner haben alle Machtmittel eingesetzt, und die sind ziemlich groß. Man kann jedem Staat mit dem Abbruch der Geschäftsbeziehungen drohen. Das kann für ganze Staaten sehr bedrohlich sein.
War eigentlich die Angst vor dem Islam in den USA besonders spürbar?
Fritz: Interessanterweise weit weniger als in anderen Teilen der Welt. Das kommt auch daher, dass in den USA die meisten Moslems Schwarze sind. Die meisten Araber, die in Amerika leben, sind Christen. Insofern war das nicht so stark.
Kurz war aber doch von einem „Kreuzzug“ gegen die Taliban die Rede ...
Fritz: George Bush hat einmal das Wort „Kreuzzug“ verwendet. Er ist aber sofort von einem lauten Protestschrei in der Öffentlichkeit zurückgepfiffen worden. Man hat dann versucht, das Ganze ja nicht als Religionskrieg zu sehen. Dazu passt auch, dass George Bush gleich nach den Anschlägen vom 11. September in die Moschee gegangen ist, um ein deutliches Signal zu setzen, dass dies nichts mit Religion zu tun hat.
Aber Politik und Religion hängen in den USA viel enger zusammen als in den meisten anderen Staaten.
Fritz: Natürlich hängt alles, was Amerika politisch macht, ganz eng mit einem evangelikalen, fundamentalistischen Christentum zusammen.
Ein Ziel des Anti-Terror-Krieges war es ja auch, westliche Werte in diesen Ländern zu verankern. Ist man damit nicht gründlich gescheitert?
Fritz: Man ist gescheitert und versucht halt jetzt im Nachhinein, sich die Ereignisse in der arabischen Welt, in Libyen, Ägypten usw. als Feder auf den Hut zu stecken. Es gibt aber auch die Gegenposition, wonach es durch die US-Politik viel länger gedauert hat, dass in den arabischen Ländern Demokratiebewegungen entstanden sind. Man hatte dort Angst vor dem Chaos, das in Afghanistan und im Irak besteht.
Wie meinen Sie, wird sich dort die Lage entwickeln? Derzeit ist ja der ganze arabische Raum in Aufruhr.
Fritz: Die spannende Frage wird sein, ob der amerikanische Politikwissenschafter Francis Fukuyama mit seiner These doch recht hat, dass alle Systeme dann in Richtung Demokratie streben, wenn es den Leuten relativ gut geht. Fukuyama spricht von einer Grenze von 6000 Dollar pro Kopf und Jahr. Wenn Sie nach Nordafrika schauen, dann trifft das weitestgehend zu.
Werden wir eher eine demokratische Entwicklung erleben oder werden sich am Ende doch noch fundamentalistische Kräfte durchsetzen?
Fritz: Ich habe das Gefühl, dass der islamische Fundamentalismus und sein Terror in Wahrheit Auslaufmodelle sind. Im Nahen Osten hätte man noch vor einem Jahr gedacht, dass Revolutionen eher islamistisch geführt werden. Aber bislang geht es in eine ganz andere Richtung. Die Moslembrüder in Ägypten sind von den Zeitläufen überholt worden.
Die USA haben sich, so mein Eindruck, von den Ereignissen des 11. September noch immer nicht ganz erholt. Ist die Weltmacht am Abstieg?
Fritz: Das große Match der Zukunft spielt sich zwischen den USA und China ab. Und die Frage ist, ob die beiden einen Modus miteinander finden werden. Es geht ja auch um politischen Einfluss. Es findet ein regelrechter Wettlauf um Afrika und Südamerika statt. China nimmt dort keinerlei Rücksicht auf Menschenrechte oder Umweltschutz.