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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Der Papst hält uns ordentlich auf Trab

Die österreichische Vatikan-Journalistin Gudrun Sailer über das Leben im Zentrum der Weltkirche, den Papst als Chef und die Neuerungen in der vatikanischen Medienlandschaft

Bildunterschrift (Bildrechte sind zwingend anzugeben!)
Vatikan-Journalistin Gudrun Sailer (Foto: Greta Galligioni)

Sie haben wohl einen der schönsten Arbeitsplätze der Welt: direkt im Vatikan. Wie lebt es sich im Zentrum der Weltkirche?
Sailer: Ansprechend! Und zwar deshalb, weil es so spannend ist, für den Papst zu arbeiten. Besonders für Franziskus – er hält uns ordentlich auf Trab, mit ihm ist es nie langweilig oder allzu vorhersehbar. Das Arbeitsambiente im engeren Sinn ist bei uns in der Redaktion aber sehr nüchtern. Es gibt bedeutend gediegenere Arbeitsplätze im Vatikan, etwa wenn man das Glück hat, im Apostolischen Palast zu arbeiten, also zum Beispiel im vatikanischen Staatsekretariat, oder in den Museen.

Sie haben bereits mehrere Päpste als Journalistin in Rom erlebt. Was zeichnet den jetzigen Papst besonders aus?
Sailer: Franziskus ist spontan, locker und mit einem guten Humor gesegnet. Er spricht gerne direkt zu den Menschen. Vorbereitete Reden legt er oft beiseite, außer in den Heiligen Messen - bei den Predigten weicht er nur selten ab. Ich finde es hochinteressant, dass man ihm, wenn er frei spricht, sozusagen beim Nachdenken zuhören kann. Das ist ja als Kommunikationsform neu für ein Kirchenoberhaupt. Er sagt dabei hin und wieder auch etwas, was inhaltlich schwierig ist oder allzu leicht missverstanden werden kann, was dann manche wiederum weidlich nutzen, um ihm zu widersprechen. Das nimmt der Papst in Kauf, er hat keine Angst, frei zu reden. Wichtig finde ich auch, dass er einen neuen Blick auf Kernfragen des Katholischen eingebracht hat.

Zum Beispiel?
Sailer: Zum Beispiel, was das große Thema Lebensschutz anlangt. Der Begriff war bis vor wenigen Jahren sehr verengt auf Abtreibung und Euthanasie. Das ist wichtig, aber nicht genug. Dem Papst geht es nicht nur um Schutz des Lebens am Anfang und am Ende, sondern überhaupt. Da hinein gehört Schöpfungsverantwortung genauso wie Migration und gerechtes Wirtschaften. Es tötet Menschenleben, wenn wir die Umwelt vergiften, wenn wir unsere Grenzen komplett abschotten und wenn unsere Unternehmen Arbeitskräfte in armen Ländern ungestraft ausbeuten. Diese Zusammenhänge hat Papst Franziskus vertieft ins päpstliche Lehramt geholt. Von da werden sie auch nicht mehr verschwinden. Es ist für mich immer wieder faszinierend zu sehen, wie der christliche Begriff vom Lebensschutz dann auf einmal die ganz großen sozialen und politischen Fragen unserer Zeit neu beleuchtet und ihnen Orientierung gibt.

Haben Sie eigentlich auch die Gelegenheit, den Papst persönlich zu treffen?
Sailer: Franziskus besteht darauf, dass er seine Mitarbeiter nach dem Segen „Urbi et Orbi“ persönlich begrüßt. Also: Ja, man sieht den Chef hin und wieder, aber nicht oft.

Wie geht es Ihnen als Frau und Nicht-Theologin im Vatikan?
Sailer: Im Vatikan gibt es wenige Frauen in leitenden Positionen, sogar auf den untersten Führungsebenen sind fast nur Männer. Das finde ich schade. Nun wenden manche ein, in der katholischen Kirche sind es nun einmal Priester, die leiten. Aber das stimmt so natürlich nicht. Auch Laien können im Vatikan bis zu einem bestimmten Punkt Führungsverantwortung haben. Die wenigen, die da heute sind, sind meist männliche Laien. Ich meine, mit der bevorstehenden Kurienreform wird mehr Schwung in die Frage von Mitverantwortung zwischen Laien und Priestern kommen. Als Nicht-Theologin fühle ich mich im Vatikan-Journalismus gut aufgehoben. Theologie studiert zu haben, ist sicherlich ein Plus, aber noch wichtiger sind journalistische Tugenden.

Viele unserer Leser und Leserinnen hören regelmäßig Radio Vatikan. Da hat sich aber einiges verändert. Wie sieht die deutschsprachige Medienlandschaft im Vatikan heute aus?
Sailer: Die vatikanische Medienreform ist noch nicht am Ziel. Radio Vatikan als Name wurde vor rund zwei Jahren eigentlich abgeschafft und firmiert jetzt unter „Vatican News“, das ist ein Multimedia-Portal. Die Radiosendungen laufen so wie früher, nur unter neuem Namen. Es besteht aber die Überlegung, zum Namen „Radio Vatikan“ zurückzukehren, wenn es um Radiosendungen geht. Es gibt außerdem noch die deutsche Ausgabe der Vatikanzeitung „Osservatore Romano“, die derzeit von zwei Leuten gemacht wird. Da ist eine engere Zusammenarbeit angedacht, auch räumlich.

Was sind Ihre persönlichen Lieblingsthemen?
Sailer: Ich bin ausgesprochen gerne „Vatikanberichterstatterin“. Wir reden auch über die Kirche in den Ländern deutscher Sprache und über Weltkirche, aber meine persönliche größte Neugier ist beim Papst, bei der Kurie und auch beim Vatikanstaat. Mich interessiert, wie dieser heutige Weg der katholischen Weltkirche in ihrer Mitte, dem Vatikan, aussieht, wie es vorangeht, Schritt für Schritt.

Wie eng ist Ihre Verbindung zur Heimat und zur Kirche in Österreich?
Sailer: Ein bis zweimal im Jahr bin ich in Österreich. Da halte ich mich bei der Familie in meinem Heimatdorf auf, wo ich, auch mit meiner Tochter, zur Sonntagsmesse gehe. Heuer waren wir sogar auf einer Fußwallfahrt. Zwischendrin treffe ich die eine oder andere Ordensschwester oder einmal einen Bischof zum Plaudern. Das alles hilft mir auch bei meiner Arbeit. Weltkirche – und damit der Vatikan - lebt ja von der Wirklichkeit in den Teilkirchen.

Wo kann man von Ihnen am besten hören oder lesen?
Sailer: Am leichtesten über unsere Webseite www.vaticannews.de. Außerdem haben wir Partnersender, die unsere Nachrichtenmagazine übertragen, z. B. Radio Klassik oder Radio Maria Österreich. Wir übertragen alle Papstmessen, die von K-TV oder EWTN-TV und Radios übernommen werden. Das meiste veröffentlichen wir auch bei facebook und Twitter.

Interview: Gerald Heschl

Zur Person: Gudrun Sailer (* 3. September 1970 in St. Pölten, Niederösterreich) studierte ab 1988 in Wien, Innsbruck, Klagenfurt und Sevilla Vergleichende Literaturwissenschaft, Spanisch, Französisch und Philosophie. Den Magister-Abschluss erlangte sie im März 1995 an der Universität Wien. Ihre journalistische Ausbildung erhielt Gudrun Sailer bei der Austria Presse Agentur. Nach ihrem Wechsel zum Radio wirkte sie u. a. bei Ö1. 2003 wurde Sailer Redakteurin im deutschsprachigen Dienst von Radio Vatikan in Rom, das nunmehr unter dem Namen Vatican News firmiert. Sie ist Autorin zahlreicher Bücher und lebt mit ihrer Familie in Rom.