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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Der Heilige Geist ist kein laues Lüfterl

Vor 30 Jahren gründete Fery Berger gemeinsam mit Jugendlichen in der Oststeiermark die „Weizer Pfingstvision“. Sie hat weit über die Steiermark hinaus die Kirche innovativ beeinflusst. Ein Gespräch über Pfingsten, Visionen und Papst Franziskus:

Heuer feiert die Weizer Pfingstvision ihr 30-Jahr-Jubiläum. Erzählen Sie unseren Leserinnen und Lesern, wie alles angefangen hat?
Berger: Am Beginn stand ein steirisches Jugendtreffen 1989 in Weiz. Damals haben Jugendliche nach einem Musical über Martin Luther King ihre Vision von einem neuen Aufbruch in der Kirche formuliert. Das war der Anfang dieser 30-jährigen Geschichte. Wenn ich mir die Entwicklung anschaue, so waren wir zu Beginn noch viel stärker auf innerkirchliche Reformen konzentriert. Jetzt hat sich die Pfingstvision weiterentwickelt.

Fery Berger (Foto: Neuhold)
Fery Berger (Foto: Neuhold)


Wie hat sich für Sie der Blick auf Pfingsten verändert?
Berger: Vom Kern her ist Pfingsten natürlich die Erfahrung des Geistes Gottes. Es ist diese große Friedensvision Jesu, die ja schon der Prophet Jesaja hatte, von der Wallfahrt aller Nationen und Völker auf den Berg Zion. Dann kommt dazu die zeitgemäße Sprache der Jünger, die von allen Menschen verstanden wird. Pfingsten bedeutet für mich aber auch Überraschung, denn unser 30-jähriger Weg war voller Überraschungen.

Sie haben sich bewusst auf diesen „Geist“ eingelassen?
Berger: Ja, wir leben bewusst im Geist von Pfingsten. Es sind viele neue Dinge entstanden. Insofern ist es schon ein kleines Pfingstereignis. Dazu gehört auch, dass der Inhalt in den 30 Jahren gleich geblieben ist: Es ist der Anspruch einer spirituellen, solidarischen und offenen Kirche. Das stand schon am Beginn in der ersten Vision.


In diesen 30 Jahren hat sich die Kirche auch massiv gewandelt. Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage der Kirche? Sind einige Ihrer Visionen nicht zuletzt durch Papst Franziskus Wirklichkeit geworden?
Berger: Für uns waren von Anfang an Franz von Assisi und die franziskanische Spiritualität wichtig. Sein Traum von einer neuen Kirche und der Auftrag: „Baue meine Kirche wieder auf!“ spielten auch bei uns eine große Rolle. Wir haben daher gestaunt, als sich der neue Papst Franziskus nannte. Es klingt vielleicht ein bisschen vermessen, aber das, was wir seit 30 Jahren anstreben, ist in diesem Papst personifiziert. Von Beginn an sprach er von der absoluten Option für die Armen und einer Kirche mit den Armen. Seine Idee eines Aufbruches ist dieses Hinausgehen, diese Offenheit. Das alles mündet in eine vertiefte Spiritualität. So geschieht Erneuerung in der Kirche. Das ist auch unsere Erfahrung nach diesen 30 Jahren.


Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes. Wie wichtig ist Spiritualität auf dem Weg der Erneuerung?
Berger: Für das, was wir begonnen haben, braucht es die Spiritualität in Form des Heiligen Geistes zu 100 Prozent. Der Heilige Geist ist ja kein laues Lüfterl. Er kommt in Feuerzungen und als Sturm daher. Aber nur so entwickelt sich die nötige Kraft.

Die Jünger wurden damals von allen verstanden. Umgelegt auf die heutige Zeit: Welche Sprache braucht die Kirche heute, um verstanden zu werden?
Berger: Wir stehen auf drei Säulen: Spiritualität, Solidarität und Kunst. Ich sehe etwa in der Kunst-Schiene einen Versuch, eine neue Sprache zu sprechen. Wenn man aber Menschen ansprechen will, so geht es nur, indem man hinausgeht, sich um die Menschen bemüht. Da gibt es viele Schienen und da gehören heute die Medien dazu. Die klassischen Medien genauso wie die sogenannten neuen oder sozialen Medien. Wir müssen auf die Zeichen der Zeit schauen und einen verständlichen Weg gehen.

Haben wir heute – wie die Jünger damals – zu viel Angst? Sie haben sich ja verbarrikadiert, bis der Ruf kam: „Geht hinaus!“
Berger: Auf jeden Fall ist die Angst viel zu groß. Mit dem negativen Zugang und mit Frust können wir andere Menschen nicht begeistern. Angst ist im Leben der Kirche sicher das Unfruchtbarste. Glauben heißt ja Vertrauen und das Gegenteil von Vertrauen ist Angst.

Berger: “Solidarität hat immer auch eine politische Dimension.“ (Foto: Neuhold)
Berger: "Solidarität hat immer auch eine politische Dimension." (Foto: Neuhold)

Fehlt uns dieser Sturm des Heiligen Geistes?
Berger: Das braucht eigentlich jeder Mensch in seinem Leben. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass damals ja auch nicht viele vom Heiligen Geist beseelt wurden. Das ist heute auch so. Wichtig ist es, gemeinsam unterwegs zu sein und die Kraft zu nutzen, um andere anzusprechen und einzuladen.

Die Säule der „Solidarität“ bedeutet ja auch gesellschaftliches Engagement. Ist der Auftrag von Pfingsten im Sinne von „Verändert die Welt!“ auch ein gesellschaftspolitischer Auftrag?
Berger: Ja. Solidarität lebt nicht nur nach dem Vorbild des barmherzigen Samariters, sondern hat immer auch eine politische Dimension. Wenn man in einer solch globalen Krisensituation lebt wie wir heute, dann darf man gerade als Christ nicht wegschauen. Paul M. Zulehner, der Wiener Pastoraltheologe, der von Anfang an in Weiz dabei war, sagt: „Die effizienteste Form der Nächstenliebe ist die Politik.“ Das bedeutet, dass man Not lindert, aber gleichzeitig die gesellschaftlichen und politischen Wurzeln der Not klar benennt. Das ist auch der Zugang der Caritas, und wir wollen und müssen auch klar sagen, wo die Probleme liegen.

Fery Berger präsentiert Papst Franziskus die neuen Plän für die Weizer Pfingstvision (Foto: Vatikan)
Fery Berger präsentiert Papst Franziskus die neuen Ideen für die Weizer Pfingstvision (Foto: Vatikan)

30 Jahre Pfingstvision – welche Visionen oder Wünsche haben Sie an diesem Geburtstag für die Zukunft?
Berger: Bei der Rückschau ist uns aufgefallen, dass in einem Zy-klus von etwa sieben Jahren größere Projekte entstanden sind. Zuerst war es eine reine Jugendbewegung, dann kam die innerkirchliche Reform mit Kardinal König, dann haben wir die „Solidarregion Weiz“ gegründet etc. Die nächste 7-Jahres-Periode wissen wir heute schon, aber sie wird im Detail erst an diesem Pfingstsonntag in Weiz bekannt gegeben. Ich kann nur so viel verraten: Wir wollen ein Pilgerzentrum schaffen, das viele Menschen anspricht.