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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Dem Prophetischen auf der Spur

Der Welzenegger Pfarrer Peter Deibler über sein neues Buch und die prophetischen Fähigkeiten, die im Menschen schlummern

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Peter Deibler bei der Autorenlesung im Klagenfurter Diözesanhaus
Bildunterschrift (Bildrechte sind zwingend anzugeben!)

hr neues Buch handelt von historischen Personen, im Zentrum steht ein gewisser Viktor Schauberger. Wer ist das?
Deibler: Schauberger ist ein österreichischer Naturforscher, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gelebt und gewirkt hat. Er war Förster und Erfinder, hat mit natürlichen Mitteln revolutionäre Holzschwemmanlagen gebaut, um Holz vom Gebirge ins Tal zu bringen. Er war auch ein Forscher, der das Wasser beobachtet hat, die Strömungen im Fluss. Daraus hat er z. B. Erkenntnisse für die Holz-schwemmanlagen abgeleitet oder wie man einen Fluss naturgemäß reguliert und wie nicht. In Wirklichkeit sind alle Flüsse ganz anders reguliert worden.

Können Sie das ein wenig konkretisieren?
Deibler: Man hat die Flüsse in gerade Betten gezwängt, damit sie so schnell wie möglich fließen und abfließen. Dadurch kommt es aber zu einer Sohleneintiefung, zu einem Absinken des Grundwassers, Austrocknung der Randgebiete, Überhitzung des Flusses, weil auch die Wälder rundum fehlen, die den Fluss kühlen würden. Und zu Überschwemmungen. Davor hat Schauberger schon in den 1920er-Jahren gewarnt.

Wie sind Sie auf diesen außergewöhnlichen Menschen gestoßen?
Deibler: Mich interessieren immer eigenständige Personen und Denker, die einen eigenen Weg suchen und gehen. Umso mehr, wenn ihnen nicht die Masse folgt auf diesem Weg. Ich glaube, das ist ein christliches und ein prophetisches Thema. Das war die Spur, auf der ich Schauberger entdeckt habe. Weitere historische Personen im Roman sind die Wiener Kunstmäzenin Mäda Primavesi und Pfarrer Johannes Ude.

Was für ein Landsmann ist Schauberger?
Deibler: Er ist in Schwarzenberg in Oberösterreich geboren, im Mühlviertel bzw. im Böhmerwald, aber seine Heimatgemeinde weiß nicht wirklich davon. Adalbert Stifter wird dort verehrt, aber auch Schaubergers Geburtshaus habe ich dort gesehen.

Sie sprachen von einem Pfarrer Johannes Ude ...
Deibler: Johannes Ude ist in St. Kanzian am Klopeiner See geboren, aber seine Familie ist in die Steiermark gezogen. Er ist in Graz zur Schule gegangen, hat dort studiert, drei Doktorate gemacht – Philosophie, Theologie und Naturwissenschaften –und ist Priester geworden in der Zeit des Ersten Weltkriegs. Er war eine ganz große Priestergestalt, mit der sich die Kirche aber Zeit seines Lebens schwertat. Die steirische Kirche hat ihn an den Grundlsee versetzt, um sich vor ihm und ihn vor den Nazis zu schützen. Er war ein unbeugsamer, asketischer Mensch, der schon in den 1910er-Jahren vegan gelebt und Tierhaltung abgelehnt hat, ebenso Rauchen und Alkohol. In Graz hat er ein Speisehaus eröffnet, das veganes Essen zubereitet hat, es herrschte Alkohol- und Rauchverbot. Er hat Prostitution und Menschenhandel aktiv bekämpft, hatte Kontakte in Regierungskanzleien auf der ganzen Welt, hat unzählige Schriften herausgegeben. Nach anfänglichem Liebäugeln mit den Nationalsozialisten hat er sich sehr schnell von ihnen getrennt und mit ihnen überworfen. Seit den ersten Kriegshandlungen hat er offen gegen sie gewettert und war mehrmals vom KZ bedroht. Er wurde sogar wegen Wehrkraftzersetzung zum Tod verurteilt, das Urteil wurde aber nicht mehr vollstreckt. Nach dem Krieg hat er mehrmals für das Amt des Bundespräsidenten kandidiert.

Pfarrer Janko Kristof beschreitet neue Wege, indem er Recitals aufführt, Michael Kopp lädt zum Kabarett – was führt Sie als Pfarrer zum Schreiben?
Deibler: Die Sprache und das eigene Lesen bewegen mich. Und die Erfahrung, dass ich als Seelsorger sowieso ständig schreibend und redend tätig bin. Einerseits ist die Sprache immer üngenügend: Wenn ich zu einem Thema predige, muss ich mich immer auf eine Perspektive beschränken, ich muss es an die Menschen adressieren, die da sein werden, aber es gäbe viel mehr zu sagen. Und andererseits ist es ein Mangel der Sprache, weil die Wörter und die Gelegenheiten fehlen, noch mehr auszusagen. Ein Buch hat mehr Zeit zum Entstehen, man kann länger überlegen. Ein Roman gibt darüber hinaus die Möglichkeit, Dinge nicht nur von einer Seite zu betrachten: Beim Predigen spreche ich aus meiner Sicht, im Roman gibt es dagegen viele handelnde Personen, die jede ihre Sicht hat, und ich muss mich nicht mit einer identifizieren. Diese Möglichkeit hat mir das Schreiben eröffnet, und ich finde sie sehr spannend.

Um zu schreiben, müssen Sie zu den Personen recherchieren. Was hat das mit Ihrer Berufung als Priester zu tun?
Deibler: Menschen begegnen, nachfragen, sie verstehen lernen: Das tue ich jeden Tag in der Pfarre, in der Schule, als Asylantenseelsorger; auch eben, als ich eine alte Frau mit der Krankenkommunion besucht habe: Da erfahre ich viele Dinge aus ihrer Kindheit und über Jahrzehnte hinweg, unsystematisch, ad hoc. Die Möglichkeit, bis zu den Wurzeln zu gehen und eine Biografie nachzuzeichnen, ist aber im Alltäglichen nicht gegeben. Wenn man schreibend einer Person nachforscht, hat man mehr Möglichkeiten und Hilfsmittel.
Ein anderer Aspekt: Ich forsche gerne nach prophetischen Gestalten. In jeder Pfarre, in die ich komme, in der Schule. Nach Menschen, die eine Vision haben, die über das hinausgeht, was sie umsetzen können. Ich meine damit nicht eine Geschäftsidee; eine prophetische Vision ist ja etwas, das man nicht planen und nicht kontrollieren kann, und dann auch etwas, das man wahrscheinlich nicht zur Gänze umsetzen kann, das einem immer ein wenig voraus und zu groß ist. Es geht in die Zukunft, in andere Zeiten ... Solche Gestalten sind Schauberger und die beiden anderen auch, und das fasziniert mich.

Sie arbeiten mit Asylanten, in der Pfarre Welzenegg haben Sie eine „prophetische“ und eine „priesterliche Gruppe“ ins Leben gerufen.
Deibler: Ich bin froh, solche Begabungen und Visionäre zu entdecken und auch zu wecken. Wenn Menschen angesteckt werden, können sie entdecken, dass auch in ihnen selbst etwas arbeitet. In der „prophetischen Gruppe“ beschäftigen wir uns mit biblischen Propheten und auch anderen wie Schauberger. Das ruft in uns Resonanz hervor. Ich erlebe immer wieder, dass daraus eine Glaubensintensität wächst, manchmal auch Lebensentscheidungen, dass jemand sich zu neuen Handlungen ermutigt fühlt. Auch dass Menschen aus ihrer Deckung herauskommen: Prophetische Menschen sind oft nicht im Zentrum von Pfarren und Institutionen zu finden. Sie sind oft Beobachtende, die auch in der Messe hinten sitzen. Die, die man sonst nicht hören würde.

Interview: Georg Haab

Zur Person: Peter Deibler, 1963 in Wien geboren, Ausbildung zum Volks- und Hauptschullehrer, dann Studium der Philosophie und Selbstständigen Religionspädagogik, Priesterweihe 1996. Der Pfarrer von Klagenfurt-Welzenegg ist außerdem Gefangenen- und Flüchtlingsseelsorger und ist vielfach künstlerisch tätig. Deibler schrieb z. B. das Libretto zu Bruno Strobls Kirchenoper „Sara und ihre Männer“, die 2012 beim Festival „Carinthischer Sommer“ uraufgeführt wurde.

Buchtipp: Peter Deibler, Füchse haben ihre Höhlen und Vögel ihre Nester. Roman über den Naturwissenschaftler und Erfinder Viktor Schauberger, 236 Seiten, broschiert mit Klappe, Hermagoras-Mohorjeva (2019), € 23,90

Buchvorstellungen und Autorenlesungen finden Sie jeweils zeitgerecht auf den Terminseiten des „Sonntag“.