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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Dämon:innen, Ketzer:innen, Heilige

Institut für Religionspädagogik lud zu Symposion in Tanzenberg

Foto: Haab
Theresia Heimerl (Mitte) mit dem Direktor des Instituts für Religionspädagogik Klagenfurt, Franjo Vidovic, und der Leiterin des Instituts für Religionsgeschichte der Universität Graz, Ulrike Bechmann

Das „Forum Junge Theologie“ des Klagenfurter Instituts für Religionspädagogik in Tanzenberg stand heuer im Zeichen des 50. Geburtstages der Grazer Theologin Theresia Heimerl.

„Dämon:innen, Ketzer:innen, Heilige – Formen religiöser Devianz in Text und Bild“: Unter diesem Motto stand das interdisziplinäre Symposion, zu dem das Institut für Religionspädagogik Anfang September nach Tanzenberg einlud. Anlässlich des 50. Geburtstags von Theresia Heimerl, als Professorin für Religionswissenschaft an der Universität Graz eng mit dem Institut verbunden, das seit 2017 Teil der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Graz ist, würdigten jüngere und ältere Wissenschaftler das Wirken der Theologin und warfen Schlaglichter auf das Thema, das deren Forschung von Anfang an begleitet: Abweichungen vom religiösen Mainstream.
Dämonen und Dämoninnnen, Ketzerinnen und Ketzer, Heilige als Formen solcher Abweichungen waren Inhalt der insgesamt elf Festvorträge. Ja, es gibt durchaus Menschen, die erst auf der Liste der Ketzer standen und mittlerweile wie Heilige verehrt werden, z. B. Meister Eckhart, spätmittelalterlicher Theologe und Philosoph.

Besessen oder inspiriert?

Das Inquisitionsverfahren, das gegen ihn angestrengt wurde und erst nach seinem Tod endete, verurteilte 28 Sätze aus seinen Werken und Predigten; dennoch blieb er wegweisend für Spiritualität und Theologie in Deutschland und den Niederlanden. Im Rahmen ihrer Dissertation beschäftigte sich Theresia Heimerl mit ihm und seiner Frage: „Was kann ich dafür, dass jemand mich nicht versteht?“
Johannes den Täufer stellte der Grazer Neutestlamentler Josef Pichler ins Zentrum seines Vortrages. Er zeichnete vom Rufer in der Wüste das Bild eines charismatischen und gleichzeitig stigmatisierten Heiligen. „Charismatiker kommen nicht selten aus gesellschaftlichen Randlagen“, verwies Pichler auf Johannes‘ Geburt in einer entlegenen Provinz während der römischen Besatzung. Der Widerstand gegen die Fremdherrschaft habe zu revolutionären Protestbewegungen geführt: „Auch Johannes der Täufer ist die Speerspitze einer solchen Protestbewegung“. In einer Zeit, als „Gesetze gegen Tafelluxus“ den üppigen Gastmählern und dem ausufernden Lebensstil der römischen Oberschicht Einhalt gebieten sollten, war Johannes der Täufer als „ausschließlicher Vegetarier“ und Asket ein starker Kontrast.

Alte Geschichten – aktuelle Bezüge

Die Bibel enthält Aussagen, dass Zeitgenossen Johannes für von einem Dämon Besessenen hielten. „Er provoziert Herrscher und Tempel“ und gewinnt durch seinen „Verzicht auf Gewalt und Unrecht“ rasch Anhänger: „Interessant ist, wer zu Johannes kommt: die Menge, Zöllner, Soldaten“, die er zur Taufe und zum Engagement für die Armen aufruft. Die Macht, das Ziel seiner Kritik, beendete schließlich sein irdisches Leben.
Ulrike Bechmann, Leiterin des Instituts für Religionswissenschaften und Nachfolgerin des Kärntner Religionswissenschaftlers Karl M. Woschitz, bei dem sich Heimerl habilitierte, schaute sozusagen zu den Nachbarn und referierte über die Bedeutung der „Dschinn“ im Koran: Wesen, die nicht Mensch, aber auch nicht Engel sind, und die Einfluss auf Menschen nehmen können. Sie werden mit dem „Bösen Blick“, Albträumen und Besessenheit in Verbindung gebracht. Dass die Dschinn Eingang in den Koran gefunden haben, führt Bechmann auf sehr konkrete Ursachen zurück: Die Wesen stehen für reale Ängste und Probleme, auch für soziale Bedrohungen. Indem man sie Geistern zuordnet, werden sie benennbar. Aus individuellen Problemen werden gesellschaftliche, heikle Themen werden so ansprechbar.

Drei Fragen an ...

Theresia Heimerl, Professorin für Religionswissenschaften
an der Karl-Franzens-Universität Graz

Was ist das Aktuelle an diesem Thema?
Heimerl: Heiligkeit und Ketzerei ist immer aktuell, wenn man sich mit Religion beschäftigt, weil das sozusagen zwei Seiten derselben Medaille sind. Man sieht das sehr schön in der Kirchengeschichte, wenn eine Person erst der Ketzerei beschuldigt wird und dann im Heiligenkalender ist. Heinrich Seuse ist ein solches Beispiel. Noch bekannter ist Franz von Assisi. Was Dämoninnen und Dämonen betrifft: Nicht nur in der christlichen, auch in der jüdischen und in der islamischen Tradition finden wir immer wieder Personen, denen von der Religion unterstellt wird, von Dämonen besessen zu sein. Das alternative Deuten von Religion wird sehr schnell von den religiösen Autoritäten auf Dämonisches Wirken zurückgeführt. Bei mittelalterlichen Heiligen war das sehr schnell der Fall.

Jemand, der im Religiösen Änderungen einfordert, wird sehr schnell dämonisiert; auch Papst Franziskus wird von manchen Katholiken auf diese Weise angegriffen.
Heimerl: Genau, das durchaus heiligmäßige Anliegen, eine Religion zu erneuern, wird bis in die Gegenwart von Gegnern dieser Erneuerung gerne als Ketzerei eingeordnet, die vom Teufel oder von Dämonen befördert wird.

Wie kann man dieser Falle entgehen und positiv mit Menschen und Themen umgehen, die vom religiösen Mainstream abweichen?
Heimerl: Wenn solche Dämonisierungen auftauchen, sollte man erst einmal nach der wirklichen Intention der mutmaßlichen Ketzerinnen oder Ketzer fragen. Und man muss auch lernen auszuhalten, dass es eine gewisse Ambiguität zwischen Heiligkeit und Ketzerei gibt, und dass es sich manchmal wirklich erst im Nachhinein herausstellt, was was war. Es gilt, sich mit vorschnellen Urteilen zurückzuhalten und im biblischen Sinn zu schauen: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Dann löst sich dieses vermeintlich Dämonische meistens schnell auf.

von Georg Haab und Benjamin Höbl